VISIGOTH, STRIKER, BOOZE CONTROL
Hamburg, Bambi Galore, 10.07.2018
Sommer in ganz Deutschland – die Sonne scheint und eine nicht unbeachtliche Menge an Metalheads pilgert mitten in der Woche in die Hamburger Top Location für Metalkonzerte. Das Bambi Galore im Südosten der Hansestadt öffnet ausnahmsweise mal während der Sommerpause ihre Tore. Für jeden Hamburger Metaller ist diese Location so etwas wie das zweite Wohnzimmer.
Wenn dazu noch Gestalten aus dem weit entfernten Ruhrpott oder dem nicht ganz so fernen Schwerin anreisen, muss etwas besonderes anstehen. So ist es auch, denn die amerikanischen Epic Metaller Visigoth sind nach einer Pause mal wieder in hiesige Gefilde eingefallen, um auch noch die letzten Ungläubigen in ihren Bann zu ziehen. Das machen sie aber nicht alleine, so haben sie sich die kanadischen Haudegen Striker, die auch auf bereits einige legendäre Auftritte im Bambi zurück blicken können, dazu geholt. Dieses so schon grandiose Package runden die ebenfalls in Hamburg gern gesehenen Braunschweiger Recken Booze Control ab.
Nachdem ein frisch auf dem Grill zubereitetes Nackensteak aus der zum Bambi gehörenden Palastküche mit wenigen Happen vertilgt ist, heißt es Freunde und Bekannte vor der Lokalität zu begrüßen, um das ein oder andere Fachgespräch zu führen. Den Pokal für die weiteste Anreise an diesem Dienstag geht wohl ohne Zweifel an den Trommler von Split Heaven Tommy Roitman, der gar aus Mexiko für diesen Gig angereist ist. Nein, ganz so schlimm ist es nicht, er ist eh gerade in Deutschland auf Urlaub, wie ich erfahre und hat einen der Veranstalter des legendären Swordbrothers Festivals im Schlepptau, oder andersrum.
Jetzt geht es zügig in das später noch ausverkaufte Kellergewölbe des Bambi Galore. Die Wärme von draußen hat sich hier unten ebenfalls niedergelassen und so herrschen bereits zum ersten Song von Booze Control „Gravelord“ ordentliche Temperaturen. „Thunder Child“, „Vile Temptress“ und die immer wieder starke Nummer „Strike The Earth“ vom 2013er “Heavy Metal” betitelten Rundlings, bei dem das Publikum zum Mitsingen aufgefordert wird, machen gut Laune. Das Quartett zockt sich tight durch seine Setlist und hat sichtlich Spaß in dem sich aufheizenden Backofen. Mit „Axemen“ und dem Titeltrack des, wie Shouter David mit einem Augenzwinkern verlauten lässt, irgendwann kommenden Albums „Forgotten Land“, gibt es schon mal zwei neue Songs um die Ohren gehauen – stark. Eine coole Ansage „…geil, dass ihr hier seid auf einem Dienstag Abend, habt ihr alle keine Arbeit?“ sorgt für einige Lacher. Als Abschluss gibt es das obligatorische Mitgrölstück „Booze Control“ und damit ist leider auch schon der erste Act des Abends durch und die Mitteldeutschen haben ihren Job als Anheizer, nicht nur wegen der immer weiter steigenden Temperaturen, blendend gemacht, auch wenn der Sound leider nicht immer Top ist.
Nach einer kurzen Verschnaufpause und Luftschnappen vor der Tür geht es auch schon weiter mit dem kanadischen Quintett Striker. Hamburg hat eine große Fangemeinde und es ist auch schon wieder einige Zeit her, dass die Fünf hier zugegen waren. Einige sind gar nur wegen des Co-Headliners heute hier. Los geht es mit den ersten drei Stücken vom aktuellen, selbstbetitelten Album. „Former Glory“, „Born To Lose“ und „Pass Me By“ zünden bei mir auch live leider überhaupt nicht. Der Sound ist auf einem guten Wege, auch der zu leise Gesang hat sich langsam gebessert. Die Location ist jetzt gut gefüllt und inzwischen sind locker gut 50 Grad erreicht. Trotzdem scheinen Kanadier ein anderes Temperaturempfinden zu haben, denn anders ist es nicht zu erklären, dass Sänger Dan und Basser William die komplette Show über eine Lederjacke tragen, während mir nur als Zuschauer mit Shirt zu warm ist. Aber irgendwie ist das heute egal und es geht weiter im Programm. Gerade schnellere Songs wie etwa „Full Speed“ kommen gut an und Striker fühlen sich sichtlich wohl auf der Bambi Bühne. Immer wieder wird das begeisterte Publikum mit einbezogen, etwa bei „Fight For Your Life“. Dennoch geht ihnen langsam die Luft aus, denn ein Blick auf die Setlist zeigt, dass ganze drei Songs, nämlich „Escape From Shred City“, „Second Attack“ und „Locked In“ einfach weggelassen werden. Schade, denn inzwischen sind Striker echt gut und als würden sie es merken, wird mein Lieblingssong angesagt: „Terrorizer“ bildet den Höhepunkt einer guten Show, die für mich erst zur zweiten Hälfte wirklich überzeugt. Nun aber erst einmal wieder schnell in den immer noch lauschigen Abend vor die Tür für einen Glimmstängel.
Nach einer weiteren kurzen Umbaupause steht nun also schon der Hauptact Visigoth auf der Bühne. Das Quintett aus Salt Lake City um Ausnahmesänger Jake Rogers stand zuletzt beim Hell Over Hammaburg in Hamburg auf der Bühne, leider nur in dortiger kleinen Halle, dem Marx. Dort waren sie schon absolut überzeugend, das soll heute nicht viel anders sein, außer dass Shouter Jake seine Stimme wieder hat. In der Sauna geht es jetzt direkt zur Sache und mit „Blood Sacrifice“ geht es los. Wow, sofort weiß ich wieder, warum ich mir Visigoth so gerne live angucke. Diese Band ist auf der Bühne der absolute Wahnsinn, denn es gibt wohl keinen vergleichbaren Act, der so eine epische Energie entfaltet und gleichzeitig noch absolut sympathisch rüber kommt. Bei „Dungeon Master“ singen die ersten Reihen textsicher mit – Gänsehaut pur und wieder mal bin ich hin und weg von dieser Band. Visigoth spielen sich dynamisch durch eine klasse Setlist aus den beiden Alben “The Revenant King“ und “Conquerer’s Oath“. „Steel And Silver“ ist dabei mein persönliches Highlight, genau wie das darauf folgende „Traitor’s Gate“. Die Fünf sind so gut drauf und haben trotz der Hitze richtig Spaß mit Hamburgs Publikum. Jake kommt mit trinken bei den Temperaturen gar nicht nach. Die komplette Saitenfraktion bangt fast ununterbrochen und Mickey T. sieht hinter seinem Schlagzeug so entspannt aus, als würde er Urlaub machen. Großartig, sich diesen Trommler einfach mal eine Zeit lang anzugucken. Zu jeder Zeit hat der nietenbehangene Glatzkopf Jake die Halle in der Hand. Gut, bei so einem begeistertem Publikum wohl auch keine Kunst. Mit „Iron Brotherhood“ geht das heutige Set nach einer knappen Stunde zu Ende und zurück bleiben verschwitze und überglückliche Fans. Wer bis jetzt noch kein Visigoth Fan war, ist es jetzt – definitiv!
Nach einer kurzen Verschnaufpause auf beiden Seiten, kommen die Amis noch einmal zurück auf die Bühne, um mit „Final Spell“ den einzig älteren Song in die Menge zu feuern. „The Revenant King“ ist jetzt aber wirklich der letzte Song eines Wahnsinnsabends. Unglaublich was selbst nach den letzten Akkorden noch für eine Magie in dem Bambi Gewölbe hängt. Danke Flo, dass Du für dieses Erlebnis deine wohlverdienten Sommerferien unterbrochen hast. Für mich ist dieser Abend jetzt schon, eines im wahrsten Sinne des Wortes, heißester Kandidat auf das Konzert des Jahres.
Autor & Pics: Tino Sternagel-Petersen