IRON MAIDEN, KILLSWITCH ENGAGE
Aberdeen (UK), Exhibition- and Conference Center, 04.08.2018
Es gibt sehr viele Fans, die bei ihren Helden für ganze Tourneen mitreisen. Für uns von X-Crash hat sich die Gelegenheit ergeben, einem Gig der hoffnungsvollen englischen Nachwuchsband beizuwohnen, und das sogar “FTTB” (First To The Barrier). In Zeiten des Internets ist die Setlist von Iron Maiden kein Geheimnis mehr und die starre Einhaltung lässt die Erwartungen für Überraschungsmomente herunter schrauben. Dafür bekommen die Fans ein eingespieltes Sechserteam mit definitiv reichlich vorhandener Spielfreude, die nach Aussage der Spanier hinter uns vorgestern in Belfast ebenso geil gewesen sein soll. Andere Die-Hard Fans wie Olga Dee aus Moskau sprechen später vom besten Gig der gesamten „Legacy Of The Beast Tour“. Das sollte sich dann für den Rest der Dates übermorgen in Manchester und danach noch in Birmingham und zweimal London fortsetzen. Die ca. 8000 Gäste fassende, angeblich zweitkleinste Halle der Tour füllt sich recht zügig kurz nach dem Vorabeinlass der paar dutzend glücklichen Fanclubmitglieder, die diesmal vor den Massen an die Frontbarriere dürfen, und die Anzahl der Träger von Maiden-Shirts darf man auf mehr als 90% schätzen. Das Merch bei Maiden muss als reichhaltig bezeichnet werden. Diesmal sind neun verschiedene Motive erhältlich, für die man pro Shirt 25 Pounds aufruft.
Überpünktlich um 20:52 Uhr ertönt Ufos „Doctor Doctor“ aus der PA. Das sichere Zeichen für Maidens Showbeginn wird diesmal sogar in der Liveversion abgespielt. Sofort dreht die volle Halle durch und singt schon mit, während on Stage noch die Aufbauten enthüllt werden. Nicht nur “Churchills Speech” wird eingespielt, sondern auch die ersten Takte vom Opener „Aces High“. Dann taucht der bereits aus dem Net bekannte Spitfirenachbau auf und wird flexibel an der Bühnendecke in viele Positionen gedreht. Der inszenierte Krieg findet in den bayerischen Alpen seine Fortsetzung. In „Where Eagles Dare“ fällt auf, Bruce ist nicht nur bestens bei Stimme, sondern legt auch ein stattliches Pensum an Metern zurück, zum größten Teil auf den Aufbauten. Von Anfang an hat er die Halle im Griff; nur wenige Bewegungen reichen aus, die Menge aufschreien zu lassen. Sein „Scream for me Aberdeen“ wird mit „Scotland“ kombiniert, bei Letzterem wird die Menge regelmäßig noch lauter. Danach folgt seine einzige Ansage und er erklärt, dass Krieg schon Scheiße ist, doch man manchmal schon aufstehen muss, um für seinen Anspruch zu kämpfen. Eine prima Überleitung zu „The Clansman“ und man sei sich bewusst darüber, diesen Song nun in Schottland zu spielen. Das wurde entsprechend laut bejubelt und achtet man darauf, wie laut hier die Zeile „Freedom“ mitgesungen wird, so muss man doch feststellen, dass die ‘Ohohos’ im folgenden „The Trooper“ noch lauter ausfallen. In dem Song trägt Eddie diesmal die Uniform und liefert sich einen Schwertkampf mit Bruce, der wiederum mit dem Degen nebenbei seine Bandmates inklusive Steve zum Ritter schlägt und letztendlich unter deutlichem Beifall noch die britische Flagge mit der schottischen eintauscht.
„Revelations“ beendet die Reihe der Kriegssongs und scheint zusammen mit „For The Greater Good Of God“ ein anderes und tempomäßig gesetzteres Kapitel aufschlagen zu wollen. Beide Songs teilen sich ein Backdrop mit Kirchenfenstermotiv, sonst wird zu jedem Song gewechselt. „The Wicker Man“ rüttelt alle wieder auf, war ja auch mal Opener zu „Brave New World“ Zeiten. Zu „Sign Of The Cross“ beleuchtet Bruce die Menge mit einem Kreuz, übrigens der zweite Song aus der Blaze Phase, mit denen niemand ein Problem hatte, am wenigsten der Sänger selbst, als wären die Songs schon immer von ihm gesungen worden. Seine Show mit dem Flammenwerfer zu „Flight Of Icarus“, gemäß des selbigen Singlecovers, lässt uns mal Preise für so ein Gerät googeln, dürfte auf der nächsten Grillparty für viel Spaß sorgen. Etwas nach King Diamond schaut sein Nachtwächter Outfit mit Laterne aus, das er zum wahrscheinlich unverzichtbaren „Fear Of The Dark“ trägt. Einen Riesenkopf von Eddie wird für „The Number Of The Beast“ im Back nach oben gezogen. Requisiten mit solchen Ausmaßen hätten von der Frontabsperrung aus fotografiert sicher nicht komplett auf ein Foto gepasst. Das Ende des regulären Sets läutet „Iron Maiden“ ein, nach dem Nicko ein Drumskin wie `ne Frisbee in die Menge wirft. Der Zugabenblock fällt dreifach besetzt aus, dass man von einem amtlichen Finale sprechen darf. Mit „The Evil That Men Do“ kehrt der Sechser auf die Bühne zurück und danach erfreut uns Bruce im wieder ins Programm gerutschten “Hallowed Be Thy Name“ mit einem pendelnden Galgenstrick, bevor er sich nach „Run To The Hills“ mit samt der Band durch eine selbst ausgelöste Feuerwerksexplosion (Foto) verabschiedet. Eine in allen Belangen großartige Show endet nach 110 Minuten.
Als Support durften sich übrigens für fünfzig Minuten die Metalcorer von Killswitch Engage aus Massachusetts austoben, die zwar hauptsächlich Jüngere in Bewegung versetzten, aber musikalisch mit Maiden so viel zu tun haben, wie das kühlere Inselwetter mit der derzeit vorherrschenden Gluthitze auf dem Festland. Daran änderte auch die von den Drums zerschossene Interpretation von Dios „Holy Diver“ nichts. Hat auf der offiziellen Aftershowparty auch niemand mehr drüber gesprochen.
Autor: Joxe Schaefer
Pics: Tino Sternagel-Petersen