Heavy Hamburg Halloween
Hamburg, Knust, 31.10.2019
Letztendlich ist es schon so, dass Haunt übermorgen mit Screamer auf Tour gehen, aber heute schon mal das Vorprogramm von Night Demon und Angel Witch bestreiten. Eine ganz schöne Hausnummer, aber die Kalifornier scheinen dem gewachsen zu sein, wie sich schnell herausstellt. Die Jungs aus Fresno spielen ihr erstes Europakonzert und es knallt wesentlich mehr als auf Platte. Optisch wird auf der Bühne gelaufen, gepost und auf die Knie gegangen was das Zeug hält. Die Audienz taut schnell auf und die Publikumschöre des vor dem Track angeprobten „Hearts On Fire“ funktionieren im schön vollen Knust bestens. Oben vom Seitenbalkon aus beobachtet, wippen Köpfe mit bis hinten in die letzten Reihen. Der Applaus wird immer lauter, also scheint der Vierer alles genau richtig zu machen. Nach ihren regulären 45 Minuten dürfen die Kalifornier sogar Rufe nach Zugabe ernten, und es wäre nur logisch gewesen, wenn sie noch einmal für einen Song zurückgekehrt wären, aber es sollte leider nicht sein. Da können sich Screamer warm anziehen, die wir morgen noch nach den Spaniern Hitten im nicht weit entfernten Bambi-Galore sehen werden.
Jetzt wird es spannend. Beim letztjährigen Heavy Hamburg Halloween, das noch in der Hamburger Markthalle stattfand, brachten Night Demon geschminkt zur Eröffnung einen Überraschungsgig. Diesen beendeten sie mit “Halloween” von den Misfits. Diesmal kommen sie wieder geschminkt und eröffnen ihren Set mit eben diesem Misfits Track, der wie der heutige Kalenderfeiertag heißt. Den Ventura Dreier hat jeder inzwischen mehrmals live gesehen und deren Songs wie “Full Speed Ahead“ oder “Screams In The Night” sind längst Hits für die Fans. Außerdem hat es sich in der Vergangenheit bewährt, einfach mal Motörheads „Overkill“ anzuspielen, also passiert das auch heute. Night Demon kommen gewaltig, spielen auf den Punkt und haben alles im Griff. War die Menge bei Haunt schon gut drauf, potenziert sich jetzt die Energie und es werden Night Demon Sprechchöre zwischen den Songs laut, sofern dazwischen überhaupt Lücken gelassen werden. Bassist und Sänger Jarvis lässt sich im Publikum sehen, wie immer verköstigt das Bandmaskottchen zu “The Chalice” die erste Reihe aus selbigem und Rufe nach Zugabe bringt die Band noch einmal zurück auf die Bretter. Ein zartes Thin Lizzy Cover “The Sun Goes Down“ erklingt, aber die zweite Hälfte des Songs wird doppelt so schnell gespielt. Night Demon füllen zur Zufriedenheit aller ohne Firlefanz eine ganze Stunde. Natürlich werden sie tags drauf noch bei Hitten und Screamer im Publikum angetroffen …
Der Headliner ist für uns an diesem verlängerten Wochenende, in Hamburg ist heute Feiertag und bei uns daheim erst morgen, die vierte Band aus der NWoBHM. Auf jeden Fall haben Angel Witch ein ganz hervorragendes neues Album im Gepäck, welches sie auch nicht unbeachtet lassen. Erstmal gibbet Klassiker wie “White Witch“ auf die Omme und das treibende “Dead Sea Scrolls” vom sieben Jahre alten “As Above, So Below”, das noch immer alles kann. Bock haben die Briten wie man Will, dem Schwerarbeiter am Bass und den Sprüngen von Gitarrist Jimmy ansieht, der auch immer wieder von Shouter und Gitarrist Kevin Heybourne zum Duell gefordert wird. Auch Angel Witch profitieren heute vom knalligen Sound im Knust. Zu den neuen Tracks vom morgen erscheinenden Album „We Are Damned“ und dem fantastischen “Don’t Turn Your Back” wird es dann etwas differenzierter. Leider macht Shouter Kevin für Blicke auf die Saiten immer wieder seinen Kopf runter, dass er nicht mehr ins Mikro singt und man dauernd nur halbe Textzeilen hören kann. Möglicherweise leert sich die Location etwas, weil viele am morgigen Freitag arbeiten gehen müssen, aber das finale Anthem “Angel Witch” bekommt dennoch eine anständige Publikumslautstärke im Mitsingpart. Nicht der beste Gig der Briten, der im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Songqualität des neuen Albums “Angel Of Light” steht.
Autor & Pics: Joxe Schaefer