URIAH HEEP, APRIL WINE, HEAVY PETTIN
Bochum, Ruhrcongress, 01.11.2025
Spuren davon, ob der allgemeinen Gruseligkeit an Halloween und am Tag davor genüge getan wurde, weil hier in diesen Hallen eine deutsche Kürbislogoband mit ähnlicher Schreibweise zwei Tage gastieren durfte, konnten wir hier und heute nicht mehr erkennen. Auf jeden Fall haben wir heute keinen zu niedrigen Altersdurchschnitt und es wird nicht zu dicht gestanden, als Heavy Pettin beginnen. Die Schotten aus der Zeit der NWoBHM starten gleich mit dem Titelstück ihres neuen und vierten Albums „Rock Generation“ und schmeißen den Klassiker „In And Out Of Love“ nach, während sich die Halle noch füllt. Shouter Steve bellt die Vocals wie Saxon-Biff, was in „Rock Ain’t Dead“ bei seinem Posing mit dem Mikrofonständer besonders auffällig wird. Ebenfalls von der neuen Scheibe kommt der Midtempostampfer „Faith Healer“, welches kein Alex Harvey Cover ist. Und auf einmal ist schon Schluss. Zuletzt gesehen haben wir diese Truppe 2020 in Newcastle, als Headliner auf dem letzten Brofest. Damals rockten die Recken über eine Stunde. Aber die heutigen achtundzwanzig Minuten waren einfach zu wenig. Bestimmt nicht zu wenige Euros werden am Merchandise für alle Shirts aufgerufen, die für vierzig Euro die Besitzer wechseln konnten. Immerhin waren die Vinyls der neuen Heavy Pettin signiert und mit fünfundzwanzig Euronen ausgezeichnet.
Keine Ahnung, wer heute den virtuellen Preis für das riesigste Backdrop bekommt, aber die Halle wird von ihrer Größe her alle komplett sichtbar zeigen können und die Kanadier von April Wine halten mit ihrem Logotüchlein schon mal gut mit. Wie erwartet wird mit „I Like To Rock“ eingestiegen und wir werden Zeuge von vielen Gitarrenduellen. Vor zwei Jahren verstarb leider ihr Mainman, Mitgründer und Sänger. Der neue, Sänger und Gitarrist Marc, macht einen anständigen Job, auch wenn er natürlich nicht ganz die Magie eines Myles Goodwyn verbreiten kann. Bei genialen Songs wie unserem Favetrack „All Over Town“ egalisiert sich das schnell. Auch die Menge schaut gebannt, kaum jemand zappelt mit. Zum Klassiker „Big City Girls“ kommt schon etwas mehr Bewegung auf, der Song kann halt richtig was und sollte definitiv häufiger in DJ-Playlists auftauchen. Nach „Enough Is Enough“ und „Just Between You And Me“ kommen wir noch einmal zu ihrem wahrscheinlich wichtigsten Album „Nature Of The Beast“. Das 1981er Werk wird heute am stärksten berücksichtigt, denn es folgt das Cover „Sign Of The Gypsy Queen“, im Original von Lorence Hud, der unter Freunden von Songwritern bekannter sein dürfte als bei Altrockern. Das Teil könnte ihr größter Hit sein, darf also nicht fehlen und wird mit kleinen Improvisationen dargebracht. Nach „Roller“ ernten die Nordamerikaner deutlich mehr Applaus für ihren Auftritt, als man Bewegung in der Menge feststellen konnte. Super Gig, der wenigstens einundfünfzig Minuten dauern durfte.
Für nicht wenige Fans zählt der heutige Headliner für eine der größten Bands der Siebziger. Die seit 1969 nahezu durchgehend aktive Fünfer wuchs zur Zeit von Black Sabbath und Led Zeppelin zur Größe, und hat wie Ufo mehr Hits als Deep Purple und einen bekannteren Gitarristen als Nazareth. Einige Besetzungswechsel konnten der musikalischen Spur über die Jahre kaum etwas anhaben, und Sänger Bernie Shaw ist nun auch schon vierzig Jahre dabei. Also erwarten wir heute eine kompakte Zusammenfassung von altem und neuem Material, die mit den Openern ihrer beiden jüngsten Studioalben beginnt. Bei der Ur-Größe Uriah Heep waren wir zuletzt in der Lichtburg in Essen zum nachgeholten 50. Jubiläum, und dann haben wir sie noch vor Judas Priest und Saxon live gesehen. Die Haudegen sind im Moment richtig cool und gut im Saft, davon zeugt auch ihr aktuelles Album „Chaos And Colour“. Davon schaffte es das zügige „Hurricane“ in die Setlist, gleich nach dem 73er Stampfer „Stealin‘“, der etwas langsamer gebracht wurde. Zu „The Wizard“ erscheint Gitarrist Mick Box mit akustischer Klampfe und wird von Bernie dafür gelobt, das Schiff vor 55 Jahren mit gebaut zu haben. Der Frontmann bindet gerne etwas Deutsch in seine Ansagen mit ein, wofür er Applaus bekommt. Jetzt würde er auch noch „Temple Of The King“ hören wollen, meint der Typ vor uns wohl eher scherzhaft. Mick fragt nach Partylaune und sagt den Fetensong „Sweet Lorraine“ selbst an, einer von zwei Songs des tourtitelgebenden Albums „The Magician’s Birthday“ aus 1972. Im Albumtitelgebenden bringt Mick sein Solo nur in Begleitung mit Drummer Russel. Eben dieser Titeltrack eröffnet einen Hammer Epikblock, in dem noch ein leicht gekürztes „Gypsy“ und ein unbedingtes „July Morning“ Berücksichtigung finden. Da kommt natürlich einiges an Stimmung auf und es ist eine Freude, Keyboarder Phil Lanzon mit seinen eingebauten Gesten spielen zu sehen, eben auch ein echter Haudegen mit Ausstrahlung. Danach bringt „Easy Livin“ wieder richtig Schwung in die Hütte und beendet den regulären Set. Auf Platte oder Playlist einer ultimativen „Best of“ stellt das famose „Sunrise“ einen grandiosen Opener, hier funktioniert er als erste Zugabe. Viele große Hits fehlen nun nicht mehr, darum ist das letzte Stück „Lady In Black“ leicht zu erraten, das ein achtundachtzigminütiges Ereignis beendet, welches aus einem eher klatschenden als die Horns zeigendem Publikum bestand. Leider wurde bei der Zusammenstellung der Setlist die Achtzigerphase ausgeklammert, dass man Krachersongs wie „On The Rebound“ oder „Rich Kid“ nicht erwarten musste. Aber vielleicht reicht es nächstes Mal wieder für ein „Rainbow Demon“, „Circle Of Hands“, „Look At Yourself“ oder „Return To Fantasy“.
Autor: Joxe Schaefer
Pics: Stefan Knoepker

