ANVIL, WECKÖRHEAD, THE MORTIS

Leer, Zollhaus, 04.10.2019


Als oller Motörhead-Maniac bekomme ich vor einer Weile einen YouTube-Link und einen lachenden Smiley geschickt. Weckörhead? Nie gehört … Angesichts des Smileys vom Absender wahrscheinlich so eine dieser ganz schlechten MH-Coverbands. Aber was ich da sehe, finde ich sofort mehr als interessant. Motörhead mit deutschen Texten? Geht das? Das geht! Und das geht so gut, dass ich die Band unbedingt mal live sehen will. Meine Recherche ergibt, dass sie zwar in der nächsten Zeit nicht hier in der Rhein-Ruhrmetropole auftreten, aber dafür in Leer / Ostfriesland, zusammen mit Anvil. Wenn das mal keine Reise wert ist … findet natürlich auch sofort mein Kumpel Eulö, der als eingefleischter Anvil-Fan nicht nur einen signierten Backpatch der Kanadier auf seiner Kutte trägt, sondern (Überraschung!) sogar schon die LP von WECKÖRHEAD geordert hat. Mit Hacki aus Köln und Cyllö aus Velbert finden sich rasch zwei weitere Freunde, die uns auf unserer „Kaffeefahrt nach Ostfriesland“ begleiten.

Als erste Band des Abends sehen wir The Mortis. Sie schreiben selbst auf ihrer Facebookseite, dass sie sich schwer einordnen lassen. Rock bis Heavyrock ist es, ja. Das beschreibt es wohl ziemlich gut. Die Meinung von Hacki aus Köln: „Jeder für sich war gut…“ Und ja, die Soli waren anständig, die Riffs haben gut gebraten, aber insgesamt bin ich persönlich mit The Mortis nicht warm geworden. Gerade auch die Vocals von Sänger Markus Burke fand ich sehr gewöhnungsbedürftig. Das hatte irgendwie was punkiges, aber der Vergleich mit Glenn Danzig, den irgendjemand neben mir aufbrachte, hinkte meiner Meinung nach doch gewaltig. Aber wenn ich persönlich mich mit The Mortis nicht so wirklich anfreunden konnte, heißt das nicht, dass es nicht Leute im Publikum gab, denen der Auftritt der Band aus Sögel gefallen hat. Sagen wir mal so: wir waren nach dem Auftritt zumindest warm.


Danach wird’s für mich spannend. Können Weckörhead den erstklassigen Eindruck, den sie im Netz auf mich gemacht haben, bestätigen? Weckörhead sind eine Motörhead-Tribute-Band, das ist wohl unübersehbar. Aber Weckörhead sind anders! Das fängt schon damit an, dass sie im Gegensatz zu anderen Motörhead-Coverbands zu viert auf der Bühne stehen. Wie Motörhead selbst zu den guten alten Würzel-Tagen. Und das geht weiter mit den Texten. Motörhead auf deutsch? Ja, das funktioniert! Und wie! Das macht richtig Spaß, wenn Bassist und Shouter Wecker „Am Tod Krepiert“ (“Killed By Death”) oder in feinster Prollhead-Rauch-auf’m-Wasser-Manier „Das Pik-As“ (“Ace Of Spades”) besingt. Manche der Texte sind eher frei übersetzt „Nach Rio” (“Going To Brazil“) oder erzählen wie „In Osnabrück“ („Metropolis“) von eigenen Erlebnissen des Übersetzers. Und was Weckörhead für mich am meisten von anderen Motörhead-Coverbands unterscheidet: die Jungs wollen Lemmy & Konsorten gar nicht 1:1 kopieren! Weder optisch (Originalton Wecker im persönlichen Gespräch: „Ich glaube nicht, dass die angeklebten Warzen dem da oben gefallen würden.“) noch musikalisch.

Letzteres war schon in den Videos, die ich vorab gesehen habe, und auf der „Taub Für Immer“-LP, die ich mir zwischenzeitlich geordert hatte, mehr als deutlich zu erkennen. Wecker hat erstklassige Musiker um sich geschart, die das Original nicht Ton für Ton nachspielen, sondern ihren eigenwilligen Stil in die Performance mit einbringen. Die Gitarristen Mitch und Rico rocken und rollen, was das Zeug hält und die Rhythmusabteilung mit Wecker himself am Rickenbacker-Bass, sowie dem glänzenden Jörg Uken (wesentlich bekannter als Produzent) an den Fellen, geben dem ganzen den Groove, den ich als großer Fan nur als absolut „motörheadig“ bezeichnen kann und der mir seit den Tagen des großen Originals nicht mehr so geil in Knie und Headbanger-Nacken gegangen ist. Großes, großes Kompliment! Ich habe mich bis zur letzten, verklingenden Rückkopplung von „Overkill“ bestens unterhalten gefühlt. Wenn danach nicht noch Anvil gekommen wären, hätte sich unsere „Kaffeefahrt“ in den Norden jetzt schon mehr als gelohnt!


Beste Unterhaltung, das boten im Zollhaus Leer zweifellos auch die Headliner Anvil. Die kanadische Band, die seit dem Anvil-Movie auch viele der jüngeren Fans kennengelernt haben, weilte gerade sechs Wochen in Ostfriesland, denn sie hat soeben die Aufnahmen für ihr neues Album in den Soundlodge Studios abgeschlossen. Sänger und Gitarrist Lips kündigte denn auch für 2020 über 100 Konzerte in ganz Europa an. An diesem Abend durften aber erstmal wir vier aus dem Rheinland und knapp 400 weitere Fans, die in vielen Jahren nicht gerade vom Glück verfolgten Heavy Metal-Legenden aus Toronto erleben. Und wie mein Kumpel Eulö vorab schon bemerkte: „Ich habe Anvil an die zwanzigmal live gesehen und es war kein einziger schlechter Auftritt dabei!” Auch an diesem Abend sprühten Lips und seine beiden Mitstreiter nur so vor Spielfreude. Der großartige Robb Reiner am Schlagzeug, den sogar Lars Ulrich von Metallica als sein großes Vorbild bezeichnet und der Glücksgriff Chris Robertson am Bass, der seit 2014 optisch wie auch musikalisch die beiden dicken Freunde Robb und Lips zum heutigen Trio komplettiert.

„Bad Ass Rock ‘n’ Roll“! Das ist das, was die Leute an diesem Abend von Anvil erwarten und das bekommen sie. Lips mit seinem typischen, breiten Grinsen im Gesicht, dem man schon von Weitem ansieht, dass dieser Mann einfach einen Höllenspaß an dem hat, was er macht. Rock ‘n’ Roll ist sein Leben, das weiß man, wenn man den Anvil-Film gesehen hat und das merkt man sofort. Und Lips erzählt zwischen den Songs seine Anekdoten. Das darf noch lange nicht jeder Sänger auf der Bühne. Lips darf das! Denn dieser Mann hat viel erlebt und man amüsiert sich köstlich, wenn er von der Tour mit Motörhead erzählt, bei der sich Brian Robertson an der Hand verletzte und anschließend mit rosarotem Verband auf die Bühne stieg. Oder von Ozzy, für den der Anvil-Film nach eigener Aussage eine „Inspiration“ war, die laut einem lachenden Lips vielleicht ja dazu führte, Black Sabbath wieder zu vereinen.

Aber hier werden nicht nur Anekdoten erzählt, hier wird auch erstklassiger Heavy Metal gespielt. Mit einer Schlagzeug-Legende, die in unverwechselbarer Jazz-Haltung und mit konzentrierter Miene wie ein Uhrwerk funktioniert. Und einem Bassisten, der, wie bereits erwähnt, ebenfalls ein echter „Typ“ ist und somit nicht nur musikalisch bestens zu den beiden alten Freunden passt. „Metal On Metal“, „Forged In Fire“, „Bitch In The Box“ … die Menge bekommt, wonach sie verlangt und Anvil beschließen, nachdem Lips natürlich seine Gitarre mit dem unvermeidlichen Vibrator ausgiebig malträtiert hat, mit mehreren Zugaben und „Born To Be Wild“ einen starken Auftritt, der den Abend mehr als würdig beendet. Das hat einfach Spaß gemacht und vier Außerfriesische fahren bestens bedient zurück in die rheinische Heimat.

Autor & Pics: Wolfgang Haupt