HAUNT – beautiful distraction

Der energiegeladene Vierer aus Fresno, Kalifornien zeigt der weltweiten Pandemie den Mittelfinger. Haunt sind wie gewohnt fleißig am Werkeln und haben selbst im vergangenen Jahr drei (!!!) reguläre Studioalben veröffentlicht. Im aktuellen Jahr hat man sich schon fast Sorgen um das Quartett gemacht, hat es doch genau dreizehn Wochen gedauert, bis das erste Lebenszeichen zu hören ist. Mit “Beautiful Distraction” gibt es das sechste Full-Length Album und das, obwohl es die Band gerade mal seit vier Jahren gibt. Aber Haunt wären nicht Haunt, wenn sie nicht wie schon in der Vergangenheit etwas schummeln bei ihren Releases. Denn schon beim ersten kurzen Blick auf die Playliste des neuesten Albums findet man direkt den ein oder anderen bekannten Track. In Summe sind es genau vier, die bereits auf älteren Veröffentlichungen zu hören waren. So bleiben unter dem Strich zumindest noch sechs neue Tracks der Heavy Metal Recken. Mit leichter Wehmut erinnern wir uns an so grandiose Auftritte wie auf dem Brofest oder dem Hell Over Hammaburg im vergangenen Jahr. Umso erfreulicher, dass Haunt weiter an neuem Material arbeiten und uns zumindest akustisch erfreuen.

Los geht es direkt mit dem Titeltrack und Haunt schaffen es bereits nach wenigen Takten, mich wieder in ihren Bann zu ziehen. Klasse Melodie und einen gewohnt charismatischen Gesang von Trevor William Church, der mal wieder das komplette Album so gut wie alleine eingespielt hat. Der Opener ballert schon mal ziemlich amtlich und auch der Folgesong “In Our Dreams” hat mit seinen starken Gitarrenläufen und einem eingängigen Chorus auf Anhieb gewonnen. Trevor hat einfach ein Händchen dafür, geile mitreißende Heavy Metal Songs zu schreiben und das auch noch mit mächtig Dampf auf Langrille umzusetzen. Dezent höre ich gar leichte Keyboardklänge raus, die sich im Hintergrund unterstützend untermischen. Das ein oder andere Mal schleichen sich mir wieder Parallelen zu ihren kanadischen Landsleuten Cauldron ins Ohr, was ich durchaus positiv werte. “Sea Of Dreams” der 2019er Split wurde hier neu eingespielt und klingt jetzt wahnsinnig druckvoll und im Vergleich zum Original auch deutlich sauberer, obwohl ich noch nicht weiß, ob mir der Keyboardsound auf Dauer gefällt. “Keeping Watch” ist der vorletzte neue Song des Rundlings und tritt im gehobenen Midtempo echt Arsch. Mit “A Fool’s Paradise” startet das abschließende Trio aus alten Songs. Auch dieser Song klingt jetzt wesentlich differenzierter und energischer als die 2019er Split-Version. Ähnlich verhält es sich mit “Hearts On Fire” und dem finalen “It’s In My Hands”, die beide echte Knaller geworden sind. Nach dem zweiten Durchlauf habe ich mich auch an die anfangs recht ungewohnten Keyboards gewöhnt und gönne mir gleich noch eine Runde.

Haunt haben auf “Beautiful Distraction” einen Schritt nach vorne gemacht und mit dem Einsatz des Keyboards einen neuen Weg beschritten. Ob es einem gefällt oder nicht, muss wohl jeder für sich selber entscheiden. Für mich haben besonders die neu eingespielten alten Tracks an Substanz gewonnen. Viele der Songs klingen an einigen Ecken fast schon episch. Hört es euch am besten selber an und macht euch ein Bild von Haunt anno 2021. Für mich eine wirklich runde Scheibe im wahrsten Sinne des Wortes.

Wertung: 8,5/10
Autor: Tino Sternagel-Petersen