Rock Hard Festival

Gelsenkirchen, Amphitheater, 18.05.-20.05.2018


Es ist Pfingsten. Und da ist es Pflicht, nach Gelsenkirchen zu reisen, um eins der schönsten und familiärsten Festivals zu besuchen! Zum diesjährigen Auftakt gibt es eine ordentliche Dosis Death Metal, statt wie die Jahre zuvor, in denen mit vielversprechendem Thrash begonnen wurde. Die Osnabrücker Dawn Of Disease bringen mit ihrem klassischen, teils leicht melodischen Death Metal die ersten Festivalbesucher in Wallung. Das Rad wird hier natürlich nicht neu erfunden, aber die sympathische Truppe bietet eine souveräne Show, die sicherlich nicht nur jedem Todesmetaller zugesagt hat. Ein gelungener Festival-Einstieg! (Felix Schallenkamp).


In diesem Jahr bricht man ein wenig mit alten Traditionen, so dass die erste Band des Festivals mal keine Thrashband aus dem Ruhrpott war. Dafür kommen nun mit Attic die ersten richtigen Lokalmatadore bei strahlend blauem Himmel mit wenigen weißen Wolken, so wie es sich für eine (großteils) Gelsenkirchener Band gehört, auf die Bühne. An den schwarzen Bühnenoutfits gibt es auch vollkommen überraschend keine gelben Applikationen, dafür ist die komplette Show mit Weihrauch, Kirchenbänken und Altar aufgebaut. Das Titelstück des starken, gerade mal ein Jahr alten Album „Sanctimonious“, das als bestes King Diamond Album seit „The Eye“ angekündigt wird, sieht sich heute vom Tontechniker ein wenig heftiger verpackt als man es von Attic gewohnt ist. Die kleine Thrash-Schlagseite steht ihnen überraschend gut, zumal Frontmann Mario bestens bei Stimme ist und auch mit seinen hohen Schreien über den breiten Gitarren und fetten Drums thront. So kann es gern weiter gehen, was es mit „Join The Coven“ vom Debütalbum an Position vier und „The Hound Of Heaven“ an fünfter Stelle denn auch im flotten Tempo tut. Nachdem Katte und Rob die Shredder in sich rauslassen durften, darf nun Meister Cagliostro bei Ballade „Dark Hosanna“ ganz im Vordergrund stehen und trägt das Stück fast allein mit seiner Stimme in die begeisterte Menge. Für ein Sommerfestival reicht ein langsames Stück dann aber auch und das Tempo wird mit „Funeral In The Woods“ wieder angezogen. Zum (viel zu frühen) Abschluss kommt traditionell der „Headless Horseman“ daher geritten, bevor die Band ihre verdienten Feierabendbiere trinken darf. Attic sind heute ein gutes Stück erwachsener geworden. Es schaffen nicht viele Bands, eine vom Ansatz eher düstere Bühnenshow so erfrischend und schnörkellos auf einer Festivalbühne bei bestem Sommerwetter rüber zu bringen, wie die fünf Jungs heute. (Jens Wäling).


Die Newcomer starten ihren Auftritt energiegeladen und bereits dem ersten Song spendet das Publikum mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Mit dem großartigen Band-Hit “Golden Serpents” ziehen die Niederländer anschließend weitere Zuhörer vor die Bühne. Der manchmal eigenwillige Sound der Band pendelt zwischen düsteren, repetitiven und eingängigen Passagen. Das ist hin und wieder fast poppig, macht Dool zusammen mit dem angenehmen Gesang von Rampensau Ryanne van Dorst aber auch in Gelsenkirchen unverkennbar. Einige Gitarrenmelodien erinnern an die 2013 aufgelösten Landsmänner The Devils Blood, deren Drummer und Bassist mittlerweile bei Dool spielen. Nach ein paar Längen lässt gegen Ende des dennoch sehenswerten Auftritts das Stück “In Her Darkest Hour” mit toller Hook aufhorchen. Das nicht weniger düstere “Vantablack”, Opener des 2017 erschienenen Debüts “Here Now, There Then”, würde sich mit ruhigen Zwischenparts und herrlich klagendem Refrain locker auch für eine schwarze Messe eignen. Mit ihrem kraftvollen Auftritt hier in Gelsenkirchen haben sie sich auf jeden Fall noch einige neue Fans erspielt. Guter Einstand! (Florian Forth).


Zu der nächsten Band muss man wohl nicht mehr viel erzählen. Das dachten sich auch die Veranstalter und kündigten die Briten von Diamond Head mit dem Spruch des Festivals, in Anspielung auf deren Überhit an: „Metallica können wir uns nicht leisten, aber das Original“- was für einige breit grinsende Gesichter sorgte. Mit „Play It Loud“ macht das Quintett von Beginn an klar, wo die Reise für die nächsten sechzig Minuten hin geht. Diamond Head haben mich nie wirklich in ihren Bann gezogen, dennoch lasse ich mir diese Show nicht entgehen. Mit leichten technischen Anlaufschwierigkeiten geben die Jungs richtig Gas und zocken sich mit einer tollen Setlist durch den frühen Abend. Der Schwerpunkt liegt dabei mit Songs wie „Borrowed Times“, „In The Heat Of The Night“,  „Shoot Out The Light“ oder auch „The Prince“ auf den glorreichen Tagen der Band in den 80ern. Shouter Rasmus Bom Andersen fühlt sich sichtlich wohl und die Menge frisst ihm aus der Hand. Klar auch, womit die Show dann ausgeläutet wird. Wohl jeder im Amphitheater schmettert dann „Am I Evil?“ aus tiefster Inbrunst mit. Klasse Auftritt der Fünf mit ordentlich Power im Arsch, der zeigt, dass Diamond Head auch nach über 40 Jahren nicht zum alten Eisen gehören. Grund genug, dass ich mich doch noch einmal mit dieser Band beschäftigen werde – Danke Jungs. (Tino Sternagel-Petersen).


Als großem Fan der alten Tiamat-Alben ist meine Vorfreude auf den anstehenden „Clouds“ & „Wildhoney“ Set von Hoffen und Bangen geprägt. Würden die Schweden noch in der Lage sein, den alten Stoff authentisch rüber zu bringen, oder geht das voll in die Hose? Meine Zweifel verfliegen in wenigen Sekunden! Als das Intro von „In A Dream“ ertönt und die ersten Gitarrenriffs losdröhnen, bekomme ich eine Gänsehaut, die mich in den folgenden 75 Minuten noch des Öfteren heimsuchen sollte. Johan Edlund trägt ein „Master Of Puppets“-Shirt, versprüht aber einen ganz eigenen, morbiden Charme und kommt echt finster rüber, besonders wenn er seine Augen verdreht und aussieht wie ein Gespenst! Stimmlich ist er in sehr guter Form, der Sound ist richtig fett und macht enorm Druck. Die Setlist haben sich Tiamat ziemlich leicht gemacht: Erst wird das „Clouds“-Album komplett durchgespielt, danach folgen noch die Highlights von „Wildhoney“, abgeschlossen von der Göttergabe „Gaia“. Schön, dass ich das erleben durfte! Jetzt fehlt nur noch ein neues Album im alten Stil – Paradise Lost haben’s vorgemacht! (Felix Schallenkamp).


Der Zeitplan im Amphitheater ist immer aus gutem Grunde straff durchgetaktet, da um 23:00 Uhr Schluss sein muss. So entern fast pünktlich die Headliner und Lokalmatadore Sodom gegen halb zehn die Bühne. Neu ist dabei, dass aus dem gewohnten Trio ein Quartett geworden ist. Seit kurzem hat Gründungsmitglied Tom Angelripper sich mit Yorck Segatz, dem Heimkehrer Frank Blackfire und dem sympathischen Arbeitstier Husky an der Schießbude eine komplett neue Band gebastelt. Schon total ungewohnt dieser Anblick und irgendwie hallen die ersten Töne vom Opener „My Atonement“ doch recht leise durch die Reihen. Klassiker wie „Sodomy And Lust“, „Outbreak Of Evil“ und „The Saw Is The Law“ dürfen natürlich am heutigen Abend nicht fehlen und werden auch dankbar von der immer noch hungrigen Menge im Amphitheater aufgenommen. Überraschend dann einen doch schon länger live nicht mehr gespielten Song auf die Ohren zu bekommen: „Nuclear Winter“, den wir wohl Blackfire zu verdanken haben. „Blasphemer“, „Agent Orange“ und „Tired And Red“ klingen mit zwei Gitarren fast schon überladen. Zwischendrin stellt Tom seine neuen Mitstreiter vor, besonders durch Drummer Husky, zumindest den „Husky-Rufen“ nach, wohl ein erfolgreicher Neustart der Band. Interessanter Zwischenstop: „Life Line“ der britischen Sacrilege. An eigenen Hits hapert es ja nun nicht. Das zeigt das Quartett eindrucksvoll beim Ausklang der Setlist mit Krachern wie „Remember The Fallen“, „Ausgebombt“ und dem umjubelten „Bombenhagel“. Unterm Strich ein solider Auftritt, dem etwas Dampf und Routine fehlt – trotzdem top! (Tino Sternagel-Petersen).


Tag 2, Samstag, 19.05.2018: Traitor, Nocturnal Rites, The New Roses, Leatherwolf, Cirith Ungol, Marduk, Axel Rudi Pell, Overkill.

Traitor, was ist denn das für ein bescheuerter Name?“ – mit dem Intro haben die Samstagsstarter die ersten Lacher und Sympathien des leicht verkaterten Publikums auf ihrer Seite. Dann wird in typischer New Wave Of Thrash Metal Manier bei tollem Wetter losgeholzt. Für kurze Zeit herrscht allgemeine Verwirrung, vier unbenutzte Mikros stehen auf der Bühne. Einen singenden Schlagzeuger sieht man eben auch nicht alle Tage. Ohne Frage kommt Traitors energetische, sauber gespielte Musik gut bei den vielen jungen Thrashfans vor der Bühne und den bereits prall gefüllten Rängen an und sorgt für einige Bewegung. Leider hatten die vier Baden-Württemberger mit Soundproblemen zu kämpfen. Dünne Gitarren und eine kaum vorhandene Snare sind doch eher uncharakteristisch für die erste Band des Tages auf dem Rock Hard Festival. Dies und der eher variantenarme Thrash der in Balingen gegründeten Truppe lässt bei mir dann doch wieder die Müdigkeit zurückkehren. Für den Start in den Tag ein solider Auftritt, nicht mehr und nicht weniger. (Dominik Herr).


Bis die Welle des Power Metals abebbte, waren Nocturnal Rites hinter den Größen wie Stratovarius dick dabei. Zuletzt vor gut fünfzehn Jahren auf dem 35.000 Tons Of Metal Festival live gesehen, einer Fähre zwischen Stockholm und Turku, floss seit dem viel Wasser durch die Ostsee. Nach einer zehnjährigen Pause sind die Schweden heute auf dem Rock Hard Festival zu Gast, beginnen mit einem Synthieintro und stützen sich im weiteren Verlauf auf aus dem Off kommenden Tasten, wie noch einigen Einspielern mehr. Nach anfänglichen Unstimmigkeiten in der Abmischung setzt sich der Groove in ihrem Sound durch. Sie halten sich mit ihren Doublebass Dampfhammer-Nummern zurück und verzichten auf “One Nation”, “The Vision” oder den Bandhit “Ride On”, welche sie bekannt gemacht haben. Allerdings gehen die Fußtrommeln im Gemisch eher unter. Dafür bringt der Fünfer lieber neue Songs wie „A Heart As Black As Coal” vom aktuellen “Phoenix” Album, „Never Trust (A Stranger)”, das als “Never Trust (A Bassplayer)” angesagt wird und “Shadowland“. Letzteres mit einer kurzen Jodeleinlage durch ihrem zu Späßen aufgelegten Shouter Jonny versehen, die bei der Audienz Fragezeichen in den Gesichtern hinterlässt, aber derzeit häufiger erlebt werden konnte wie beispielsweise jüngst bei Rexoria. Hoffentlich bleibt es dabei und wird nicht zum Trend. Gitarrist Per fällt mit seinem Bart ebenso aus dem Rahmen wie mit seiner headless Custom. Das Publikum vor der Bühne kommt drauf klar und spendet nach den fünfundvierzig Minuten fast soviel Beifall wie zuvor bei Traitor. (Joxe Schaefer).


Dass die Jungs von The New Roses mittlerweile versierte Livemusiker sind, brauchen sie niemandem mehr zu beweisen. Und so wird auch am Samstag in Gelsenkirchen ein souveränes Programm abgeliefert. Überwiegend Songs von der zweiten Scheibe der Wiesbadener “One More For The Road” werden zum Besten gegeben. Für das klassische Rock Hard Publikum vielleicht etwas zu Boogie Woogie,  aber zu keiner Sekunde albern oder abgeschmackt sind die Bandmitglieder aus voller Überzeugung bei der Sache. Bei dem Gassenhauer “Life Ain`t Easy” wird fleißig mitgewippt und gesungen und beim abschließenden “Thirsty” kann sich der ein oder andere ganz gut wiedererkennen und schwenkt glücklich sein Bier in der Luft. (Ines Melman).


Entgegen der Voraussagen erfreuen wir uns hier auf dem Rock Hard Festival an Sonnenschein statt Regen, was für die Kalifornier der nächsten Band gewohnte Verhältnisse sein sollten. Leatherwolf steigen gleich mit „Spiter“ ins Programm ein, dem Opener ihrer ersten Scheibe. Ihre ersten drei Longplayer sind Pflicht für Metaller der Achtziger und aus ihnen wird die Setlist diktiert. Der Fünfer mit drei Gitarren, die noch immer imposante Erscheinung von Shouter Michael Olivieri zockt zwischendurch ebenfalls, bedient die Menge mit bewährtem Zeugs, neues Material gibt es nicht. Darunter auch „Spirits In The Wind“ und das akustisch beginnende „Hideaway“. Natürlich dürfen die Kracher “The Calling” und “Wicked Ways“ nicht fehlen, ein Doppelschlag zum Finale. Die alten Fans sprechen begeistert über diesen Auftritt, für die anderen Besucher war das Quintett Neuland. Es gibt jedoch nur zufriedene Gesichter und keine Abwanderungstendenzen. Die unter dem Bühnenzeltdach nistenden Vögel bleiben auch, schließlich haben sie am Vortag schon Sodom überlebt. (Joxe Schaefer).


Nach einer ganzen Weile präsentiert das Rock Hard Festival wieder eine Band, die sich zurecht ‚Legende‘ nennen darf und die eher selten in unseren Breiten zu sehen ist. Bei dem riesigen Backdrop mit den zwei betenden Skeletten kann es sich hierbei nur um Cirith Ungol handeln. Mit „Atom Smasher“ vom „King Of The Dead“ Album legt die um Armand von Night Demon an der zweiten Gitarre verstärkte Truppe los. Leider gibt es beim ersten Song ein paar Soundprobleme mit dem Gesang, so dass Tim Barkers markante Stimme kaum zu hören ist. Die Gitarre von Jim Barraza und die Drums von Robert Graven sind dafür um so mächtiger. Den Bass bedient Jarvis Leatherby, der wie sein Gitarrist an diesem Festival auch eine Doppelschicht schiebt. Bei „Join The Legion“ ist die unverwechselbare Stimme komplett zu hören, der Refrain wird vom Amphitheater lauthals mitgesungen. Für den Fall, dass es jemand noch nicht mitbekommen hat, stellt Tim die Band vor: „We are Cirith Ungol and we are here to bring you „Blood And Iron“!“. Nach dem Opener vom „One Foot In Hell“ Album geht es mit „I‘m Alive“ weiter. Hier wird der Refrain von einem vierstimmigen Chor der Band getragen, die insgesamt sehr viel eingespielter wirkt als noch auf dem 2017er Keep It True Festival. Zu diesem Stück gibt es auch die ersten Crowdsurfer der Show, ehe diesen mit dem eher doomigen „Black Machine“ erst einmal die Grundlage entzogen wird. Mit „Frost And Fire“ folgt das wohl bekannteste Stück der Band, das Tempo zieht wieder an, Fäuste recken sich in den Gelsenkirchener Sommerhimmel. Eigentlich sollte die Bandhymne das Set beenden, aber da man noch einiges an Spielzeit übrig hatte, wurde nach Cirith Ungol spontan „Chaos Descends“ eingebaut und man coverte „Fire“, was in diversen Jams über „Master Of The Pit“ in „King Of The Dead“ überging. Die Menge ist begeistert, ein rundum gelungener Auftritt der kauzigen Altmeister. (Jens Wäling).


Nun geht es um einiges ruppiger zur Sache. Black Metal bei Sonnenschein ist ja für mich immer so eine Sache. Zumal mich die Schweden von Marduk die letzten Male nicht wirklich überzeugten, so habe ich auch heute keine besonders hohen Erwartungen. Die Umbaupause durch läuft schon die ganze Zeit ein fast halbstündiges Intro, dass die Fans auf die musikalische Dunkelheit vorbereiten soll. Das klappt auch ganz gut, wie man beim Opener „Panzer Division Marduk“ am bangenden Publikum sehen kann. So richtig überzeugen mich die putzigen Pandabären noch nicht, auch wenn man mit „Baptism By Fire“ gleich den zweiten Kracher von meinem Lieblingsalbum auspackt. Da es doch mit einigen mir unbekannten Songs im Programm weitergeht, ist die Setlist wohl mit vielen neueren Tracks gespickt. Meine letzte Marduk Veröffentlichung liegt mittlerweile auch schon wieder einige Jahre zurück. Seit der charismatische Fronter Legion und Bandkollege B. War die Band verlassen haben, ist sie für mich doch recht uninteressant geworden. Trotzdem machen Rampensau Mortuus und seine Mannen einen guten Job und verbreiten trotz des Sonnenscheins eine bösartige Atmosphäre. So muss ich sagen, dass es doch ein starker Auftritt war, auch wenn es genremäßig an diesem Wochenende keinen Vergleich gibt. (Tino Sternagel-Petersen).


Nicht zum ersten Mal steht der Fünfer von Axel Rudi Pell auf dem Billing des Rock Hard Festivals. Macht auch Sinn, denn obwohl er kontinuierlich acht-Punkte-Alben abliefert, kommt das neueste Geradeauserlebnis “Knights Call” wieder abfeierungskonformer aus dem Gemäuer. Dem entsprechend ist die Mannschaft inklusive Axel himself bestens bei Laune, hat voll Bock und ballert sofort die neuen Tracks “The Wild And The Young” und “Wildest Dreams“ ins Halbrund, in denen Ferdi sein Keyboard kippt und Axel allen die Pommesgabel zeigt. Daher funktionieren die Mitsingspiele in „Long Live Rock“ gleich nochmal so gut. Drummer Bobby, der bereits das “Difficult To Cure” Album von Rainbow eintrommelte, wurde schon 1981 mit Axels Vorbild Ritchie Blackmore in einem Atemzug genannt, auch Neu-Sodomist Husky steht auf sein Drumming. Dass jeder des Fünfers derbe was drauf hat, müsste man bei bemessener Festivalspielzeit mit ellenlangen Soli in „Mystica“ nicht mehr ausführen und statt dem gemächlicheren “Tower Of Babylon“ hätte man auch gerne mal wieder mehr Kracher aus der “Oceans Of Time” und “The Masquerade Ball” Phase rausholen können. Seinen Pokal für den besten Sänger des Festivals muss Johnny sich allerdings diesmal teilen, denn Rasmus von Diamond Head war auch noch mit beeindruckender Leistung am Start und es werden noch ein Biff von Saxon und Mister John Bush von Armored Saint auf diesen Brettern stehen. (Joxe Schaefer).


21:30 Uhr. Pünktlich entern Overkill die Bühne – nach reichlich Aufschrei in den Jahren zuvor nun endlich Headliner. Die Thrash-Giganten von der East Coast wurden bereits 2015 als nicht ganz so heimlicher Headliner gefeiert und bekommen jetzt endlich ihren verdienten Auftritt in der Dunkelheit. Wie auf der „Feel The Fire & Horrorscope“ – Tour legen die Publikumslieblinge mit „Coma“ los. Ein eher ungewöhnlicher Opener für Overkill, die bei ihren letzten RHF Auftritten mit deutlich mehr Speed loslegten. Der Start ist jedoch nicht weiter überraschend, wie die am Festival-Freitag erschienene DVD „Live In Overhausen“ zeigt. Aufgrund der durch die Gelsenkirchener Curfew begrenzten Spielzeit wird die Setlist angepasst und sich nur durch die ersten vier Songs des „Horrorscope“ Albums geprügelt. Dieser Block endet mit Blitz‘ charakteristischer Begrüßung und dem ersten Highlight „Thanx For Nothing“. Daraufhin wird bei extrem druckvollem Sound „Raise The Dead“ angestimmt und die bestens eingespielte Band lässt kaum einen Kopf stillhalten. Auch den Schreiber dieser Zeilen hält es nicht mehr auf den Rängen, um „Rotten To The Core“ mitzubrüllen. Was Overkill hier an Klassikern abfeuern, ist kaum zu überbieten. Mit unbändiger Energie feuern die doch schon etwas betagten Herren „There’s No Tomorrow“, „Feel The Fire“ und „Hammerhead“ in die Menge, Crowdsurfer und Haare fliegen. Nach „Overkill“ folgt mit „In Union We Stand“ der Zugabenblock, und wie gewohnt singt das ganze Amphitheater mit. Auch „Elimination“ darf auf dem Rock Hard Festival natürlich nicht fehlen und mit dem wie immer gefeierten „Fuck You!“ und „Second Son“ beschließen die Kalifornier einen bockstarken Auftritt. Die immer extrem gute Band hat zu vergangenen RHF Auftritten noch eine Schippe draufgelegt und beweist, dass sie den Headliner Spot mehr als verdient haben. Einziger Wermutstropfen ist, dass Overkill die Bühne bereits zehn Minuten vor offiziellem Ende verlassen und ein etwas verdutztes, aber erschöpftes und glückliches Publikum zurücklassen. Ich glaube, dass ich für viele spreche, wenn ich sage, dass der nächste Overkill Auftritt auf diesem Festival kaum schnell genug kommen kann. (Dominik Herr).


Tag 3, Sonntag, 20.05.2018: Thundermother, Memoriam, Night Demon, Uli Jon Roth, Coroner, Backyard Babies, Armored Saint, Saxon.

Undankbarer geht es kaum: Thundermother haben die wenig beneidenswerte Aufgabe, das Publikum am Sonntagmittag um zwölf auf den letzten Konzerttag einzustimmen. Der gute Ruf der vier Ladies aus dem fast schon legendären Växjö in Schweden lockt bereits hunderte Zuschauer vor die Bühne. Dass es der erste Festival-Gig der im vergangenen Jahr heftig umgestrickten Band ist, die außerdem nach eigenen Angaben nur wenige Stunden Schlaf hatte, merkt man dann aber doch. Während das Stageacting besonders anfangs etwas hölzern wirkt, sitzt der bluesige Gesang der neuen Sängerin Guernica Mancini von Anfang an. Der Stampfer “Revival” schüttelt einem die Müdigkeit aus den Knochen. Auch Gitarristin Filippa Nässil, einzig verbliebenes Gründungsmitglied, gibt anschließend mächtig Gas. Die hat offenbar einen Abschluss von der Angus Young School of Rock, wo man neben den passenden Grimassen auch die AC/DC-Gedächtnisriffs eingebläut bekommt. Wer nach dem Doppel “Just A Treat” und “Shoot To Kill” noch nicht wach ist, dem hilft wohl auch kein doppelter Espresso mehr auf die Beine. Der arschcoole Ausflug der Gitarristin ins Publikum ist purer Rock ‘n’ Roll und sorgt für reichlich Applaus. Für so wenig Schlaf ein mehr als ordentlicher Auftritt. (Florian Forth).


Es ist Sonntag Mittag, es ist Zeit für Death Metal und es ist Zeit, alte Bekannte wieder zu treffen. Die Rede ist hier von den Herren Healy, Whale, Fairfax und Willetts, die den meisten besser unter den Benediction und Bolt Thrower Bannern bekannt sein dürften und hier als Memoriam fungieren. Diese Fahrgemeinschaft aus Birmingham, das Herr Willetts als Geburtsort des Metals bezeichnet, hat nun also den Weg nach Gelsenkirchen gefunden und prügelt die Leute am letzten Festivaltag mit doomigem, groovigen Death Metal langsam aus dem Schlaf. Erst mit „Resistance“ vom 2017er Debütalbum „For The Fallen“ wird es ein wenig flotter und die Leute gehen langsam mehr mit. Die ersten Moshpits des Tages lassen allerdings noch auf sich warten. Zeremonienmeister Willetts ist ob der frühen Stunde sichtlich erfreut, da er so mehr vom Tag hat, um mit den Leuten noch das eine oder andere Bier zu trinken. Auch im 30. Karrierejahr lebt er noch den Underground. „Nothing Remains“ vom aktuellen „The Silent Vigil“ Album widmet er seiner Mutter, da es bei dem Song um Demenz geht. Typisch Britischer Humor eben. Der doomige Breitwand-Sound, der bei dieser Instrumentalfraktion ohnehin nur funktionieren kann, ist heute früh ein eher langsamer Wecker. Man bangt mit, reckt die Fäuste in den Himmel und genießt diese Legenden des britischen Death Metals. (Jens Wäling).


Tja, irgendwie ist das gerade wie in dem 93er Kinostreifen „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Das bereits dritte Mal in einer Woche stehe ich vor der Bühne und warte auf eine meiner Favebands – Night Demon. Nach dem gewohnten Intro ballern Jarvis und Co auch gleich mal mächtig mit „Welcome To The Night“ los. Mein Lieblingstrack „Hallowed Ground“ des aktuellen Albums „Darkness Remains“ pustet dann denen, die immer noch skeptisch sind, eine neue Frisur. Wow – echt mächtig was das Trio aus Ventura, California hier vom Leder zieht. Bis jetzt die energiegelandenste Show der vergangenen Woche. „Cursed Of The Damned“ mit seinem treibenden Anfang lässt dann wohl auch die letzten Zweifler verstummen und Jarvis feuert die Reihen vor ihm an, als gäbe es kein Morgen. „Heavy Metal Heat“, „Dawn Rider“ und das druckvolle „Screams In The Night“ beweisen eindrucksvoll, warum Night Demon auf einer unglaublichen Erfolgswelle schwimmen. Kaum eine andere Band spielt momentan so glaubhaft klassischen Heavy Metal und ist dabei noch so Fan-nah und sympathisch. Dass die Amis aber auch ruhig Herzen gewinnen können, beweisen sie mit Songs wie „Save Me Now“ oder auch der dunklen Ballade „Darkness Remains“. Gänsehaut pur und das bei 26°C im Schatten. Bei „Chalice“ kommt der obligatorische Tod im Gewand mit einem Kelch auf die Bühne und untermalt den Song optisch. Im Handumdrehen ist dann irgendwie auch schon die dreiviertel Stunde um und mit „Night Demon“ ist auch das Ende des Sets erreicht. Wirklich Hammer was die Jungs hier wieder abgeliefert haben und wie routiniert das Trio mittlerweile agiert. Da ist es einfach nur eine Freude, zuzusehen und abzufeiern. (Tino Sternagel-Petersen).


Spielt Mister Uli Jon Roth mit seinen Mitstreitern das Scorpions-Set, wo er in den Siebzigern neben Rudolph Schenker und Klaus Meine Hauptsongwriter war, kann man immer wieder in Erinnerungen schwelgen. Selbst nach der Wahnsinns-Action von Night Demon zuvor, zündet “All Night Long” sofort, das die Scorpions damals nur auf dem must-have-Livealbum “Tokyo Tapes” veröffentlichten. Gleich danach mein Kindheites-Fave “Sails Of Charon“, in dem Uli schon seine ersten Improvisationen bringt, und die Weichen sind noch vor der epischen Weltklasse-Eskalationsballade “We’ll Burn The Sky” und dem Rübenabschrauber “Catch Your Train“ in Richtung Daumen hoch gestellt. In seinen Soli wartet die Band samt Keyboarder und dem Sänger Niklas Turmann von Crystal Breed, der mit seiner Stimme nicht weit von Klaus Meine ist, komplett aufmerksam auf sein Zeichen. Uli macht zwar die Ansagen selbst, ist aber auf dem Boden geblieben, steht an unspektakulärer zweiter Position von links und zitiert bei “In Trance” die anderen beiden Gitarristen zum Solieren zu sich. In seiner kumpelhaften Art erklärt er zum 1968er „All Along The Watchtower“ und “Little Wing” anhand Dylan und Hendrix was richtig oldschool“ ist und die Funktion seiner mit Federn behangenen Sky Gitarre: “Das Ding stimmt sich von alleine, aber man muss auch die Batterie aufladen!” (Joxe Schaefer).


Dann endlich Coroner. Das Schweizer Trio, welches seit seiner Reunion 2010 leider noch kein neues Material veröffentlicht hat, betritt die Bühne mit einem Doppelpack von der “Grin” LP. Mein Favorit, damit haben sie ja quasi schon gewonnen. Die Band hat es jetzt nicht so sehr mit Stageacting, macht bei dem teilweise sehr komplexen Material aber auch nix. Es folgt ein feiner Mix aus allen Schaffensphasen der Band, wobei “Grin” und “Mental Vortex” leicht bevorteilt werden. Sänger und Bassist Ron Royce ist jetzt nicht so der Mann der großen Worte, dafür lässt Gitarrist Tommy Vetterli die allerfeinsten Soli vom Stapel. Drummer Diego Rapacchietti ackert wie ein Bekloppter und im Hintergrund gibt es noch einen Gastmusiker für Keyboards, Samples und Soundeffekte. Ich find’s hammergeil, auch wenn auf der Bühne wenig passiert – der Sound ist aber klasse und zum Finale gibt’s unter anderem “Reborn Through Hate” vom Debüt, welches meine Einstiegsdroge zu Coroner war. Die Band wird zurecht gefeiert – aber nu hätten wir gern mal neues Material, ne …?  (Bert Meierjürgen).


Um die Backyard Babies wurde es ja seit der Veröffentlichung der Live-DVD “Live At Cirkus” eher ruhig, um so gespannter wartet ein eher mäßig gefülltes Amphitheater am frühen Abend auf die Schweden. Was dann kommt, sorgt dafür, dass so einige Zuschauer den vorzeitigen Rücktritt antreten. Technische Probleme, schwammiger Sound und ein schlecht gelaunter Dregen, der sich mehr damit beschäftigt, Mikros durch die Gegend zu treten. Und auch der Rest der Band wirkt durchweg unmotiviert und genervt. Insgesamt eine gute Setlist, der in der Umsetzung leider aber alles an Elan und Esprit fehlt, mit welchem die Jungs früher zu begeistern wussten. Und so bleibt zum Schluss ein bitterer Nachgeschmack. Schade. (Ines Melman).


Armored Saint – glänzende Augen weit und breit, allein wenn der Name fällt – und die Jungs aus Kalifornien liefern. Als ob jemand dran gezweifelt hätte, rocken sich die Mannen um Übersänger John Bush durch ein Best-Of Set, das sich gewaschen hat und eröffnen natürlich mit dem Überhit “March Of The Saint”. Schwerpunkt sonst das “Symbol Of Salvation” Album, wo natürlich Hits wie “Last Train Home”, “Reign Of Fire” und das selten gespielte “Spineless” abgefeiert werden. Die bereits recht müde Meute im Amphitheater weiß die Spielfreude und sympathische Ausstrahlung der Band mehr als zu honorieren und somit steht nicht nur für mich fest – Armored Saint waren sicherlich mit Abstand die beste Band auf dem Rock Hard Festival. Jemand, der so eine kompakte Hitdichte ins Publikum feuert, kann einfach nichts falsch machen. Chapeau, da freuen wir uns doch direkt auf die Tour im Herbst. (Bert Meierjürgen). .


Zum wiederholten Mal wurde das britische Schlachtross Saxon als Sonntags-Headliner auserkoren. Das ist zwar nicht originell, aber definitiv die richtige Entscheidung! Saxon zeigen einmal mehr, dass sie eine der besten Livebands auf unserem Planeten sind! Mit der Ausstrahlung eines Biff Byford können sich nur wenige messen, und auch stimmlich ist der Gute voll auf der Höhe. Der Sound ist ebenfalls super und schön fett, und so werden zum Festival-Abschluss noch einmal alle Kräfte mobilisiert, um gepflegt zu einer guten Mischung aus aktuellerem Material wie dem eröffnenden Titeltrack des neuen Albums “Thunderbolt” und “Battering Ram”, sowie Klassikern wie “747 (Strangers In The Night)” und “Motorcycle Man” abzufeiern. Irgendwann holt Biff noch sein Smartphone aus der Tasche und bittet das Amphi, für das Geburtstagskind Klaus Meine von den Scorpions ein Ständchen zu singen: “Come on, It’s a good friend of mine!” und die Meute singt „Happy Birthday”. Witzige Aktion, die einmal mehr untermauert, dass der Saxon-Fronter zu den charismatischsten Typen gehört, die unsere Szene zu bieten hat. Ich hätte kein Problem damit, wenn Saxon jeden Pfingstsonntag im wunderschönen Amphitheater das Festival abschließen würden. Ich hoffe, sie bleiben uns noch eine ganze Weile erhalten! (Felix Schallenkamp).

Autoren: Felix Schallenkamp, Jens Wäling, Florian Forth, Tino Sternagel-Petersen, Dominik Herr, Joxe Schaefer, Ines Melman, Bert Meierjürgen.

Pics: Kate Mosh, Joxe Schaefer.