Andernach Metal Days (Tag 1)
Andernach, Juz, 05.05.2023
Wenn wir das nächste Mal zum Juz auf Konzert fahren, nehmen wir Klamotten für drinnen UND draußen mit, denn dass die Andernach Metal Days nun auf dem Gelände hinter der Halle als Open Air stattfinden, wussten nicht alle. Man hat wohl etwa vor zwei Wochen dazu den Entschluss gefasst. Na gut, Temperaturen um die zwanzig Grad und die paar Tropfen Regen können Metaller nicht vergraulen, und so geht es um zwanzig vor fünf mit einer Band los, die sich In From The Storm nennt. Steht auch auf ihrem Backdrop, aus dem ein Frontdrop wurde, denn das haben die Jungs, die einst als Parasite unterwegs waren, vorn von der Bühne herabhängen lassen. Ob für ihren jetzigen Bandnamen der gleichnamige Song von Jimi Hendrix Pate stand, kann man von der Mucke her nicht behaupten. Denn es wird einfach auf kernige Riffs und roughe Shouts gesetzt. Wenn es grad nicht doomig mit penetrant viel Bass ist, dann ist es einfach und straight mit sehr viel Bass. So eine Tempoanhebung wie die in „Bloodshed Of Saints“ kommt schon geil, aber der erste Ruck geht in diesen vierzig Minuten noch nicht durch die Menge. Auch nicht durch das Venom Cover „Too Loud For The Crowd“ oder „Morbid Tales“ von Celtic Frost. Bei den paar Leuten, die jetzt schon da waren, war leider nur ein Anstandsapplaus drin.
Die Hälfte des heutigen Billings besteht aus einem Tourtross, auf dem Savage Existence aus Costa Rica für Sanhedrin und Ross The Boss eröffnen. Die sympathischen und ziemlich gut gelaunten Deathgroover müssen heute nicht den Opener stellen und beginnen zeitig mit ihrem Programm, das mir schon vor dem Gig von der Mercherin stark empfohlen wurde. Auf jeden Fall hat der Fünfer schon mal gesteigerten Wert auf gepflegteres Äußeres gelegt und trumpft mit sehr bewegungsfreudigem Acting auf. Die Abwechslung in Rhythmen und Melodien wird groß geschrieben und sie machen und tun. Das kommt bei einem kleinen Teil der Audienz auch gut an, denn die ersten Reihen des sich noch füllenden Geländes werden langsam wach und kommen in Bewegung. Es wird jeder Song brav angesagt, doch weitere Interaktionen mit der Audienz finden noch nicht statt. Soundmäßig kommt der Death Metal für uns jedoch eine Spur zu modern.
Das soll sich mit der nächsten Band ändern. Die New Yorker waren bereits in unseren Landen wie auf dem Hell Over Hammaburg zu Gast, haben live einige Freunde gefunden und man sagt, es wäre Sahne drin. Tatsächlich überzeugt der hardrocklastige Metal von Sanhedrin heute ziemlich eindeutig. Für den Fuffi, den wir für das heutige Tagesticket gelöhnt haben, bekommen wir nun die erste Band, die richtig gut gefällt. Denn die machen nicht nur einen ziemlich soliden Job, sondern zeigen sich authentisch und überzeugen. Das können wir sagen, auch wenn die Band nicht zu den persönlichen Favoriten zählt. Die schulterfreie Weißbassistin ist Erica, von der im Moment alle Fachpages voll sind. Sie gibt sich fannah und wird auch später noch im Publikum angetroffen, wie auch eine Kleintruppe örtlicher Patrioten wie Gitarrist Kuschke. Die Spielzeit von fünfzig Minuten wird mit „Massive Deceiver“ von der „A Funeral For The World“ abgeschlossen und von alle ihren Auftritten, denen wir beiwohnen durften, war dieser hier heute der beste.
Die Entwicklung bei Evil Invaders gefällt ziemlich gut. Es geht etwas weg vom panischen Speedperformances und hin zu mehr Ausgewogenheit und Qualität, auch im Songwriting. Das haben wir von ihnen im März vor Warbringer in Essen schon erleben dürfen und sind etwas genauer drauf eingegangen. Nicht viel anders erleben wir den Auftritt des Quartetts auch heute, nur dürften die Vocals etwas lauter abgemischt werden. Natürlich dürfen wir wieder „In Deepest Black“ schon früh im Programm erwarten, eine langsamerer Song, ohne dass schon eine Entspannungsphase im Set notwendig gewesen wäre. Bei den Belgiern ist neben den hektischeren Speedphasen inzwischen mehr Ausgewogenheit Trumpf, allerdings auch weniger Gekreische. Und selbstredend drehen sich die Bandinitialen an den Mikrofonständern wieder. Zwischen Rauch und Funkensäulen werden zum Finale noch mal alle Posen durchexerziert und wir sprechen von einer Dreiviertelstunde mit hohem Unterhaltungswert!
Kommen wir nun zum hymnischeren Kapitel. Mister Ross The Boss liefert uns als der Gitarrist der ersten sechs Manowar Platten mit seiner neuen Truppe durch diese Werke einen kleinen Querschnitt. Mit der Engl-Verstärkerwand im Rücken bekommt er einen rohen und kalten Sound hin, da rasseln die Säbel. Überhaupt klingt alles viel rougher und nicht pompös aufgepimt, ohne großes Trara oder Dramatik durch längere Pausen, wie die Songs heuer bei Erich und Josef klingen. Hier wird mehr der alten Schule gehuldigt, wo die meisten Fans dieser Songs auch herkommen. Bei Ross The Boss ist alles bodenständiger und einen Song wie „Battle Hymns“ dürfen wir schon früh im Programm abfeiern. Erwartungsgemäß wurde die erste Textzeile von „Kings Of Metal“ abgeändert und lautet jetzt: „Here We Are, Here We Are, Living On The Road“. Übrigens dürfen wir an dieser Stelle noch erwähnen, dass Shouter Marc nun auch bei Metal Church singt, wo er mit seiner Stimmfarbe auf deren neuem Album sehr gut reinpasst. Dann Muss auch noch Tausendsassa Mike Le Pond am Bass erwähnt werden und wegen der Vollständigkeit noch Drummer Steve von Them. Damit haben wir schon keine kleine Supergroup vor uns, die sich fanfreundlich und bescheiden gibt, aber völlig selbstbewusst Knaller wie „Black Wind, Fire And Steel“ raushaut. Sehr kurzweilige Angelegenheit, gerne wieder!
Wir empfinden es als angenehm, bereits viele Destruction Shirts auf dem Gelände gesehen zu haben. Sicher auch noch ein Verdienst von Gitarrist Mike, der inzwischen ausgestiegen, bevor die Band auf Quartettstärke angewachsen ist. Müßig zu erwähnen, dass sich Songs wie „Nailed To The Cross“ und „Release From Agony“ auch mit der Spielfreude auf die Audienz übertragen. Die Süddeutschen sind genau der richtige Headliner für ein Festival wie dieses, gemessen am Härtegrad und am Mitmachfaktor der Fans. Außerdem glauben wir, Destruction stehen auf Overkill, so häufig sie in grünes Licht getaucht werden. Alle Bretter sind auf beiden Seiten zu sehen, Schmier begrüßt uns zum offiziell ersten Open Air des Jahres und singt in jedes Mikrofon. Besonders die Gitarristen wechseln häufig die Seiten und treffen sich zum Synchronposen. Es striket der Butcher Back und die Gods werden gecursed, die Menge bewegt sich mit sanftem Gerempel. Doch bei „Bestial Invasion“ bricht voll der Pit aus. Währenddessen wechseln so einige 0,3er Pilsbecherchen für vier Euro den Besitzer, das Wasser in gleicher Größe für drei. Etwas Leitungswasser zur Einnahme einer Tablette wurde leider verwehrt. Und weil das Billing vom heutigen ersten Festivaltag noch Heringe von Teller gezogen hat, was wir im Gegensatz dazu vom morgigen zweiten mit Evergrey, Dark Tranquillity, Memoriam, Majesty, Moontowers, Hammer King und Temperance weniger erwarten, verdünnisieren wir uns schon mal, sparen uns die Kohle für nächstes Jahr und wünschen allen alles Gute!
Autor & Pics: Joxe Schaefer