Dying Victims Attack
Essen – Turock, 15.04.2023
Heute geht es mal pünktlich los und den Auftakt des zweiten Tages machen Sexmag aus dem polnischen Silesia. Ihr thrashiger Black / Death kommt ziemlich gut an, selbst zu so früher Stunde, und die Menge im Turock ist heiß auf Tag zwei, das merkt man schon bei den ersten Akkorden. Der charismatische Fronter Jacek macht mit seinem Corpsepaint und Umhang auch optisch mächtig Eindruck. Der Junge hat eine wahnsinnige Bühnenpräsenz und standesgemäß gibt es einen Schluck aus dem Silberkelch zwischendurch. Der Sound ist mal echt was klasse und so kommen die Stücke ihrer zwei Demos und der selbstbetitelten EP ziemlich druckvoll rüber und klingen um einiges kraftvoller als auf Konserve. Mich hatten die Jungs vorher schon in ihren Bann gezogen und mit dieser rund vierzig minütigen Black / Death Attacke haben sie sich noch etwas tiefer in meine dunkle Seele gespielt. (Tino Sternagel-Petersen).
Die Umbaupause reicht für eine Kippe und um mir ein neues Bier zu holen. Viel Trinken ist wichtig bei steigenden Temperaturen. Das kennen die nächsten Jungs eher weniger. Auch wenn die namentliche Assoziation mit Kanada sehr nahe liegt, kommen Töronto aus dem hohen Norden, genauer aus Stockholm. Das Quintett legt von Beginn an den Gashebel auf den Tisch und ballert ihren Speed Metal in die mittlerweile sehr gut gefüllte Location. Hier werden keine Gefangenen gemacht und auch diese Kombo konnte bei mir mit ihrer letzten Single „Under Siege“ aus dem Jahre 2020 groß punkten. Ebenso wie ihre Vorgänger überzeugen mich auch die Schweden live auf ganzer Linie. Hier fliegen in den ersten Reihen die Matten und Bierbecher und Töronto sind in unser aller Augen mehr als ein Anheizer. Aber aus dem Billing eine angemessene Running Order zu basteln, ist wohl auch so gut wie unmöglich! Noch während des Auftrittes mache ich mich auf zu dem zentral gelegenen Dying Victims Stand und erstehe direkt die vorletzte „Under Siege“ CD, auf der man übrigens alle bisherigen Veröffentlichungen zusammen gepackt hat. Das nenne ich mal value for money! (Tino Sternagel-Petersen).
Wieder eine Drei-Mann-Band, irgendwie erkenne ich ein Muster bei mir. Gestern fand ich Bunker schon so stark und heute, so viel kann man schon vorwegnehmen, wird Karloff für mich wohl die beste Band des Abends bleiben. Nachdem ich bei Toronto vorher leider etwas mehr D-Beat vermisst habe (vielleicht hatte ich auch einfach andere Erwartungen), wird dieses Bedürfnis von Karloff zum Glück doppelt und dreifach befriedigt. 2019 bin ich auf die EP „Raw Nights“ gestoßen und war, um es mit Thomas Tuchels Worten zu sagen, schockverliebt. Leider kam dann Corona und ich musste bis 2021 warten, um die Band endlich live zu sehen. Die Corona Pause haben Karloff aber mehr als gut genutzt und danach 2022 die erste Full-Length „The Appearing“ rausgebracht, welche die EP sogar nochmal übertrifft. Da das Set sofort mit den ersten drei Songs des Albums anfängt, bin ich also sofort gefangen und feiere das punkige Black Metal Geballer im D-Beat hart. Mit den Glühbirnen oder Lampen an den Mikrofonen gibt es sogar ein paar hübsche Deko Elemente. Gitarrist und Sänger Tom versprüht die crustigpunkige Black Metal Atmosphäre mit jeder Faser und trifft mich mit jedem Anschlag mitten ins Gesicht. Mit einem kleinen Ausflug zur Split mit Khaos spielen Karloff den Song „The Hammer“ und danach noch „No Friends“ von der EP, bevor es mit „Nihilistic Reaction“ zurück zum Album geht. Da auch noch „Skeleton In Ashes“, „Superior Presenece Of Cruelty“, „Old Ropes“ und „Violent Winter“ als Abschluss im Set sind, wurde das Album auch fast komplett gespielt. Nicht ganz in der Reihenfolge, aber die Songs waren im Set. Kurze Ausflüge zur EP gabs immer wieder mit zum Beispiel „Kill The Masters“. Rundum ein pickepackevolles Set und trotzdem nur Hits! Bombenshow, bitte mehr davon! (Janosch Besen).
Die schwedischen Speedmetaller von Armory konnten uns bereits mit drei Alben beglücken. Nach den finsteren Klängen von Karloff sorgen die Göteborger nun wieder für mächtig Bangsport im Saal, der jetzt plötzlich nur noch halb so voll ist. Grund dafür ist die Bestimmung, die Location nicht vor 18:00 Uhr verlassen zu dürfen, genau die Stagetime des schwedischen Fünfers. Der gibt aber dennoch straight das Brett auffe Fresse und es geht sofort volle Kanne los. Shouter Petrus röhrt, röchelt und krächzt seine Vocals, dazu Tempo, Tempo und Tempo mit grellen Paniksoli. Hier hat man Spaß und ein irrer Fun- und Crazyfaktor darf als sehr hoch eingestuft werden. Die auf der Bühne getragenen neongrünen Schweißbänder gab es dann am Merch zu erwerben. Wer nun seine Einkäufe von Shirts und Platten am reichhaltig bestückten Merch zum Hotel oder zum Auto gebracht hat, findet sich wieder ein und bekommt die Speedklatsche. Zwischen Rauchsäulen kriegen wir die breite Palette, von Synchrongebange bis doppelläufigen Leads ist alles dabei. Damit sollte die Menge für die nächste Band nun gut angeheizt sein. (Joxe Schaefer).
So ziemlich genau mittendrin am heutigen Samstag dürfen die Österreicher von Venator ran. Hier darf ich zur Abwechslung mal von fünf Leuten berichten, anstatt immer nur von dreien. Erstaunlich auch, dass ich zu dieser fortgeschrittenen Uhrzeit noch so weit zählen kann. Venator liefern klassischen Heavy Metal in seiner Reinform, doppeläufigen Riffs, treibendem Schlagzeug und starkem Gesang mit gelegentlichen High-Pitches. Die Band konnte einem mit der EP „Paradiser“ (in Deutschland sagt man Tomate) die scheiß Pandemie etwas versüßen. Und auch hier hat man die Zwangspause gut genutzt, um 2022 die Full-Length „Echoes From The Gutter“ rauszuhauen. Eröffnet wird die Show genauso wie das Album mit „Howl At The Rain“ und das Geschiebe vor der Bühne geht los. Man, wie hab ich das vermisst: Heavy Metal, Maniacs und jede Menge Spaß und Party vor und auf der Bühne. Vom Album sind dann noch „Nightrider“, „Manic Man“, „Streets Of Gold“ und „The Seventh Seal“ dabei. Mein persönlicher Favorit vom Album ist zwar „Red And Black“, aber das ist ja dann eventuell beim Detze im Set (Zwinker Zwinker). Den Abschluss der Show, die viel zu schnell vorbei geht, bietet dann der „Paradiser“, gefolgt von „The Hex“. Venator machen Heavy Metal wie er sein soll: ohne Schnörkel, aber mit gutem Songwriting und Melodien. Bin schon gespannt, was man von den Jungs noch so zu erwarten hat. Ich werde es blind kaufen, so viel ist sicher! (Janosch Besen).
Hexecutor sind mir als absolut überzeugende Live Band bekannt und überzeugen auch beim Dying Victims Attack mit ihren angeschwärzten Mix aus Thrash und Heavy Metal das restliche Publikum. Die Gitarrenmelodien und Soli sind technisch definitiv anspruchsvoll und perfekt in die Songs eingearbeitet, ohne zu progressiv zu werden. Die Songs sind messerscharf auf den Punkt komponiert. Vor der Bühne herrscht ausgelassene Stimmung, die Fäuste werden gereckt und die Band wird ordentlich abgefeiert. Vive la France! (Matze Fittkau).
Megaton Sword kommen mit vielen Vorschusslorbeeren und einer starken neuen Platte namens „Might & Power“ im Gepäck auf die Bühne und haben die schwere Aufgabe, nach den eher ruppigen Bands zuvor die Spannung hochzuhalten. Leider gelingt es ihnen nicht so ganz. Der Sound ist zwar gut und Sänger Uzzy in Topform, dennoch springt der Funken nicht so ganz rüber. Etwas zäh und gleichförmig bringen die Schweizer ihren epischen Schwermetall rüber. Etwas schade, denn ich hatte durchaus mehr erwartet. Vielleicht wären die Eidgenossen etwas früher im Billing besser aufgehoben gewesen. Andererseits ist es die siebte Band und leichte Abnutzungserscheinungen sind auch im Publikum durchaus vorhanden. Vielleicht sollte man den Fünfer doch mal in einem Einzelgig antesten. (Bert Meierjürgen).
Gegen 22:30 Uhr wird es verdammt finster im Turock. Avenger betritt mit Nocturnal die Bühne eröffnet mit dem epischen Intro von „Black Ritual Tower“, bevor es dann voll zur Sache geht. Das Publikum vor der Bühne dreht total auf… Invoker rotzt die Texte in bester Black/Thrash Manier raus und wirkt mit seinen Haaren im Gesicht und dem irren Blick wie ein Psycho. Perfekter Auftritt! Präzisionsmaschine John Berry an den Drums macht einen verdammt gut gelaunten Eindruck, verdrischt die Felle standesgemäß und bildet mit Incenirator am Bass eine verdammt geile Rhythmusfraktion für Avengers Thrashriffing! Die Setlist lässt keine Wünsche offen und deckt die gesamte Diskografie der Band ab. Kurz vor Schluss gibt es dann beim Bangen noch eine blutige Nase … schnell Wasser durchs Gesicht, noch ein Bier reingekippt und wieder ab nach vorne! Nocturnal sind einfach die Macht und haben den Preis für die am schönsten gestaltete Setlist gewonnen! (Matze Fittkau).
Der Zeitplan hinkt inzwischen fünfzehn Minuten zurück und für den einen oder anderen ist das leider schon zu spät. Einige verabschieden sich bei mir den Worten: „Meine letzte Bahn fährt…“ Sehr schade und so ist es eine Viertelstunde nach Mitternacht überschaubar voll im Turock geworden, als mein persönliches Highlight Hexenbrett, welche die in Retro-Horrorfilm Atmosphäre dekorierte Bühne betritt. Meine erste und zugleich letzte Show des Quartetts auf dem diesjährigen Hell Over Hammaburg ist erst einige Wochen her und umso mehr freue ich mich, heute etwas bessere Sicht zu haben. Auch wenn die Atmosphäre in dem ‚Marx‘, dem kleinen Hallenbruder in der Hamburger Markthalle, schon eine ganz besondere mit dieser Band war. Nach einem stimmungsvollen Intro geht es mit „Sadist“ gleich mal gut los. Die maskierten Jungs wirken wie aus einem alten Argento Film. Um diese Stimmung besser zu halten, verzichten die Jungs heute auch auf Ansagen und so geht es nach „Spalovac Mrtvol“ und einer kurzen Verschnaufpause in Form eines Telefonates mit dem nächsten Kracher weiter. „Hexen (Bis Aufs Blut Gequält)“ schafft auch wieder diesen unglaublich geilen Spagat zwischen Heavy und Black Metal, für den ich die Jungs echt liebe, auch wenn ich mich anfangs echt schwer mit der Band getan habe. Weiter geht es mit „Farben Der Nacht“, über „Toter Schrei“ bis hin zu dem nächsten Telefonklingeln. Dieser Ton läutet dann auch leider schon das finale „Le Requiem Des Vampires“ ein und viel zu schnell ist der Headliner auch schon am Ende angelangt. Rund eine Dreiviertelstunde ohne Zugabe, aber jeder, der bis zum Ende geblieben ist, hat einen sehr intensiven und kraftvollen letzten Act in Form von Hexenbrett abgefeiert. Diese Band ist einfach einzigartig und hat zu Recht den letzten Slot des Tages verdient. Damit geht dann auch das erste Dying Victims Attack zu Ende und wie bereits von Labelboss Flo verkündet wurde, können wir uns bereits jetzt schon aufs kommende Jahr freuen, zur zweiten Auflage dieses grandiosen Festivals. Danke an dieser Stelle an alle Beteiligten und besonders an Flo und seine Crew für ein rundum gelungenes Festivaldebüt. See you next year!!! (Tino Sternagel-Petersen).
Autoren: Tino Sternagel-Petersen, Matze Fittkau, Janosch Besen, Joxe Schaefer
Pics: Joxe Schaefer