Ruhrpott Metal Meeting

Oberhausen, Turbinenhalle, 07. + 08.12.2018


Tag 1, Freitag, 07.12.2018: Pripjat, Suicidal Angels, Death Angel, Sodom, Exodus, Venom.

Wer es in der letzten Zeit nicht geschafft haben sollte, die Kölner einmal live zu sehen, der geht wohl nicht oft auf Konzerte. Lohnt sich aber, denn Pripjat sind ein Garant für energiegeladene Shows. Das wissen auch Veranstalter kleinerer Events, wo wir sie schon als Headliner gesehen haben. Mit ihrer Energie sollten sie also das Ruhrpott Metal Meeting in Schwung kriegen, was ihnen sogar schon mit „Survival Of The Sickest“ ansatzweise gelingt. Gitarrist Eugen rennt wie immer Barfuß über die Bretter und Shouter Kirill kreischt seine Ansagen unüberhörbar bis die letzten Winkel des Hallenkomplexes. Die sich weiter füllende Halle kommt an diesem Freitagabend nur mäßig in Fahrt, doch das Quartett darf aber zu Ablauf der Spielzeit feststellen, dass sein Sound auch für größere Bühnen geeignet ist. „Chain Reaction“ wird noch rausgehauen, nur dann muss blöderweise schon Schluss sein. Dreißig Minuten Spielzeit sind einfach zu wenig, um sich der Crowd in der Turbinenhalle gebührend vorzustellen, auch wenn man schon zehn Minuten früher anfangen konnte. (Joxe Schaefer).


Auf dem gerade laufenden Tourtross von Death Angel, Sodom und Exodus darf man die Suicidal Angels als Opening Act erleben, sofern man als Ruhrpottler bis nach Hamburg fährt oder noch weitere Anreisen in Kauf nimmt. Oder man geht zum Ruhrpott Metal Meeting und schaut sich gleich noch ein paar mehr Bands dazu an. Hier müssen die Angels auch nicht als erste auf die Bühne, ihr Geballer in die Halle zu werfen, doch erstmal posaunt ein langes Intro der pompösen Art aus der PA. Und danach knallt es, zwar nicht ganz so wie auf Platte oder wie die eben noch gehörten Sägeriffs bei Pripjat, aber trotzdem ganz manierlich. Viele finden es cool, weil einiges slayermäßig rüberkommt, andere feiern die kompletten vierzig Minuten ab wie Kollege Bernd, der keine Gelegenheit auslässt, seine Zufriedenheit über das Quartett auszudrücken. (Joxe Schaefer).


Wenn die Bay-Area Größe Death Angel am Ort ist, geht man besser hin. Die Live-Performance ist immer erste Sahne und mit genügend Klassikern bestückt. Unvergessen auch ihr “Heaven And Hell” Cover mit Marks erstklassiger Gesangsleistung, welches sie für einige Zeit im Set hatten. Das wird heute nicht gespielt, dafür aber „Evil Priest” und „Left For Dead“, mit denen es gleich losgeht. Und sofort kommt so sehr Stimmung auf, dass man die Menge heute zum ersten Mal richtig abrocken sieht. Shouter Mark kriegt mit seinen prägnanten Ansagen die ganze Halle auf seine Seite, definitiv eine Stärke, die längst nicht jeder Frontmann auf sich vereinigen kann. So auch zum unverzichtbaren Knaller „Mistress Of Pain“ und bevor unser Jensenmann die blaue Pulle Bombay Sapphire vermisst, aus der sich Mark für gewöhnlich zwischendurch erfrischt, hält er sie sichtbar in den Ansagen in der Hand, während Gitarrist Rob das bekannte und jedesmal zündende Lick zu „Thrashers“ anspielt. Danach sorgt „Thrown To The Wolves“ für weitere Ausraster und Mark führt mehr als einmal vor, wie lange er einen Ton halten kann. Zum Finale wird „The Moth“ vom aktuellen Album gezockt und ein grandioser Auftritt von vierzig Minuten geht zu Ende, der die Messlatte für die folgenden Bands ziemlich hoch legt, auch wenn “Voracious Souls”, “The Dream Calls For Blood” und “Kill As One” zeitbedingt fehlen mussten. (Joxe Schaefer).


Der bei Continental schaffende Husky war gerade noch für hiesige Akkreditierungen zuständig, bis er sich mit Sodom auf die Piste begab. Heute kommt er mit dem Tourtross bei seinem Event in Oberhausen an, wo die Bühne mit zwei Knarrenheinzen hergerichtet wurde, deren Augen rot beleuchtet werden. Neben der aktuellen Ten-Inch-Single “Partisan” im Gepäck, den Track spielen sie heute nach früher Bandvorstellung, findet die Frühphase der Band keinesfalls zu wenig Berücksichtigung. An die Ansicht, dass links und rechts von Tom jeweils ein Axtmann steht, kann man sich gewöhnen. Ebenso daran, dass die alten Kracher wie „Sodomy And Lust“ wieder ungestümer aus der Anlage trümmern und bollern. Der Angelripper fühlt sich sichtlich wohl mit der neuen Besetzung und sagt „Agent ‚Fucking‘ Orange“ an, ein unverzichtbarer Song und Fave vieler Fans. Zu „Outbreak Of Evil“ gehen noch mehr Arme hoch und ein sicheres „Bombenhagel“ inklusive der Nationalhymne lässt noch einmal alles durchdrehen. Trotz Heimspielbonus musste auch für die Ruhrpottler nach vierzig Minuten Schluss sein. (Joxe Schaefer).


Bei Exodus scheint es auch ohne Gary Holt immer besser zu laufen und man kann sagen, die Thrasher haben sich bereits weitere Stufen auf der Beliebtheitsskala heraufgearbeitet. Regelmäßige Auftritte auch in unseren Breiten, mit einem immer geiler werdenden Kragen Lum an der Gitarre, konnten die Beliebtheit der Band nur steigern lassen, wenn auch die Die-Hard Fans trotzdem die Rückkehr von der Slayer Aushilfe abwarten möchten. Shouter Zetro schwitzt heute mal kein bis oben zugeknöpftes Hemd voll, sondern ein Exodus-Shirt plus Weste. Zum Opener „Bonded By Blood“ bleibt zunächst noch das Hallenlicht eingeschaltet, bis der Zuständige endlich den Schalter findet. Die zweite und letzte Fünferbesetzung des heutigen Festivaltages mischt neuere Klopper wie „Body Harvest“ mit Altbewährtem vom ersten Album wie „A Lesson In Violence“. Auch mit „Fabulous Disaster“ machen die Westcoastler alles richtig und kommen spitze an, doch irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, zuvor bei Sodom war‘s vorne voller. Mit meinem Alltime-Fave „Blacklist“ geht’s schon ins Finale, der Song kann einfach alles. Das nachfolgende „Toxic Waltz“ auch, das ist aber schon bekannt. Nach dem finalen „Strike Of The Beast“ kann man auf einem Chronographen eine Auftrittszeit von fünfzig Minuten ablesen und hätte sich noch mehr gewünscht, doch es muss schon der Umbau für den Headliner starten. (Joxe Schaefer).


Nachdem drei Urgesteine des Thrash Metals und zwei junge Vertreter des Genres an diesem bisherigen Freitag die Turbinenhalle in Schutt und Asche gelegt haben, folgt nun als Headliner die Band, die das Genre zwar nicht namentlich erfunden, aber mit den ersten Alben den Grundstein für extremen Metal gelegt hat. Ladies and Gentleman, from the very depths of hell: Venom! Auf der Bühne steht ein riesiger Drumriser, zum Intro explodiert es, Flammen lodern und die Mannen um Urvater Cronos, der heute fast im Outfit eines englischen Gentlemans auftritt, legen mit wuchtigem Sound und dem Klassiker „Don‘t Burn The Witch“ los. Es folgt mit „100 Miles To Hell“ ein Track von der letztjährigen EP, der einen Block neueren Materials einläutet, der nur kurz von “Bloodlust” unterbrochen wird. Auch bei den neuen Stücken bilden sich erste kleine Moshpits im Publikum, die aber vom schwankenden Tempo der Band nicht lange angetrieben werden. “Long Haired Punks” mag zwar noch auf Cronos und Drummer Dante zutreffen, Gitarrist Rage ist vom Haupthaar da zumindest ausgenommen. “Buried Alive” setzt nun den Start in einen Klassiker-Block, der von vielen sehnlichst erwartet wurde. So gut die neuen Stücke auch sein mögen, gerade auf einem Festival zur bierseeligen Headlinerzeit hat man bekanntes gern. “In Nomine Satanas”, “1000 Days In Sodom” und das heute etwas langsamer gespielte “Welcome To Hell” heizen die Stimmung weiter an, bei einem Undergroundmusiker offenbar so weit, dass er eine Promo CD auf Cronos wirft und trifft. Zuviel Promotion hat der gute Mann damit nicht eingeheimst. Bei “Countess Bathory” singt die Halle lauthals mit und hüpft, so wie es sich gehört. Das neue, eingeschobene „Pedal To The Metal“ drückt noch einmal mächtig auf das Gaspedal, bis mit “Warhead” der reguläre Teil des Sets beendet wird. Die Zugaben-Forderungen sind entweder so frenetisch, oder Cronos wird ein wenig altersmilde, sodass spontan vor dem einen Song, auf den alle warten, noch passend zur Jahreszeit “Black X-Mas” eingeschoben wird. Nun kommt es zum Ende. Welcher Song könnte es sein, wenn nicht “Black Metal”, der die Halle noch einmal komplett zum Beben bringt und den ersten Festivaltag mit einem Paukenschlag beendet. (Jens Wäling).


Tag 2, Samstag, 08.12.2018: Motorjesus, Baest, Skalmöld, Angelus Apatrida, Tankard, Lacuna Coil, D:A:D, Dark Tranquillity, Alestorm, Children Of Bodom.

So, nachdem man an Tag 1 noch ein bisschen mit den Jungs von Darkness in der Halle versackt ist, als einer der Letzten herausgefegt wurde und auf dem Heimweg noch den Grave Violator himself abgesetzt hat, geht es an Tag 2 mit motorölgetränktem Rock ‘n‘ Roll zum Frühstücksbier los. Motorjesus betreten als erstes die Hauptbühne und versuchen die noch leicht müde und zum Start nur etwa halb gefüllte Halle in Schwung zu bringen. Drei Songs brauchen die Mönchengladbacher um Frontmann Chris dazu schon, bis sich die ersten Fäuste in der Luft ballen und die Leute mitsingen. Chris kommentiert das mit einem „Oberhausen hat die Haare schön“, bevor er „Fist Of The Dragon“ Bud Spencer, Terence Hill und diversen anderen alten Actionhelden widmet. Zu „Fuel The Warmachine“ fragt er sich selbstreflektiert, wie er immer auf diese bekloppten Titel kommt und gibt zu, dass das ganze Auftreten um dicke Amischlitten eigentlich nur eine Show ist und die Band sich nicht mehr als Kleinwagen leisten kann. Der Wachmacher des ersten Tages endet mit einem Rock ‘n‘ Roll-Medley aus “Rock You Like A Hurricane”, “Living After Midnight” und “T.N.T.”. Die Party kann nun losgehen. (Jens Wäling).


Die Dänen Baest (zu deutsch „Bestie“) haben am zweiten Tag des Ruhrpott Metal Meetings 2018 die Ehre, auf der Flöz-Stage zu eröffnen. Und sie nehmen die Sache absolut ernst. Trotz anfangs nur spärlichem Publikumsinteresse legen sie los, als wenn es um ihr Leben ginge. Ihr Old School Death Metal, der an vielen Stellen an Bands wie Entombed oder Bloodbath erinnert, wird mit riesigem Enthusiasmus vorgetragen. Technisch und stilistisch kann man der Band, die erst seit 2015 zusammen spielt, absolut nichts nachsagen und sicherlich nicht ganz zu Unrecht verkaufte sich ihr diesjähriges Debütalbum „Danse Macabre“ gerade in ihrem Heimatland Dänemark ausgesprochen gut. Auch die Kritiken waren überwiegend positiv. Wer die musikalischen Vorlieben des Verfassers kennt, weiß, dass er mit Kritiken über Death Metal Bands vorsichtig sein muss, aber ich denke, dass der Auftritt von Baest sicherlich als gelungen bezeichnet werden kann. Fett bratende Gitarren und tiefe Growls kamen beim Publikum sichtlich gut an und sorgten dafür, dass es auch vor Ende des Motorjesus-Auftritts auf der Ruhrpott Stage vor der Flöz-Bühne immer voller wurde. Baest hinterließen zufriedene Gesichter und darauf kommt es doch wohl an. (Wolfgang Haupt).


Die isländischen Viking Metaller Skalmöld beginnen ihre Show auf der Ruhrpott Stage mit einer recht statischen Performance. Dass das aber nicht unbedingt gegen einen geilen Auftritt sprechen muss, weiß man ja schon seit Motörhead. Ein bisschen scheint sogar das Bandlogo an das der Briten zu erinnern, aber das ist dann größtenteils auch schon alles, was man mit Lemmy und Konsorten gemeinsam hat. Skalmöld, deren Name soviel wie „Zeitalter des Krieges“ bedeutet, werden schnell wärmer und beweglicher und präsentieren den Besuchern einen interessanten Genre-Mix aus Metal mit Death Metal-typischen Growls und isländischem Folk mit klarem, oft mehrstimmigen Gesang. Die Band, die derzeit mit Alestorm quer durch Europa tourt und bereits sechs Alben veröffentlicht hat, hat sichtlich Spaß an dem was sie tut und ist in den Augen des Verfassers nicht das, was man unter einer typischen Viking-Metal-Band erwartet. Dafür ist ihr Sound einfach viel zu abwechslungsreich. Neben den genannten Einflüssen konnte der geneigte Zuhörer Anleihen aus verschiedensten Musikrichtungen erkennen, von Metal der diversesten Schattierungen bis hin zu klassischen Einflüssen. Für den Verfasser ein gelungener und beeindruckender Auftritt, ein echtes Hörerlebnis und eine Band, die in keine Schublade passt, auch nicht wirklich in die des Viking Metals. (Wolfgang Haupt).


Auf geht es in die Halle 2 zu Spaniens derzeit bestem Export in Sachen Thrash Metal. Angelus Apatrida feuern ein Krach- / HipHop Intro ab, was in Suicidal Tendencies „You Can‘t Bring Me Down“ übergeht und machen in dem Stile mit schnellem Thrash Metal weiter. Sänger Victor, der mich sonst immer etwas an Dave Mustaine erinnert hat, klingt heute deutlich aggressiver, so als wäre er gestern schon da gewesen und hätte noch ein paar Gesangsstunden bei Steve Souza (Exodus) bekommen. Insgesamt klingt die Band heute wie Megadeth auf Speed, die komplette Show wird den Helden des gestrigen Tages gewidmet, die alle einen Einfluss auf die Truppe hatten. Ein amtlicher Circle Pit tobt zu „Give ‘em War“ vor der Bühne, während die Halle 1 laut der Aussage eines umherwandernden Kumpels halb leer sein soll. Wenn eine Musikrichtung im Ruhrpott heimisch ist, dann wohl Thrash Metal. Megadeth wird heute von der Band noch öfter zitiert, mit „Sign Of The Hitman“ und „You Are Next“ endet ein energiegeladener Gig, der keine Wünsche offen lies. (Jens Wäling).


Wir bleiben bei Thrash Metal aus dem Süden, werden aber weniger sonnig und gehen nach Frankfurt. Die Jungs von Tankard haben aber genug Hitze in sich, so dass sie heute alle in kurzen Hosen auftreten. Mit „One Foot In The Grave“ legen die vier Hessen mit einem neuen Stück los und fegen wie entfesselt über die Bühne. Man sieht ihnen sofort an, dass sie einfach Spaß an der Musik und am Spielen haben und diese Energie übertragen sie ab der ersten Note ins Publikum. Mit „The Morning After“ gibt es den ersten Klassiker, Fäuste fliegen, Bierbecher leeren sich schneller als bei den anderen Bands, die Halle und Gerre tanzen, Gerre teilweise auch bauchfrei. Man bleibt bei der alten Schule, zu „Zombie Attack“ fliegen neben den Haaren auch die ersten Crowdsurfer durch die Turbinenhalle, “Rapid Fire” wird der Politik gewidmet. Die Band hat auch nach 36 Jahren im Dienst nichts an Wut Humor und Durst verloren. Warum sie immer noch ein bisschen im Schatten der drei anderen großen deutschen Thrashbands stehen, bleibt mir ein Rätsel. Mit „Rest In Beer“ und „Pay To Pray“ werden zwei neuere Stücke in die Menge gefeuert, bevor es mit „Chemical Invasion“ wieder klassisch wird. Das Stück eröffnet Gerre durch eine Tanzeinlage mit einer Fotografin. „A Girl Called Cervesa“ und „Rules For Fools“ läuten das Ende der Show ein, die mit „Empty Tankard“ einen würdigen Abschluss findet. Die Halle hüpft, singt, trinkt und feiert. Bisher war das der Headliner des Tages. (Jens Wäling).


Am zweiten Tag des Ruhrpott Metal Meetings 2018 fällt doch auf, dass sich das Publikum in Teilen von dem des Vortages unterscheidet. Auch am Samstag sieht man Thrashmetal-Fans, die am Freitag ihren großen Tag hatten, aber auch viele Gothic Metaller. Und dem Publikumsandrang vor der Flöz-Stage merkt man deutlich an, dass viele dieser Fans auf ihr Highlight des Abends warten: Lacuna Coil. Die Mailänder, mittlerweile die erfolgreichste Rockband Italiens überhaupt, betreten, ganz im Stil des Artworks vom aktuellen Livealbum geschminkt, unter großem Applaus die Bühne. Lacuna Coil haben sich seit Jahren eine immer größer werdende Fangemeinde erspielt und die enttäuschen sie an diesem Abend sicherlich auch nicht. Sängerin Cristina Scabbia, die in ihrem blutroten, bodenlangen Outfit wie ein Racheengel erscheint und ihr männliches Pendant Andrea Ferro, wie seine anderen männlichen Bandkollegen in einer Art schwarzem Priestergewand gekleidet, ergänzen sich gesangstechnisch ausgesprochen gut. Andrea Ferro wechselt oft zwischen Growls und klarem Gesang und die Gitarrenparts klingen genretypisch und druckvoll. Dennoch können es Lacuna Coil in punkto Härte nicht mit einigen anderen Bands aufnehmen, die wir an diesem Wochenende hier in Oberhausen erlebt haben. In der Musik von Lacuna Coil finden sich verschiedene Einflüsse bis hin zu Pop/Rock wieder und das macht es mir persönlich nicht leicht. Ich habe noch nie etwas von “True Metal”- Diskussionen gehalten, aber bei Lacuna Coil fallen sie mir wieder ein. Metal darf nicht nur stumpfer Krach sein, ein gewisses Vorhandensein von Melodie und Eingängigkeit befürworte ich sehr, aber bei Bands wie Lacuna Coil habe ich manchmal fast das Gefühl, dass die harten Gitarrenriffs nur noch eine Art schmückendes Beiwerk sind. Das stand für mich ein wenig in Kontrast zu ihrem „bösen“ Bühnenoutfit und den dunklen Texten ihrer Musik. Wahrscheinlich sahen das die meisten der begeisterten Fans in Oberhausen auch ganz anders, denn Lacuna Coil wurden begeistert abgefeiert. Und das auch nicht zu Unrecht, lieferten sie doch, mal völlig abgesehen von meinen Kritikpunkten, eine musikalisch überzeugende Leistung ab. Gerade Cristina Scabbia mit ihrem Gesang in der für das Genre eher untypischen Tonlage und ihr männlicher Gegenpart Andrea Ferro mit seiner gesanglichen Vielseitigkeit stachen hervor. (Wolfgang Haupt).


Nun wird es ruhiger und melodischer auf der Hauptbühne. D:A:D aus Kopenhagen sind nun an der Reihe. Die Dänen um die Brüder Jesper und Jacob Binzer sowie Bassist Stig Pedersen legen mit “Evil Twin” rockig los. Stig eröffnet mit einem transparenten Acryl-Bass, der blau hinterleuchtet ist. Die Halle hat sich nach der Tankard Show noch nicht wieder voll gefüllt. Die Leute am Bierstand verpassen mit „No Fuel Left For The Pilgrims“ direkt einen Klassiker der Bandgeschichte. Stig, heute komplett in Rosa, wechselt nach dem Song den Bass zu einem im Eisernen Kreuz Design mit dem Roten Baron als Kopfplatte. Mit „Still My Eyes Are Closed“ geht es im mittleren Tempo weiter. Jesper Binzer versucht zwischen den Songs sein Deutsch aufzufrischen und macht hauptsächlich deutsche Ansagen. Stig wechselt den Bass wieder auf die Acryl-Version. Insgesamt kommen heute nur die beiden seiner Kreationen zum Einsatz. Bei „Monsterphilosophy“ gibt es Mitsingspiele für das Publikum und Drummer Laust bekommt einen Deutschkurs verpasst. Stilvoll wird der gelungene Gig mit „Sleeping My Day Away“ beendet, in dem sich die Halle doch noch anständig gefüllt hat. (Jens Wäling).


Als letzte Band des Abends im Rahmen der 30th Anniversary von Century Media auf der Flöz Stage erleben wir am Samstag Dark Tranquillity. Und ja, es ist dark, very dark! Und das liegt nicht nur am dunklen Sound der Melodic Death Metaller. Während des kompletten Auftritts der Schweden projeziert man Videoclips auf den Bühnenhintergrund und lässt dabei die Band im Dunkeln, was die zahlreich anwesenden Fotografen schier zur Verzweiflung treibt. Hatte man es am Vortag beim Auftritt von Venom schon schwer genug, ein paar vernünftige Bilder zu schießen, da aufgrund der Pyros das Betreten des Fotograbens untersagt war, so wurden bei Dark Tranquillity erneut die Fähigkeiten der Kameraleute und ihres Equipments auf die Probe gestellt. Aber zurück zur Musik: Dark Tranquillity sind für mich zu Recht die letzte Band auf der Flöz Stage, trotz Lacuna Coil. Einer der absoluten Höhepunkte des zweiten Tages auf dem Ruhrpott Metal Festival 2018. Die fünf Göteborger sind live eine absolute Macht. Wie eine Urgewalt kommen sie über Oberhausen. Ihr aggressiver und doch an vielen Stellen auch sehr melodischer Stil überzeugt mich restlos. So muss Metal live sein. Die gewaltigen Riffs knallen einem um die Ohren und in den Magen und die Soli kommen (im Gegensatz zu anderen Vertretern an diesem Wochenende) klar und deutlich (und nicht nur laut) durch. Kompliment also auch an den Soundmixer, gute Arbeit! Als Heavy-Metal-Veteran der alten 80er Jahre Schule kann ich mich persönlich mit vielen Schubladen und Stilrichtungen nicht immer anfreunden, stehe auch (Melodic) Death Metal nicht immer unkritisch gegenüber, aber diese Band macht einfach Spaß. Weil sie in Oberhausen so nahe an das herankommt, was ich bei vielen Bands nach Motörhead und Slayer heute oft vermisse: das Gefühl von einem Orkan an die hintere Hallenwand gedrückt, oder von einem Panzer überrollt zu werden. Laut mit aggressiven Vocals alleine reicht nicht. Wie sangen schon Torfrock in ihrem Gassenhauer? „Das muss drücken im Gesicht!“ Bei Dark Tranquillity hat es gedrückt. Definitiv. (Wolfgang Haupt).


Je später der Abend, umso begehrter die Gäste. Das merkt man dem Publikum am Samstag in Oberhausen deutlich an. Es ist schon vor Beginn des Auftritts der schottischen Spaß-Metaller mächtig in Stimmung und verlangt lautstark nach Alestorm. Und wenn die Schotten die Bühne betreten, ist von der ersten Minute an Party angesagt. Sänger Christopher Bowes im roten Kilt und mit umgehängter Keytar und seine Mannen mischen gekonnt Folk-Klänge und Speedmetal zu einem Sound, der in die Beine und in die Hüfte geht, nicht nur in den Pommesgabelarm. Vom ersten Ton des Openers „Keelhauled“ an bebt die Halle. Das Publikum geht begeistert mit. Christopher Bowes hat die Menge voll im Griff und schwingt zwischendurch das Tanzbein. Wer hier im Publikum auch noch das ein oder andere Bier mehr intus hat (oder den ein oder anderen Captain Morgan), für den ist jetzt sowieso alles zu spät. Alestorm hauen mit „Alestorm“, „Mexico“ oder ihrer Coverversion von „Hangover“ einen Hammer nach dem anderen raus. Die Menge kocht und sieht fast selbst wie der wogende Ozean aus, den die Schotten mit ihrem selbstbetitelten „True Scottish Pirate Metal“ wiederholt besingen. Als Fotograf hast du ständig Angst um deine Kamera, die einen Schwall kalten Bieres weniger verkraftet als die Fans am Rande des Wahnsinns vorne im Moshpit oder bei der Wall Of Death. Und als Alestorm nach der letzten Zugabe „Fucked With An Anchor“ unter großem Jubel die Bühne verlassen, wird man das Gefühl nicht los, dass eine ganze Reihe der ausgelaugten und durchgeschwitzen Gestalten, die da zurückwanken, den Headliner des Abends gar nicht mehr erleben können oder erleben wollen. Sei’s drum, Alestorm und ihre Fans haben hier alles gegeben. Ein Erlebnis war es allemal. (Wolfgang Haupt).


Es ist Headlinerzeit beim Ruhrpott Metal Meeting 2018. Dieses Jahr geben sich Children Of Bodom die Ehre, das Festival abzuschließen. Ich habe die Band bewusst bestimmt zehn Jahre nicht mehr gesehen, aber die ersten drei Alben waren bei ihrem Erscheinen ein ziemlicher Einschlag in der kleinen Metalclique, mit der ich unterwegs war. Die Finnen sind auf ihrer letzten Show des Jahres bestens eingespielt, sehr tight und geizen nicht mit ihren unverwechselbaren Melodien. Man beginnt eher klassisch mit „Sixpounder“ vom “Hatecrew Deathroll” Album und „Trashed, Lost & Strungout“ vom 2005er “Are You Dead Yet” Album. Es folgt ein schöner, energiegeladener Querschnitt durch alle Schaffensphasen der Band. Ich freue mich besonders über die ganz alten Stücke wie „Silent Night Bodom Night“ und „Follow The Reaper“. Die beiden liefen damals in der Stamm-Metalkneipe recht oft und haben auch ca. 15 Jahre später nichts an ihrer Energie verloren. Die Kombination aus zwei Gitarren, einem Keyboard und der Härte der Musik macht diese Band einmalig und der Stil ist heute recht wenig gehört. So wirklich aktuelles Material hat die Band, deren letztes Album 2015 erschienen ist, ohnehin nicht zu bieten. Die neue Single wurde uns leider verwehrt und bei ihrer letzten Show des Jahres gab es auch keinen Ausblick auf das neue Album. Frontmann Alexi verzichtet heute zum großen Teil auf seine „Fuck“-Ansagen. Mit „Lake Bodom“ und „I Worship Chaos“ stehen der älteste und der neueste Song des Abends direkt nebeneinander und passend hervorragend zusammen. Die Band hält das Tempo hoch und feuert die Turbinenhalle zum letzten Mal kräftig an. Ein ordentlicher Moshpit tobt noch einmal durch die Menge, bevor mit “Hate Me!” Der letzte Song des Festivals gespielt wird. Ein guter Headlinergig einer Band, die ich viel zu lange nicht mehr verfolgt habe. Bis zum nächsten Jahr, Ruhrpott Metal Meeting! (Jens Wäling).

Autoren: Wolfgang Haupt, Joxe Schaefer, Jens Wäling.
Pics: Wolfgang Haupt