Hell Over Hammaburg
Hamburg, Markthalle, 06.03.-07-03.2020
Tag 1, Freitag, 06.03.2020:
Nun ist es also endlich soweit und nach einem grandiosen Warm-Up Abend im Kronensaal, dem großen Bruder unseres zweiten Wohnzimmers, dem Bambi Galore, sind alle Anwesenden heiß auf das inzwischen achte Hell Over Hammaburg. Dank des Hamburg Freitags Feierabendverkehrs und sehr peniblem Einlasspersonals verpassen wir leider den Beginn des heutigen Openers. Echt schade, aber zum Glück haben wir die Kanadier Traveler gerade am vergangenen Wochenende auf dem Brofest in Newcastle gesehen. Der Fünfer gilt spätestens nach seinem selbstbetiteltem Debüt im vergangenen Jahr als Senkrechtstarter der Szene und war in fast allen einschlägigen Magazinen in den Jahrescharts ganz weit oben zu finden. Heute überzeugt das Quintett mit viel Druck und einer unbändigen Spielfreude. Auch der Sound ist top und das Publikum hat um diese frühe Zeit auch schon mächtig Spaß in den Backen und puscht Traveler nach vorne. Beim Kracher „Behind The Iron“ spring Gitarrist Toryin in den Fotograben und spielt an der Absperrung zum Publikum einige Parts. Das Quintett entfacht heute ein Feuerwerk an traditionellem, aber dennoch modernem Heavy Metal der Extraklasse und liefert einen erstklassigen Auftritt ab. Bei „Fallen Heroes“ singt gefühlt der halbe Saal mit und immer wieder fliegen in den ersten Reihen die Haare. Auch der Oberhammer „Starbreaker“ darf heute natürlich nicht fehlen und überzeugt auf ganzer Linie. Zum Abschluss feuern die Jungs noch „Speed Queen“ in die Menge und schon ist die erste dreiviertel Stunde des Abends um. (Tino Sternagel-Petersen).
Eine Band wie (Dolch), die irgendwie immer mal irgendwo auftauchte und sich superinteressant macht, weil das Logo erstmal nur den Namen erraten lässt, wow. Kann man so machen, muss man aber nicht. Aber gut, ich bin ja bekanntlich total offen und tolerant was Musik angeht, aber das macht ja nix. Die Band hab ich mir also vorher auch ein paarmal angehört, was mir dank moderner Medien recht leicht fiel, auch wenn die Namenssuche erstmal schwierig erscheint. Die deutsche Band hat seit ihrer Gründung 2014 etliches an kleinen Sachen rausgebracht, 2 EPs, ein paar Singles und hier und da mal ne Split. 2019 kam dann das Debütalbum „Feuer“. Das Besondere an dieser Black/Doom Combo ist wohl die Sängerin, deren Namen ich online auf die Schnelle nicht finden kann. Aber Namen werden bei dieser Band ja augenscheinlich gerne etwas nebulös dargestellt, daher unterstelle ich nach kurzer Recherche Absicht und finde das irgendwie cool. Nun zum Gig: Das dauert gefühlte Ewigkeiten, ohne genau auf die Uhr zu gucken, bis das da mal losgehen kann. Paar Sound- und Linechecks später, soll es dann aber wirklich losgehen. Die düster daherkommenden Doom-Riffs brummen sich ein und es wird eine soundaufgeladene Atmosphäre erzeugt. Ich bin ja nicht so richtig Doom-Fan, aber das geht doch schon echt voll klar. Da ich die Band, wie man liest, nicht so gut kenne, kann ich wenig zu einzelnen Songs und deren Wiedererkennungswert sagen. Allerdings sind da tatsächlich immer wieder Nummern zwischen, die mir als Speed-Freak aber auch ganz gut taugen, weil die Mucke schon nen steilen Black-Einschlag hat. So viel von mir. (Janosch Besen).
Der charismatische Sänger, Gitarrist und Basser Joseph Tholl ist vielen noch als Mitglied der schwedischen Heavy Metal Helden Enforcer bekannt. Auch nach seinem Ausstieg bei dem Quartett machte er sich mit Black Trip und aktuell Vojd einen Namen. Das musikalische Multitalent hat nun Gefallen an klassischem Rock gefunden und sein selbstbetiteltes Solo-Projekt Joseph Tholl heizt der Markthalle ordentlich ein. Ein Hauch von 70s Rock weht brennend über das Publikum hinweg und scheint großen Gefallen zu finden. Als zweiten Klampfer hat Joseph sich keinen geringeren als Robert Pehrsson auf die Bühne geholt, um sein Debüt „Devil’s Drum“ vorzustellen. Dieses wird in Gänze heute gezockt, die Band um Joseph Tholl hat Spaß ohne Ende in den Backen und fackelt mit Songs wie „It’s Just Rock ‘n’ Roll“, „I’m The Machine“ oder „Through Endless Skies“ ein Feuerwerk ab. Auch mein favorisierter Track „The Passage By The Sea“ vom Debütalbum steht auf dem Programm. Was für ein Auftritt, den das Quartett hier abliefert. Das Joseph ein wirkliches musikalisches Multitalent ist, zeigt sich bei „Follow The Fire“, wo er das Pianointro auf einem kleinen Kofferklavier live auf der Bühne spielt, welches anfangs für Fragezeichen im Publikum sorgt. Wahnsinn dieser Typ und für mich eine der schillerndsten Figuren der schwedischen Szene. Alle Daumen hoch! (Tino Sternagel-Petersen).
Ok, ich hoffe es kommt nicht allzu inkompetent rüber, was ich jetzt schreibe, aber auch mit dieser Band konnte ich im Vorfeld relativ wenig anfangen. Aber das was ich vorher angehört hab, ging mir schon gut rein. Geiler atmosphärischer Black-Metal, weiß nicht, ob man das als Post-Black-Metal bezeichnen kann, aber is ja auch egal. Vemod bestehen aus nur drei Leuten und haben 2012 ihr erstes und letztes Album rausgehauen. Vemod bedeutet laut Metal-Archives wohl sowas wie „melancholisches Nachdenken über die Vergangenheit“, aha, na dann. Der Gig geht dann auch soundgewaltig los. Da das Auge ja bekanntlich immer mit isst, muss ich an dieser Stelle allerdings sagen, dass mir die Show so gar nicht gefällt. Mein erster Gedanke war ehrlich gesagt „was ein pretentiöser Mist“ und „na toll, Rollkragen-Black-Metal“. Aber wie bereits erwähnt sind, wir ja total tolerant und so höre ich in erster Linie mal auf das, was da aus den Lautsprechern ballert. Und das ist in der Tat gar nicht mal übel. Wie man das so aus dem Atmo-Black-Metal gewohnt ist, wird hier durch nette Effekte und ständig schrammelnde Gittarre und Bass eine regelrechte Wand an Sound erzeugt. Ich schaue mir das in der gut gefüllten Markthalle vom Tresen oben links aus an und stelle ohne jeden Zweifel fest, dass das wirklich vielen Leuten sehr gut gefällt. Schon erstaunlich was die Soundwucht erzeugt, trotz Rollkragen und Dutt. Auch hier kenn ich die Band zu wenig, um was zu einzelnen Songs zu sagen, aber ich unterstelle mir mal, dass das auch egal ist, da es eher um das Gesamtwerk des Auftritts geht. Nach gut Dreiviertel der Show hab ich persönlich aber auch genug und muss erstmal eine qualmen gehen. Das hat mir alles gut gefallen, aber war schon schwere Kost. Die Meute vor der Bühne feiert das aber weiter ohne Kompromisse. (Janosch Besen.)
Der amerikanische Fünfer hat es wie kaum einen andere Band in den letzten Jahren geschafft, Heavy Metal mit Doom zu fusionieren und mit ihrer Musik Fans aus beiden Lagern zu gewinnen. Seit ihrer Gründung vor fünfzehn Jahren, haben Argus satte vier Longplayer auf den Markt geworfen und es geschafft, mit jedem einzelnen Meilensteine zu kreieren. Gitarrist Dave Watson, der unter anderem auch mal sehr aktiv bei den Thrash Metal Shootingstars Mantic Ritual den Sechssaiter bediente, setzt auch bei der heutigen Show Akzente mit seinem tighten Spiel wie etwa beim Opener „You Are The Curse“ oder „The Damnation Of John Faustus“ von der 2011er EP Sleeping Dogs. Der sympathische und charismatische Fronter Butch singt sich routiniert durch Tracks wie dem epischen „Durendal“ oder dem über elfminütigen „Pieces Of Your Smile“. Als Höhepunkt und Abschluss dieses großartigen Auftrittes schmettert man noch das vom vorletzten Album stammende „Cast Out All Raging Spirits“ und setzt damit noch ein weiteres Ausrufezeichen. Argus beweisen immer wieder, wie toll Heavy Metal und Doom zusammen funktionieren können. Ein wirkliches Highlight des heutigen Tages, was das Publikum genauso sieht und das amerikanische Quintett gebührend mit reichlich Applaus verabschiedet. (Tino Sternagel-Petersen).
Jaaaaaaa, endlich wieder Nifelheim, obwohl so lange ist das ja gar nicht her. Erst im Dezember waren sie auf Tour mit At The Gates und aus meiner Sicht auch da schon das Highlight der Tour. Und so viel schon vorweg: Das werden sie auch heute sein und wohl auch für das ganze Festival bleiben. Die beiden Brüder hatten wohl doch noch ein bisschen Zeit vor der nächsten Maiden-Europatour und haben den Weg in die Markthalle gefunden. Ich verzichte hier mal auf die überflüssigen Infos zu Veröffentlichungen und so weiter, weil das wohl eh jeder der Leser wissen wird. Also geht das Ritual mal wieder los. Ich find das ja immer wieder geil, wie Typen sich für die Bühne parat machen: Geschminkt wie ne Mischung aus Untoter und Mad Max und dazu noch völlig übertrieben viele Nieten und Pentagramme bzw. umgedrehte Kreuzsymbolik. Genau so soll das sein, wenn man so ne Mukke hört. Und der Sound geht einem auch durch Mark und Bein, so dass man aus dem Bangen gar nicht mehr rauskommt. Ausnahmslos jeder Song schneidet sich unter die Schädeldecke und löst pures Chaos und Ekstase aus. Alle Spitzensongs wie „Storm Of The Reaper“, „Bestial Avenger“, „Evil Blasphemies“, „Infernal Flame Of Destruction“ oder auch der neue Kracher von der gleichnamigen Single „Burning Warpath To Hell“ sind dabei. Ich frag mich, ob die überhaupt schwache Songs haben und verneine das sofort energisch. Man man man, wat is dat geil! So gehört sich das für eine Headliner Show. Leider ist viel zu früh Ende, obwohl die Spielzeit bis zum Schluss ausgenutzt wurde. Aber von so ner geilen Scheiße hätte ich auch noch mehr vertragen. Nun gut, für die Fitness am nächsten Tag wohl nicht schlecht. So findet der erste Festivaltag seinen wohlverdienten Feierabend und wir gehen abgekämpft, müde aber mit dem wohl breitesten Grinsen nach Hause. Danke Hell Over Hammaburg, Danke Nifelheim, Danke all ihr tollen Leute, es war mir ein Fest. Bis Morgen! (Janosch Besen).
Tag 2, Samstag, 07.03.2020:
Der zweite Tag steht, genau wie der Vortag auch, unter dem Motto der Vielfältigkeit. So gibt es auch heute wieder eine abwechslungsreiche Reise durch das momentan Angesagteste aus allen Bereichen des Metals. Der Anfang macht heute ein Neuling aus dem Bereich des female fronted Heavy Metal. Midnight Dice aus Chicago haben mit ihrem selbstbetiteltem 3-Track Demo im letzten Jahr für ordentlich feuchte Augen und Hosen gesorgt. Gerade einmal drei Jahre aktiv ist das Quartett um Fronterin Mandy Martillo, die heute sehr „unmetallisch“ gekleidet ist, aber man hat sich schon eine beachtliche Fanbase erspielt, was wohl nicht nur an der Vorläuferband Satan’s Hollow liegt, die in ihrem recht kurzen Bestehen ebenfalls für mächtig Wirbel sorgten. Nun zocken die Amis also auch endlich mal in Deutschland und gleich auf dem HOH, was man wohl als Ritterschlag sehen kann, auch wenn es „nur“ der Openerslot ist. Viel Dynamik bieten Midnight Dice mit ihrem klassischen Heavy Metal und bringen den Saal ordentlich in Stimmung zu dieser frühen Zeit. Die Markthalle ist bereits jetzt schon gut gefüllt, was beweist, dass viele hier mit dieser Band vertraut sind. Mandy ist schon recht nervös, vor solch einem Publikum zu spielen und patzt zweimal beim Gesangseinsatz. Das stört hier aber niemanden, denn Midnight Dice machen mächtig Laune mit ihrem rockigen Heavy Metal. Pfundskerl Jose bringt mit seinem Tieftöner den Boden zum Beben. Wie mein Kollege im Fotograben es einfach auf den Punkt bringt: „Was für ein brutaler Bass“. Dem bleibt nichts hinzuzufügen. Songs wie „Precious Metal“, „Hypnotised“ oder „Laser Tears“ vom kommenden Album gehen gut ins Ohr und machen Lust auf mehr. Aufgrund einer drückenden Blase und dem Drang nach Neubefüllung derselben, verpasse ich den Höhepunkt der Show in Form eines wohl erstklassigen Iron Maiden Covers. Sehr schade, aber ich hoffe, dass ich diesen Vierer bald mal wiedersehe.
Da der Tag doch recht lang werden wird, schenken wir uns mal gleich die nächsten beiden Bands, für die sich auch irgendwie keiner von uns zuständig und berufen fühlt. Zum einen ist dies die Openerband in der kleinen Marx-Halle Horns Of Domination. Das Trio hat vor fünf Jahren ihr Demo veröffentlicht und das war es dann auch laut Metal-Archives. Doomiger Death / Black Metal aus deutschen Landen, der sich auch durch eine interessante und sehr umtriebige Besetzung auszeichnet. So bedient hier beispielsweise Venenum Gitarrist D.P. den Sechssaiter.
Mit kurzem Versatz geht es dann in der großen Halle weiter. Warum die Umbaupausen nicht besser für den Versatz der Bands genutzt werden, versteht hier keiner. Bei der nächsten Band Ultra Silvam aus Malmö guckt zumindest der eine oder andere von uns mal rein und auch hier scheint der satanische Black Metal nicht so recht zünden zu wollen. Aussagen wie: „…mein Staubsauger klingt auch so…“ ermutigen mich nicht gerade, den Weg in die Halle anzutreten. Dennoch soll in der Halle einiges an Publikum zugegen sein.
Jetzt wird genau diese Überschneidung der Bands zum Problem, denn beide Bands sind echte Highlights und für fast jeden mit dem ich rede sehenswert. Dafür spielt im Vorweg eine halbe Stunde in beiden Hallen NIX… Also bin ich wirklich hin und her gerissen. Auf der großen Bühne der Markthalle spielen jetzt Haunt aus dem sonnigen Kalifornien und leicht versetzt im Marx die belgischen Shootingstars Bütcher. Nun gut, mit Schnick, Schnack, Schnuck als Hilfestellung haben wir uns einigen können, wer jetzt was macht. Haunt sind ebenfalls alte Bekannte für uns, haben wir diesen sympathischen Vierer doch gerade erst vor einer Woche ebenfalls auf dem Brofest in Newcastle, England gesehen und dieser war mit seiner arschtretenden Power das Festival Highlight für unseren Joxe und mich. Auch heute scheinen die Jungs keine Gefangenen machen zu wollen und ballern mit „As Fire Burns“ von der 2017er Debüt-EP gleich mächtig los. Die Band überzeugt sofort mit seiner dynamischen Spielfreude und seinem powervollen Stageacting. Gerade Gitarrist und Shouter Trevor vollführt eine komplette Gymnastikshow auf der Bühne. Auch Saitenhexer John hält es nicht immer nur auf der Bühne, so steigt er auch mal auf das Absperrgitter zum Fotograben und feuert von dort aus seine sägenden Gitarrensalven ins Publikum. Auch heute scheinen Haunt in Sachen Energie unschlagbar zu sein. Kracher wie „Run And Hide“, „Fight Or Flight“ und „Mind Freeze“ vom aktuellen gleichnamigen Album lassen das Metallerherz höher schlagen und die Menge ist absolut begeistert. In jeder Pause zwischen den Songs wird die Band mit „Haunt“ Chören bedacht. Da kommt eine Mitsinghymne wie „Hearts On Fire“ gerade richtig und wird dankbar abgefeiert. Was für ein Auftritt des Quartetts, das in Sachen Energiefaktor seines Gleichen sucht. Dennoch schlägt mein Herz auch für die Parallelveranstaltung und ich mache mich auf den Weg zum Marx, wo bereits eine Schlage wartet, um ebenfalls Einlass zu bekommen. So bleibt mir leider nur der sehnsüchtige Blick in die hitzeschwangere kleine Halle und der euphorische Bericht vom Kollegen Janosch. (Tino-Sternagel-Petersen).
Einer der wahrscheinlich am granatenmäßigsten eingeschlagenen Newcomer der letzten ca. anderthalb Jahre sind Bütcher. Obwohl es die Band wohl bereits seit 2002 gibt, wie Metal Archives zu verraten weiß, kam 2017 schon das erste Album „Bestial Fückin‘ Warmachine“ auf den Markt, allerdings habe ich die Band erst 2018 kennengelernt, weil mir der Gitarrist und, wenn man so will, Bandleader KK Ripper beim Muskelrock in Schweden über die Füße stolperte. Als man so ins Gespräch kam, habe ich ihm die „Bestial…“ mal eben noch fürn Zehner auf CD abgenommen. Auf der Heimfahrt hab ich da dann reingehört und eigentlich war relativ schnell klar, dass die Band auf den „Detze“ gehört (kleine Werbung in eigener Sache). Offenbar ging das so einigen Veranstaltern so und somit ging es 2019 richtig steil für Bütcher und sie wirklich viele Festivals spielen durften, zurecht! Im Januar diesen Jahres kam dann die zweite Full-Length „666 Goats Carry My Chariot“, ein Album, das wohl schon so früh im Jahr eines der großen Highlights ist und im Dezember mit Sicherheit in vielen Top-Ten Listen auftaucht. Der Gig findet leider im kleinen MarX statt, sodass man sich da erfahrungsgemäß früh einfinden muss, um nicht wegen Überfüllung von der Security abgewiesen zu werden. Ich bin also 15 Minuten eher da, komme auch noch rein, aber nicht wirklich weit. Sehen tue ich quasi erstmal nix! Scheiße! Dann erlauben sie sich den kleinen Schabernack und lassen als Intro „You Give Love A Bad Name” von Bon Jovi laufen, lustig. Aber dann geht das Chaos los. Die Bühne ist geschmückt mit riesig wirkenden metallischen „Speed Metal Wheels“. Die Jungs sehen auch alle wieder aus wie entweder aus dem Mad Max Streifen oder halt grade aus der KFZ Werkstatt, mit beschmierten Gesichtern. Muss genauso sein! Shouter R Hellshrieker, diesmal im weißen Hemd, das kennt man bereits aus den Videos, die zum Album veröffentlicht wurden. Ich persönlich fand ihn mit dem Priest-Fetzen sonst irgendwie cooler…aber gehört alles zur Show, also passt das schon. Meine Fresse hat der Typ eine Ausstrahlung auf der Bühne, mit dem umgedrehten Kreuz als Mikrohalter und fast ständig über den Bühnenrand zum Publikum gebeugt, fesselt der Typ einfach alle total. Und dazu sitzen seine Screams und Shouts auch noch Bombe. Die ersten drei – vier Songs ballern so geil, dass sich auch langsam das Publikum zurecht ruckelt, ich mal eben irgendwo zwischen den Reihen in die Mitte rutschen kann und auch endlich was sehe. Dazu nur ein Wermutstropfen: Bier is alle. Titel wie „Face The Bütcher“ zündet wie die Sau und das komplette Publikum rastet aus. Später kommt dann auch das Titelstück des neuen Albums, was ein episches Inferno darstellt und trotz seiner Länge auch live total abgeht. Der „Thermo Nuclear Road Warrior“ klingt wie sein Titel, absolut mega abgefahren, voll die Bombe. Sehr geil, dass auch „Electric Executioner“ von der ersten Scheibe noch mit dabei ist. Dann ist leider viel zu früh Schluss. Man muss ja sagen, dass wenn Nifelheim auf nem Festival spielt, eigentlich niemand anders die Nummer eins sein kann. Ich würde aber sagen, dass das Hell Over Hammaburg schon jetzt zwei Nummer eins hat, denn Bütcher waren schlicht grandios. Na, Danke auch. Nur gut, dass ich Die Belgier dreimal live sehen durfte im letzten Jahr. Egal, weiter geht es nach zwanzig Minuten Pause in beiden Hallen mit etwas ganz anderem. (Janosch Besen).
Die nächste Band ist keine unbekannte auf dem HOH mehr. Bereits 2015 konnten sich Besucher in der Hamburger Markthalle ein Bild von den brillanten Livequalitäten dieses virtuosen Gitarristen machen, der die Halle in eine sehr emotionale Atmosphäre tauchte. Mit „Out Of The Dark“ haben Robert Pehrssons Humbucker im letzten Jahr ihr bereits viertes Album an den Start gebracht. Robert ist, wie viele andere schwedische Musiker auch, ein echter Tausendsassa. Das merkt man, wenn man sich seine vergangenen Bands mal zu Gemüte führt: Death Breath, Runemagick, Imperial State Electric, Slingblade, Dagger uvm… Hier steht also ein richtiges Talent auf den Brettern zusammen mit einer Band, die wir schon von der gestrigen Show Joseph Tholls kennen. Eben dieser steht heute auf der Linksaußenposition und macht wie am Vortag einen Superjob. Die Jungs rocken sich straight in Rage und begeistern mit viel Drive und Gitarrensoli am laufenden Band. Mastermind Robert hat sichtlich Spaß an dem Auftritt und stellt mit Tracks wie „Careless Lover“, „Pick Me Up“ oder „Wasted Time“ die Halle auf den Kopf. „Mesmerizing Shadows“ darf dann sogar Joseph Tholl singen und macht seinen Job erwartungsgemäß erstklassig. Ein wirklich unschlagbares Duo diese beiden Ausnahmemusiker aus dem Land der Elche und Selbstbaumöbel. Dass Robert auch noch Sinn für Humor hat, beweist er mit der Ansage: „…falls ich mich an diesem Mikro mit Corona anstecken sollte, war es dieser Auftritt wert…“. Das ist mal eine wirkliches Kompliment an das Publikum. Die Jungs legen sich so sehr ins Zeug und die rund fünfundvierzig Minuten vergehen wie im Fluge, also das Quartett „Travelling Through The Dark“ der letzte Song der Band erklingt. Ein weiteres Highlight des Wochenendes verlässt unter viel Jubel die Bühne. (Tino Sternagel-Petersen).
Wieder mit zeitversetztem Beginn zockten in dem kleinen Marx jetzt ein Highlight des letztjährigen Death Metals: Sijjin. Der Name bedeutet so viel wie der Boden der Hölle im Islam. Damit, dass die Jungs, unter anderem mit Malte und Ivan, die man noch von Necros Christos kennt, so beliebt sind, hatte keiner von uns gerechnet und so mussten wir leider alle Dank späten Erscheinens vor der Tür bleiben mit Dutzenden anderen Interessierten. Das Trio aus der Bundeshauptstadt ist auf den Spuren Morbid Angels unterwegs und veröffentlicht am heutigen Tag ihre Sechs-Track Debüt EP „Angel Of The Eastern Gate“, eine Woche vor offiziellem Release. Natürlich wurde das Teil inklusive zugehörigem Shirt schon zuvor geshoppt. Schade, solch eine Band in der kleinen Markthalle spielen zu lassen. Gerne hätte ich mich von der Livequalität dieser Band überzeugt, was aber von vor der Tür nicht ganz einfach ist. Die Menge geht jedenfalls gut ab und feiert die Jungs aus Berlin ab. Denke, dass Sijjin aber in absehbarer Zeit öfter live zu sehen sein werden. (Tino Sternagel-Petersen).
Mein Fauxpas, dass ich gerne Bütcher UND Haunt reviewen wollte, aber erst am selben Tag merke, dass die gleichzeitig spielen – Profi eben. So mache ich kurzerhand mit Schreiber Kollegen Tino den Deal, dass er Haunt übernimmt und so wird mir die Ehre zuteil, wieder eine Band zu reviewen, die ich vorher noch nie gehört hab. Naja, Blindflug hat ja auch manchmal was. Recherchiert hab ich dann, dass Bellrope eine relative neue Band, gegründet 2016, aus dem deutschen Mannheim sind und im letzten Jahr ihr erstes und einziges Album „You Must Relax“ an den Start gebracht haben. Ich nehme also erstmal meinen Stammplatz in der großen Markthalle ein, oben Links beim Tresen, bewaffne mich mit einer Hopfenschorle und guck mal, was da auf mich zukommt. Die Band hat schon mal allein vom Line-Up die Besonderheit, mit zwei Bassisten und nur einem Gitarristen aufzutreten. Hab ich so auch noch nicht gesehen. Die Vier-Mann-Kapelle ist, wohl wegen der zwei Bässe, ganz schön soundgewaltig. Wenn es kein Kapuzen-Black-Metal ist, dann ist wohl so ne Mukke ziemlich typisch für das Hell Over Hammaburg: Sehr, sehr doomig und für mich im ersten Moment aber mit starkem Black/Heavy Einschlag, vielleicht bin ich aber auch der einzige, der das da raushört, weil ich ja sonst mit Doom überhaupt nix am Hut hab. Das hier geht mir aber ganz gut rein. Irgendwann muss ich jedoch feststellen, dass mir zwei Bässe doch einer zu viel sind, weil man die Gitarre überhaupt nicht hört, zumindest da wo ich stehe. Ich seh, dass der Typ sich da total einen zurecht frickelt und voll darin aufgeht, aber ich hör ihn nicht, weil ich nur Drum-Geballer und Bassgeröhre um die Ohren bekomme. Nach zwei Dritteln des Gigs, laut Setlist, bekommt die Musik für mich aber etwas Längen und ich entscheide, lieber jetzt schon raus zu gehen, so lange mir die Musik noch gefallen hat, bevor ich denke: „Jetz is gut, Jungens“. Aber ich lasse nochmal meinen Blick durch die Markthalle schweifen und merke, dass da doch echt sehr viele Fans erschienen sind und das auch weiterhin hart abfeiern. Doom ist für die Leute, die da drauf stehen, echt eine absolute Offenbarung, das merke ich immer wieder, leider komm ich nicht so richtig rein. Aber Bellrope haben mir dabei geholfen auch diese Art von Musik zu genießen und ich werde da auch nochmal reinhören, wenn ich zu Hause bin. Gute Band, amtlich reingedonnert, Gitarre nächstes Mal lauter, aber insgesamt weiter so. (Janosch Besen).
Währenddessen im Marx: Eines der absoluten Highlights im Black Metal war letztes Jahr die bei Vendetta erschienene LP “Kara Ihlas” von Imha Tarikat. Dementsprechend bin ich schwerst gespannt auf eine Livedarbietung. Im kleinen überfüllten Marx war der Sound allerdings ziemlich dünn und matschig und es dauert, bis die Jungs aus den Puschen kommen. Imha Tarikat haben Drive, coole Melodien und verzichten auf den üblichen Mummenschanz und okkulten Schnickschnack, was man ja inzwischen mal ganz erfrischend finden darf. Live darf gerne noch ne Schüppe draufgelegt werden. Die Platten sollte man sich auf jeden Fall mal anhören, so Black Metal auf der Speisekarte steht. (Bert Meierjürgen).
Es geht auf die Zielgerade und mit The Gates Of Slumber gibt es ein seltenes Highlight auf die Augen und Ohren… Nun, auch wenn ich immer sage, dass ich Doom nicht leiden mag, so muss ich doch immer revidieren, wenn es um The Gates Of Slumber geht. Wieso? Keine Ahnung, die kriegen mich einfach irgendwie. Da ich die Band erst zu spät für mich entdeckt habe, gab es nie die Chance, sie live zu sehen. Bis jetzt, das Hell Over Hammaburg hat es mal wieder geschafft: Offenbar extra für dieses Festival hat Karl die Band wieder ins Leben gerufen und sie wollen hier zum ersten Mal wieder live performen. Von 2004 bis 2011 haben Gates Of Slumber aber auch schon ordentlich Veröffentlichungen auf der Uhr: ganze fünf Alben haben sie rausgehauen. Bereits im Vorfeld des Gigs habe ich von vielen in Gesprächen gehört, dass The Gates Of Slumber das absolute Highlight werden könnte und sich da sehr viele total drauf freuen. Ich lag also mit meinem Gespür nicht allzu falsch und die Jungs und Mädels, die da größere Fans sind als ich es bin, versammeln sich auch zahlreich vor der Bühne. Und das Konzert schlägt ein wie ne Bombe, wie zu erwarten eine doomige Angelegenheit, aber mit saustarken Riffs und nem total prügelndem Schlagzeug. Voll auf die Fresse. So gefällt sogar mir Doom-Metal. Das ist schon wirklich beeindruckend, wie man mit drei Mann so ne Wucht auf der Bühne erzeugen kann. Die Show kommt ohne viel Schnick-Schnack aus und überzeugt allein durch das musikalische Können der Musiker. Karl ist wunderbar bei Stimme und der Sound passt total. Ich bin bei den Songs nicht so textsicher, aber ungefähr tausend andere in der Halle schon und es gehen ordentlich Fäuste dazu in die Luft. Ich langweile jetzt hier niemanden mit einer Aufzählung von tollen Stücken, die sie gespielt haben, weil für mich da auch keines so richtig heraussticht. Da sind eigentlich alle live gespielten Songs cool. Die Gesamtshow überzeugt einfach total. Um die Veranstalter zu zitieren: „The Gates Of Slumber haben nach ihrem Auftritt Blut geleckt und wollen es nochmal wissen. Also werden die Karten in der Champions League of Doom künftig neu gemischt!“ Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen und von hier aus absolute Zustimmung. Schön, dass wir behilflich sein konnten, der Band wieder Lust und Laune am Weitermachen zu bereiten. (Janosch Besen).
Etwas gänzlich anderes wird jetzt als Headliner im Marx dargeboten. Dänemarks Instrumental-Spacerock Finest Mythic Sunship reisen leider ohne das Saxophon an, das die wunderbare LP “Another Shape Of Psychedelic Music” so veredelt hatte. Tut der ganzen Chose aber keinen Abbruch. Der wahnwitzige Wirbelsturm, den der Vierer im kleinen, nur noch spärlich gefüllten Marx entfacht, ist ohnegleichen. Spielfreude und Dynamik par excellence, mal leise, meistens mächtig und laut. Einfach wunderbar. Mythic Sunship verbreiten mit ihrem Post Anaconda Rock, wie sich das dänische Quintett selber kategorisiert, eine bombastische Stimmung. Die phychedelisch Jazz infused Kopenhagenband kann bereits auf fünf Longplayer zurückblicken, was den Dänen wohl mit ihrer Musik recht gibt, auch wenn ihre Nische recht klein ist. Wurde auch Zeit, dass der Hawkwindsche Spacerock mal mit Jazzrock Attacken a la Mahavishnu Orchestra und hendrixscher Psychededelic aufgefrischt wird. Mein absolutes Highlight des Hell Over Hammaburg – mit deutlichem Abstand. Die, die da waren, hatten glänzende Augen. Der Rest hat da definitiv was verpasst. (Bert Meierjürgen).
Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen und auch für mich durfte ich gerade an etwas wirklich Grandiosem teilhaben und so fällt es mir doch etwas schwer, mich jetzt nochmal auf den Headliner des Festivals zu konzentrieren. Aber nach etwa anderthalb Jahren haben die Epic Helden Visigoth endlich mal wieder den Weg nach Hamburg gefunden. Dass die Halle gut gefüllt ist, ist natürlich selbstverständlich. Der charismatische Fronter Jake ist heute wieder gut bei Stimme, nachdem der letzte Auftritt 2018 im Bambi Galore gerade von den Ansagen her doch teilweise etwas gequält klangen. Heute ist alles anders und die Jungs aus Salt Lake City in Utah zeigen von Beginn an, warum sie so hoch im Line Up stehen. Visigoth sind einfach grandios, gerade live kommt so viel Energie rüber, dass es der Wahnsinn ist und seines Gleichen sucht. Die letzte Setlist des Abends eröffnet der Fünfer fast pünktlich mit dem Kracher „Steel And Silver“. Ab da gibt es kein Halten mehr, weder für die Menge, noch für den dynamischen Fronter, der mit Nietenarmbändern, -gürtel und einem coolen ADX-Shirt ein optischer Hingucker ist. Auch beim folgenden „Dungeon Master“ legt Jake eine beeindruckende Bühnenperformance hin, wobei er sogar den Fotograben überwindet und auf dem Absperrgitter immer wieder sein Mikro in die Menge hält. Was für eine Power und die Band wirkt inzwischen sehr routiniert. Nach „Mammoth Rider“ ehren Visigoth den 2018 verstorbenen Mark Shelton mit einem Hammer „Necropolis“ Cover. Ein wahrer Gänsehautmoment als die halbe Halle mitsingt. Weiter geht es dann mit „Fireseeker“, „Warrior Queen“ und „Vengeance“. Die Halle brennt förmlich und bis in die letzten Reihen sieht man Metaller die mitsingen, bangen oder ihre Fäuste in die Höhe reißen. Visigoth haben es einfach im Blut, das Publikum mitzureißen. Auch bei „Hammerforged“, „Final Spell“ und besonders dem rollenden „Iron Brotherhood“ herrscht eine wirklich epische Stimmung in der Markthalle. Diese wird etwas unsanft unterbrochen, als erst Tieftöner Matt mit technischen Problemen die Show unterbricht und dann auch noch Gitarrist Jamison. Jake versucht diese Pause souverän zu überbrücken, obwohl er selber von sich behauptet, dass dies nicht seine Stärke ist. Inzwischen kündigt er schon mal den nächsten, noch nie live gespielten Song „From The Arcane Mists Of Prophecy“ an. Diese Pause ist leider ein wirklicher Stimmungskiller und für viele ist heute der dritte Festivaltag in Folge und Erschöpfung macht sich breit. Auch „The Revenant King“ kann da nach der zweiten technisch bedingten kurzen Pause nur noch wenige ermutigen. Lediglich „Traitor’s Gate“ kann noch ein letztes Mal etwas Stimmung in den Laden bringen, bevor dann nach insgesamt neunzig Minuten wirklich Schluss ist und das sechste Hell Over Hammaburg somit Geschichte. Visigoth war ein würdiger Headliner, auch wenn für mich persönlich alles irgendwie etwas glatt wirkte.
Unter dem Strich bleibt wie immer ein tolles Wochenende in einer der traditionsreichsten Locations, die Hamburg zu bieten hat. Ein abwechslungsreiches Billing, mit der einen oder anderen Neuentdeckung, sowie viele alte und neue Freunde aus der ganzen Republik, die man mal wieder gesehen hat. Wir freuen uns jedenfalls jetzt schon auf das kommende Jahr und pflegen nun erst einmal unsere müden Körper. (Tino Sternagel-Petersen).
Autoren: Tino Sternagel-Petersen, Bert Meierjürgen, Janosch Besen
Pics: Tino Sternagel-Petersen, Janosch Besen