JUDAS PRIEST, SAXON, URIAH HEEP
Dortmund, Westfalenhalle, 27.03.2024
Für 76 Euronen wechselten die Eintrittskarten im Vorverkauf den Besitzer. Nach der Pandemie haben wir mal in der Lichtburg zu Essen ebenso viel bezahlt, allerdings für über 2,5 Stunden Uriah Heep alleine. Und den Dinosauriern macht es nichts aus, auf dieser Tour für zwei „jüngere“ Bands zu eröffnen. Mal sehen, wie viel Spielzeit sie heute als Opener zugestanden bekommen. „Save Me Tonight“ und „Grazed By Heaven“ heißen die ersten beiden Songs nach dem Intro. Sänger Bernie bringt sympathische Ansagen und spricht darin sehr viel Deutsch, das trägt gut zum Riesenapplaus bei, den die Band erntet. Zum von Drummer Russell geschriebenen „Hurricane“, eins der Highlights des aktuellen Longplayers „Chaos And Colours“, fällt mal die grelle Lightshow auf, leider aber dann aber auch die wohl kürzeste Version von „Gypsy“, die wir live von den Briten je gehört haben. Das markante Riff dieses Songs hat der Mischer spürbar leiser gedreht, sonst wäre die Wucht wie auf Platte gekommen. Alle Male verdient hätte der Fünfer, wenn auch der natürliche Gitarrendruck in ihrem unbedingten Reißer „Easy Livin“ in vollem Umfang geknallt hätte. Zumal der danach angekündigte ‚Folksong‘ „Lady In Black“ eh akustisch beginnt und nach knappen und zu kurzen vierzig Minuten letztes Stück darstellen soll. Hier singt gefühlt die ganze Halle mit, während wir schon draußen am Bierstand im Flur leider erfahren müssen, wie langsam das Bier gezapft wird und man bereits schon kein Wechselgeld mehr herausgeben kann.
Haben Judas Priest bislang einige Male versucht, mit Ozzy auf Tour zu kommen, geht die Rechnung nach seiner Ankündigung, nicht mehr live aufzutreten, nun mit Saxon auf. Und von den Briten darf jetzt etwas erwartet werden. Nach dem kurzen Intro bekommen wir den Titeltrack des neuen Albums „Hell Fire And Damnation“ auf die Mütze, und der sitzt schon mal. Warum der Opener aber mehr Applaus bekommt, als danach der brutal geriffte und seltener gespielte Klassiker „Motorcycle Man“, ist uns ein Rätsel. Zwar wird weiter zu „Sacrifice“ und „There’s Something In Roswell“ die Riesen-Light-Show gefahren, aber die fünf Musiker auf der Bühne werden längst nicht so gut beleuchtet wie die Band zuvor und bleiben oft im Dunkeln. Dennoch erkennen wir den für Paul Quinn neu eingestiegenen Gitarristen Brian Tatler von Diamond Head, mit dem die bekannten Soli der Songs etwas anders gespielt werden. Für die Fans schwieriger zu verschmerzen dürfte allerdings die Tatsache sein, dass wir wegen seiner Aktionen mit seinem neuen Brötchengeber in näherer Zukunft kein Diamond Head Album mehr erwarten dürfen. Und das ist sehr Schade, denn gerade deren jüngste Longplayer waren Weltklasse. Dieser Fünfer hier glänzt mit dem neuen „Madame Guillotine“ ebenso wie mit seinen Klassikern „And The Bands Played On“, „Heavy Metal Thunder“, „Crusader“ und „Denim And Leather“, von denen Biff der Audienz einige zur Wahl stellt und an irgendwelchen Reaktionen entscheidet, welcher denn gespielt wird. Dennoch bleiben die Publikumsreaktionen im Innenraum eher spärlich, erst im Mitklatschpart von „Wheels Of Steel“ stellen wir fest, dass er die Ränge besser in Bewegung bekommt, als die Menge im Innenraum von der Bühne bis zum Mischpult. Zu „Strong Arm Of The Law“ und natürlich „Princess Of The Night“ ist dann doch was aufgetaut und es gibt dann etwas mehr Hallo vor der Bühne. Ein strammes Programm von fast einer Stunde und wieder einmal darf festgestellt werden, Saxon sind einfach eine Bank. Alle Daumen hoch!
Bis hierhin sind beim Verfasser dieser Zeilen alle Erwartungen dieses Konzertabends bereits erfüllt worden. Alles was nach dem aus dem Back angespielten „War Pigs“ in den folgenden einhundert Minuten noch kommt, ist Bonus, denn nicht immer war Rob Halford live in den letzten Jahren gesundheitlich und damit gesanglich auf der Höhe. So können wir mal eben das Line-Up aufzählen, während noch das pompöse Intro abgespielt wird. Es sind Scott, Ritchie, Andy, Ian und Rob, die zum Opener „Panic Attack“ die Bühne entern. Im Back vier senkrecht aufgehangene Riesenscreens, auf denen mit Animationen optische Untermalung geboten wird. Über der Band das LED-beleuchtete Hellion-Kreuz, das an Seilen zu jedem Song in andere Positionen gefahren wird. Zu „You’ve Got Another Thing Coming“ voll runter, noch vor die vier Screens im Back. Echt schön, dass Judas Priest „Rapid Fire“ mit im Programm haben und wir bemerken, Ian Hill ist wie immer einfach das Uhrwerk. Natürlich wird genau die Gesangsleistung beobachtet, die unüberhörbar auf reichlich verwendeten Effekten basiert, doch das Meiste dürfte live gesungen worden sein. „Breaking The Law“, das neuere „Lightning Strike“ und „Love Bites“ folgen, und zu Letztgenanntem wird es ruhig in der Halle. Richtig geil das rare und ganz alte „Saints In Hell“ dargeboten zu bekommen, eine großartige Wahl und wir hören immerhin Priest-Rufe, wenn auch bloß ganz verhaltene. Mit dem Midtempo-Track „Crown Of Horns“ kommt noch ein neues Stück, und nach dem an sich verzichtbaren „Turbo Lover“ bedankt sich Rob für fünfzig Jahre Heavy Metal. Er läuft zwar recht gebeugt wie ein Ozzy über die Bretter, verschwindet auch häufig hinter der Bühne, zeigt sich aber engagiert und insgesamt agiler als vielleicht erwartet. Nach dem Titeltrack des neuen Albums „Invincible Shield“ freuen wir uns über ein anständiges „Victim Of Changes“, zu dem der krankheitsbedingt ausgeschiedene Glen Tipton im Solo auf den Screens gezeigt wird. Die Gitarristen, Songwriter Faulkner und Produzent Sneap, beherrschen alle Songs auf den Ton, und kennen den Priest-Spirit genau, können aber nicht die unbedingte Vehemenz des originalen Doppels Tipton/Downing, geschweige denn das alte Priest-Feeling rekonstruieren. Noch eine kleine Überraschung in der Setlist ist das coole „You Don’t Have To Be Old To Be Wise“ vom „British Steel Album. Rob nimmt sich die Zeit für einiges an Mitsingspielen mit dem Publikum und nach „The Green Manalishi“ fragt Drummer Scott Travis, was wir hören wollen … und wenn der schon fragt, dann kommt natürlich der „Painkiller“ mit dem knalligen Drumstart. Für den Zugabenblock wird „Electric Eye“ gezockt und für „Hell Bent For Leather“ wird Rob unter viel Rauch und allem Zinnober auf dem Mopped reingeschoben. Das war aber noch nicht alles, denn erst mit „Living After Midnight“ soll nach einhundert Minuten der Feierabend eingeläutet werden. Wenn man so viele Granatensongs hat, kann man im Finale noch zaubern. Die noch erhofften „Sinner“ und „Beyond The Realms Of Death“ kamen nicht. Letzteres wird derzeit auch von KK’s Priest nahezu perfekt gezockt und wird in Kürze in unseren Breiten live zu sehen sein. Nicht schlecht gelaufen für Priest in der Wochenmitte, der Beifall sei ihnen gegönnt! Daumen hoch!
Autor: Joxe Schaefer
Pics: Lorena Wondel