Nikolaut! Rockfest

Essen, Weststadthalle, 03.12.2022


Nach pandemiebedingten Absagen findet nun endlich das zehnte Nikolaut statt. Überpünktlich und hochmotiviert kommen The Hellboys auf die Bühne. Der Sänger mit dem Pseudonym ‚Smai-Lee‘ begibt sich gleich an den vordersten Rand der Bühne für Shakehands und nutzt ihre gesamte Breite aus. Seine Nummer mit dem Megaphon lässt er auch heute nicht aus, bereits schon zu einem Zeitpunkt, während sich die Halle noch füllt. Der Vierer feiert schon mal mit Knallbonbons sein 25jähriges Bandjubiläum und bringt auch gleich zwei neue Stücke, „Natural Born Criminal“ ist eins davon. Die Anwesenden wippen sich ein, das Titelstück vom 2009er „Fire Fire Fire“ Album bekommen wir noch ins Gesicht und man kann letztendlich sagen, der Laden ist nach diesen dreißig Minuten schon aufgewärmt.


Die Hamburger von Hardbone haben wir zuletzt im Spätsommer auf dem Rock Spektakulum Open Air in Herne gesehen, und da haben sie schon alle Fans des zackigen eins-zwei-drei Gestampfes zum Zappeln gebracht. Tim ruft mit seiner Brian Johnson Reibeisenstimme die Fans vor die Bühne, und der musikalische Rest hat seit Herne auch nicht weniger Anteile von AC/DC. Warum sollte man auch damit rechnen? Denn, wer solche Musik spielt, verändert sich nicht. Das sieht die bereits gut aufgewärmte Audienz ebenfalls so, also rockt alles ausgiebig mit. Deswegen funktionieren die Mitsingspielchen auch so gut, die sogar lauter als die Band ausfallen. Ebenfalls sehr laut fallen daher die Rufe nach Zugabe aus, welche leider wegen des eng gestrickten Zeitplans nicht erhört werden konnte. Wir hätten auch nichts dagegen gehabt, wenn wir noch das komplette „Fly On The Wall“ Album präsentiert bekommen hätten. So muss die Menge mit vierzig Minuten zufrieden sein und seine Energie auf die nächsten Bands verteilen.


Die Alben von Psychopunch erkennt man schon von Weitem am Artwork. Auch wenn man das Logo aus der Entfernung noch nicht lesen kann, dann weiß man bei dem Oval ganz sicher, dass es sich hierbei um die zackige Einheit aus Västeras handelt. Die rockenden und rollenden Schweden stehen auf Punk, gehen mit viel Tempo nach vorn, und geben auch durch eins zwei drei auffe Fresse wie bei der Band zuvor, nur eben schneller. Seine Gitarre wird zum Betouchen der Saiten in die Menge gehalten und irgendwann dreht der Gitarrist so auf, dass er seinen Hut verliert. Mitnickmucke, bei der offensichtlich vor allem die Mädels Spaß haben. Shouter und Gitarrist Jarmo haut in Halshöhe in die Saiten, da würde es vielleicht helfen, die Klampfe nicht so tief hängen zu haben, hehe. Dann sagt der Vierer seine Speedversion vom Wham-Hit „Last Christmas“ an –  als Geschenk zu Weihnachten! Keine schlechte Idee, gemessen an der Beliebtheit des Songs in Kreisen des Rock ‚n‘ Rolls. Funktioniert hier aber offensichtlich so gut, wie anschließend der straighte Gang zum Merchandise.


Gar nicht mal so selten sind die Hannoveraner in unseren Gefilden unterwegs, zuletzt noch im August des vergangenen Jahres bei einem coronabedingten Sitzplatzkonzert, nebenan im Kulttempel zu Oberhausen. Heute dürfen wir stehen und es wird schon richtig eng vor der Stage, als Drummer Klaus Sperling schon beim Soundcheck Applaus bekommt. Und während wir noch den Bierhalter an Oimels Mikrofonständer abfeiern, weil da ein ganzes Weizenglas reinpasst und selbstredend auch ein volles drinsteht, rocken die Nitrogods auch schon los. Henny hält den Hals seiner Klampfe über die Köpfe der Menge und der gefühlt unter der Mütze immer mehr zuwachsende Oimel regiert Mitsingspiele und sagt „Damn Right (They Call It Rock ‚n‘ Roll“ an. Querverweise nach Motörhead sind bei dem Dreier noch immer nicht zu verleugnen, will auch niemand. Und ehe wir uns versehen, werden wir schon mit dem durch eine Rückkopplung endendem „Wasted In Berlin“ konfrontiert. Das war nicht ganz eine Stunde, aber genügte für vollste Zufriedenheit der Zuschauer.


Als wir in der Umbaupause noch nebenan am Tresen sitzen, war schon das Flammenbanner der nächsten Band durch die Tür erkennbar. Auf dem Backdrop zeigen sich Motorjesus gern mit einem Firebird und karierte Startflaggen markieren die Bühnenaußen. Mit mehr Metal- als AC/DC-Faktor wie bei den vier Bands zuvor geht es in die Runden, und der Mann am Bass schraubt sich die Rübe ab. Songs wie „Fist Of The Dragon“, „Hellbreaker“ und „Motor Discipline“ lassen die Fans in Bewegung kommen, als sich ein maskierter Fahnenschwenker zur Band gesellt und die Bretter abläuft. Ein einzelner Crowdsurfer lässt es derweil nach einem Versuch. Seine Ansagen gestaltet Sänger und Kappenträger Christoph wie immer nicht einfallslos, geht es doch in „The Howling“ um Haare auf dem Rücken. „A New War“ vom „Dirty Pounding Gasoline“ Album soll der letzter Song sein und es erscheint noch einmal der Fahnenschwenker auf den Brettern, diesmal als Jesus verkleidet, denn umgangssprachlich nennt man die Band ja auch Motörjupp … ähm, ja. Die Mönchengladbacher waren ein absolut würdiger Co-Headliner, auch wenn sie mit einer anderen Klangfarbe kamen, als die Bands zuvor.


Vorab sei die Frage erlaubt, ob das überhaupt noch Victory sind, wo nur noch Gitarrist Hermann und sonst keiner der alten Truppe mit am Start ist. Ihr Banner hängt so hoch unter den Traversen, dass man darauf das Victory-Logo kaum sehen kann. Hermann selbst wohl auch nicht, denn der trägt seinen Hut sehr tief im Gesicht. Standesgemäß geht es mit dem alten Kracher „Are You Ready“ in die Vollen. Die Mannen rocken mit „Take The Pace“, „Rock The Neighbours“ „Feel The Fire“ gut was weg, auch wenn es schon etwas leerer geworden ist. Denn zum ersten Mal heute kann man problemlos in die erste Reihe gelangen. Ein großes Lob geht an den neuen Schreihals aus der Schweiz, der Gianni heißt und von The Order bekannt ist. Der Mann singt die alten Songs mit Respekt und macht eine gute Figur, sowohl bei den von Charly Huhn gesungenen, als auch bei denen von Fernando Garcia bekannten Tracks. „On The Loose“, „Rock ‚n‘ Roll Kids Forever“, „Power Strikes The Earth“ … Hits sind  unter dem Banner so einige geschrieben worden, von daher konnte nichts schiefgehen. Es war schön, mal wieder die alten Songs zu hören, durch die der Auftritt zu einer angenehmeren Sache wurde, doch irgendwie waren das nicht die Victory. Ebenfalls knorke, Victory mal in dieser Neubesetzung zu sehen, schon um das neue und gar nicht mal schlechte Album „Gods Of Tomorrow“ anzuchecken, von dem „Love & Hate“ recht gut abging. Auch wenn der Fünfer nicht wirklich in dieses rockige Billing passte, konnte ein gewisser Spaßfaktor nicht verleugnet werden.

Autor & Pics: Joxe Schaefer