Kuhzifest

Emden, Alte Post, 12.01.2019


Der erste Festivalhöhepunkt findet bereits im Januar statt. Das Kuhzifest im beschaulichen Emden in Ostfriesland hat sich innerhalb von vier Jahren einen beachtlichen Namen erarbeitet, auch weit über die Landesgrenze hinaus. Die Tickets waren in Windeseile ausverkauft. Die Veranstalter haben für ihr Festival inzwischen einen eingetragenen Verein ins Leben gerufen. Das Festival hebt sich durch viel Liebe zum Detail aus der Masse hervor. Die Bands freuen sich über eine tolle Location, ein handfestes und selbstgemachtes Catering und ein dankbares Publikum. Viele lokale Fans sind dem Kuhzifest sehr verbunden, so ist es auch nichts Besonderes, wenn einem dort Leuten im Kuhkostüm oder mit einer Kuhmaske über den Weg laufen. Ihr merkt schon, dass es sich hier wirklich um etwas ganz spezielles in der deutschen Festivalszene handelt.

So machen wir uns voller Vorfreude bereits zum dritten Mal auf den etwa dreistündigen Weg gen Westen. Musikalisch bewegt sich das Kuhzifest zwischen Heavy und Thrash Metal – dieses Jahr stehen fünf Bands auf der Kuhzifest Wiese, ähm… Bühne. Fast pünktlich kommen wir in der Alten Post im Herzen von Emden vorgefahren und haben Glück, mit unserem kleinen Auto einen Parkplatz vor der Tür zu bekommen. Auf dem Weg zum Eingang laufen uns schon die ersten Freunde über den Weg. Nun kann die Party also beginnen. Die erste Neuerung der vierten Auflage des Kuhzifests gibt es gleich am Einlass. Viele Fans haben sich Festivalstoffbändchen gewünscht – gesagt, getan. Das erste Bändchen des Jahres ziert unsere Handgelenke.


Die bereits gut gefüllte, aber nie überfüllte Halle der Location gibt sich den Klängen der ersten Band hin. Teutonic Slaughter aus Gladbeck legten eine steile Karriere hin. Das Quartett profitiert auch von dem Support der Veteranen Darkness, mit denen man beispielsweise schon eine Split veröffentlichte. Die vier jungen Ruhrpottler sind auch in Ostfriesland merklich kein unbeschriebenes Blatt und legen ein amtliches Old School Thrashbrett hin, das vom Publikum mit viel Beifall bedacht wird. Einer der vielen positiven Punkte des Kuhzifestes ist die Tatsache, dass jede der auftretenden Bands die gleiche Spielzeit hat, nämlich eine volle Stunde. Teutonic Slaughter haben mit zwei kompletten Alben im Gepäck keine Mühe, diese Zeit voll zu bekommen und ernten nach ihren sechzig Minuten mehr als nur Höfflichkeitsapplaus.


Die Umbaupausen sind straff organisiert und werden mit, sagen wir mal … ungewöhnlicher Musik untermalt. Viele tummeln sich eh vor dem Eingang, um dem Nikotinkonsum zu frönen oder etwa die eigens fürs Festival angekarrte Pommesbude zu belagern. Als nächstes steht eine Band auf dem Plan, die man gerade im Norden doch recht selten mal zu Gesicht bekommt. Blackslash aus dem Baden-Württembergischen Donaueschingen haben den weiten Weg auf sich genommen, um Norddeutschland mit dynamischem Heavy Metal zu beglücken. Für mich ist es heute bereits ihr vierter Auftritt, dem ich bewohnen darf. Die Jungs machen einfach richtig Laune. Fronter Clemens hat die Menge gut im Griff und motiviert die Menge immer wieder zu Höchstleistungen. Mit ihrem aktuellen Abräumeralbum „Lightning Strikes Again“ hat er es aber auch nicht sonderlich schwer. Basser Alec überzeugt immer wieder mit seinen Steve Harris Posen, echt cool. Auch wenn am heutigen Abend nicht alles auf den Punkt gespielt ist, ein Super Auftritt von Blackslash. Sehr geile Wahl liebes Kuhzifest!

Aufgrund von Nahrungsmangel beschließen wir schon vor Ende der Show besagte Pommesbude, die auch mit holländischen Spezialitäten punktet, aufzusuchen und den Hunger zu besiegen. Hier ist der Kunde noch König, zumindest wenn man seinen Essenswunsch mehr als einmal äußert und die Kartoffelstäbchenschubser kommentieren dies auch mal gerne mit einem flotten Spruch wie etwa: „Du bist blond, Du bekommst eh nur die Hälfte mit“- Kollektives Gelächter ist den Jungs garantiert. Die Wartezeit vertreiben sich die hungrigen zwischenzeitlich mit einer a capella Version von „Volle Granate Renate“ und schnell lernt man den ein oder anderen Friesen kennen. Von wegen Norddeutsche sind kühl…


Als wir wieder die Halle betreten, bekommen wir gerade noch eine Ansage von der Bühne mit, in der es um das legendäre Kuhzibier geht. Für viele der Startschuss, an die Pommesbude zu stürmen, denn dort verkauft Veranstalter Uwe persönlich die streng limitierten Bierdosen in Kuhzifest Optik. Hier geht es kurz zu, wie bei H&M zum Sommerschlussverkaufs- Wahnsinn. Nachdem nun die Weißblechdosen wie Trophäen rumgezeigt und anschließend verstaut werden, wartet auf der Bühne bereits die nächste Band auf ihren Auftritt. Warfield aus Kaiserslautern zelebrieren das, was sie auch auf ihrem Backdrop stehen haben: Teutonischen Thrash Metal. Das ebenfalls recht junge Trio orientiert sich musikalisch an Deutschlands Thrash Metal Elite Sodom, Kreator, Destruction und Co. Das aber auf eigene Art mit geilen Moshparts, die das Oldschool Geknüppel auflockern und immer wieder aufhorchen lassen. Trotz des überwiegend flotten Tempos klingen Warfield mit diesen Stampfparts doch erstaunlich abwechslungsreich. Die Menge dankt es mit dem einen oder anderen Moshpit und ist voll dabei. Bis dato hatte ich diese Band noch nicht auf dem Schirm, aber das werde ich schnellstens ändern. Toller Auftritt mit ordentlich Arschtritt.

Getränketechnisch bin ich inzwischen vom Gerstensaft weggeschwenkt und habe eine weitere Neuerung des Festivals in Anspruch genommen. Für Autofahrer, wie mich am heutigen Tag, gibt es eine Kaffee Flatrate. Man zahlt, soviel einem das ganze wert ist und bekommt so viel Kaffee wie man möchte, dazu selbsgebackene Kekse und als I-Tüpfelchen kann man die schwarze Kuhzifest Kaffetasse noch mit nach Hause nehmen. Tolle Idee für verantwortungsvolle Metaller und Koffeinjunkies.


Das Billing lenkt auf die Zielgerade ein. Nachdem Veranstalter Uwe in jeder Umbaupause Tickets für das kommende Jubiläums Kuhzifests verlost hat, ist es jetzt an der Zeit für eine der besten deutschen „jüngeren“ Heavy Metal Bands. Sie haben den weiten Weg vom Bodensee zurückgelegt und sich durch Schnee und Eis gekämpft, um Emden in Schutt und Asche zu legen. Stallion habe ich inzwischen schon etliche Male live gesehen, quer durch die Republik und sie sind einfach immer ein Garant für ein Heavy Metal Feuerwerk der Spitzenklasse. Außerdem sind die Jungs noch echt nett und sympathisch. Los geht es beim Co-Headliner mit dem 2014er Titeltrack „Rise And Ride“, bei dem es vor der Bühne mächtig zur Sache geht. Die folgende Stunde ist vollgepackt mit Hits des deutschen Quintetts wie „Wild Stallion“, „Stigmatized“ und „Killing Times“. Auch der Aufruf, als Szene wieder mehr zusammenzurücken,  propagieren die Jungs mit ihrem neuesten Kracher „Underground Society“. Auch das gerade heutzutage leider immer wieder aktuelle politische Statement „Kill Fascism“ wird wie gewohnt gleich zweimal in die Menge gefeuert. Fronter und Rampensau Pauly nutzt die gesamte Bühnengröße für seine Performance, inklusive der Boxentürme. Sound, Show und Publikum bilden hier eine homogene Einheit und ohne das obligatorische „Canadian Steele“ können Stallion auch bei Zeitmangel selbstredend nicht von der Bühne. Eine absolut großartige Stunde, die auch gleichzeitig die Feuertaufe für den für Olli eingestiegenen Neugitarristen Clode aus der Schweiz ist – Mission complete!


Nach einer letzten Umbaupause kommt mein zweites persönliches Highlight des vierten Kuhzifests. Screamer aus Südschweden sind für mich eine der besten aktuellen Heavy Metal Bands der Szene. Hier kann selbst ich nicht ohne ein letztes Bier vor die Bühne. Die Menge ist inzwischen sichtlich ausgelaugt, aber für die sympathischen Skandinavier werden noch einmal die letzten Kraftreserven motiviert. Der ein oder andere hat bereits am Vortag die Jungs in Oldenburg abgefeiert und hat bei einem Blick auf die heutige Setlist ein kleines Deja vu, was aber keinen weiter stört. Die Die-Hard Fans haben sich vor der Bühne versammelt und lassen von Beginn an die Haare fliegen. Screamer überzeugen ab dem ersten Akkord und umgehend wird klar, warum die Jungs hier als Headliner auf der Bühne stehen. Egal ob der flotte „Screamer“-Opener, das treibende „Hell Machine“ oder der Stampfer „Keep On Walking“ – sie begeistern die Menge sichtlich. Das schöne am Kuhzifest ist auch, dass man zu jeder Zeit genügend Platz im Saal hat und man auch mal eben Bier holen oder wegbringen kann, ohne seinen Platz einzubüßen. Das tut zu dieser Zeit natürlich niemand, denn „On My Way“, „Slavegrinder“ oder „Monte Carlo Nights“ sind einfach geile Songs, an denen man sich nicht satt hören kann. Gewohnt cooles Stageacting des Fünfers. Nach einer kurzen Verschnaufpause für alle Beteiligten gibt es mit „Demon Rider“ und „Rock Bottom“ den finalen Part der Show und ungläubig bestätigt ein Blick aufs Zeiteisen, dass wirklich schon eine Stunde vorbei ist. Als das Licht nach den letzten verklungenen Akkorden wieder angeht, muss der ausgelaugte Screamer Fanclub erst einmal durchatmen und wieder Luft holen. Was für ein Abschluss!

Damit ist dann offiziell die vierte Ausgabe des familiären Kuhzifests Geschichte. Aber die erste Band für 2020 steht bereits fest. Die Holländer Steel Shock sind letztes Jahr sehr kurzfristig als Ersatz eingesprungen und haben dort mächtig gepunktet. Im kommenden Jahr werden sie nun also offiziell dort spielen und das ist schon der erste Grund wieder dabei zu sein. Fronter Nima und Gitarrist Martjo sind als Besucher dieses Mal dabei, da sie das Festival einfach super finden, genau wie der ein oder andere Musiker, der gerne als Gast hier zugegen ist. Viel mehr kann man sich als Veranstalter wohl kaum wünschen. Ein letzter Schock macht die Runde, als klar wird, dass die Alte Post nun trocken ist und es kein Bier mehr gibt. Die letzten Unkaputtbaren machen sich auf den Weg, um im Nahegelegenen ‚Bourbon‘ den Abend ausklingen zu lassen. Wir machen uns glücklich und zufrieden auf den Heimweg und freuen uns jetzt schon auf das kommende Jahr. Macht weiter so Uwe, Rauberer und Co. und alle Daumen hoch – Top Festival!

Autor & Pics: Tino Sternagel-Petersen