ATTIC, CHAPEL OF DISEASE, VULTURE
Attic Releaseshow “Sanctimonious”
Essen, Turock, 26.08.2017
Der große Tag nun für Attic. Das neue Album “Sanctimonious” ist seit einer Woche draußen und erfreut sich guter bis sehr guter Kritiken. Wer noch immer kein Ohr riskiert hat, kann sich bei Youtube das offizielle Video zu “The Hound Of Heaven” reinziehen, neben einigen Lyrikclips des neuen Albums. Das sonnig warme Wetter passt so gar nicht zum heutigen Event, verhindert aber frühzeitiges Gedränge am Einlass.
Etwas im Schatten zum heutigen Gastgeber stehen Vulture, die mit “The Guillotine” ebenfalls ein brandneues Album mitbringen, ihr mit Spannung erwartetes Debütalbum. Was sich mit ihrer EP “Victim To The Blade” und den zahlreichen Liveauftritten durch eigenwilliges und dadurch ansprechendes Speedchaos anbahnte, setzt sich nun konsequent fort. Daher wird es für die Speedmetaller auch eine gar nicht mal so klein geratene Releaseparty, sich vor passendem Publikum zu präsentieren. Denn wir hatten das Gefühl, so dicht wie zu Vulture wurde es vor der Bühne an diesem Abend nicht mehr. Als sie Punkt 19:30 Uhr loslegen, passiert die Menge jetzt doch den Einlass, obwohl es draußen noch sehr schön ist. Es gilt, nichts von den Speedmetallern, die mit “Vendetta” losschmettern, zu verpassen. Obwohl Gitarrist Stefan die Haare ab hat, wird noch lange nicht weniger gebangt. Schließlich heißt es Head- und nicht Hairbanging. Vulture kriegen den Laden gut aufgemischt, denn die Menge lässt sich von den high-pitched Beats anstecken. Alle jene Fans, die diese aufstrebenden Jungs schon mal live gesehen haben, wissen bereits um die Leder- und Nietenoutfits, die einheitlich roten Gitarren und einem von hohen Tempi bis zur Unkenntlichkeit verblasener Version von Judas Priests “Rapid Fire”. Nur mit dem Novum, dass diesmal die Zuschauer eines sehr gut gefüllten Ladens beeindruckt werden, denn erst nach dem letzten Ton der gespielten vierzig Minuten werden die Ausgänge aufsucht. Und nein, ihr Erbsenzähler, das Backdrop hängt nicht schief, der Logodruck muss so!
Viele Konzertbesucher behaupten, sich dieses Package nicht entgehen lassen zu wollen und freuen sich besonders auf die nächste Band. Das sind die Kölner Chapel Of Disease, die ebenfalls an diesem feierlichen Event aufspielen dürfen. Gitarrist und Shouter Laurent war an der Entstehung von Attics neuem Album beteiligt, hat er doch zusammen mit Mersus für den Mix und das Mastering die Regler geschoben. Da war eine Einladung für dieses besondere Konzert doch naheliegend, ein feiner Zug. Und ein Gelungener dazu, wie sich alsbald herausstellt. Auch der Verfasser dieser Zeilen hat keine der drei Bands des Billings so lange nicht mehr live gesehen wie diesen Vierer und ist sehr gespannt. Ihr ergreifendes Bollwerk aus Death Metal und tiefen Melodien reißt unweigerlich mit, wie in “Lord Of All Death”. Jetzt weiß ich wieder, was ich vermisst habe. Mag der etwas sehr lange Solopart von Laurents Gitarre im eh schon epischen Titeltracks vom grandiosen jüngsten Album nicht jedem munden, so trägt es in diesem Zehnminüter “… Of Repetitive Art”, dem abschließenden Herzstück des Sets, doch zur erforderlichen Atmosphäre bei. Durch ihre Mixtur aus Harmonie und Arschtritt ernten die Rheinländer nur positive Reaktionen, und siehe da, nach dem letzten Ton gipfelt das in respektablem Applaus amtlichen Ausmaßes. Wahrlich kein Wunder bei der Hammerperformance, die ich mir so täglich geben könnte. Diese COD-Auffrischung tat sehr gut, hoffentlich kommt von den Jungs bald wieder mehr! Meine Fresse war der Abend geil bis jetzt, aber der Sahneteil kommt erst noch. Und soviel vorweg: Dem Gesamtkunstwerk Attic gebührt samt seiner Leistung bis ins Detail größter Respekt!
Es ist 21:35 Uhr, der Umbau mit dem Kirchenmobiliar ging schon recht fix, da fällt der imaginäre Vorhang für die Show von Attic. Im Vorfeld unter den Fans noch diskutiert, wie lange die Jungs als Headliner wohl spielen werden, soll nach Aussage von Meister Cagliostro die Marke von neunzig Minuten angepeilt werden, die sie erst einmal geknackt haben, nämlich auf dem Break The Ground Festival 2013. Letztes Mal hier im Turock haben die bekennenden Soundalikes von King Diamond das alte Kino völlig eingeräuchert, dass die Thekenbedienung in der ersten Etage schon nach Luft schnappend am Fenster hing. Diesmal qualmt es vom Altar vorm Drumkit aus etwas weniger, jedoch Meister Cagliostro parkt seine Hansa-Pilsdose darauf, was dort zwischen den anderen Utensilien wie Kerzen, Räucherzeug und Schädel vielleicht nicht ganz im Kontext steht, aber mit Humor genommen wird. Ebenfalls mit Freude aufgenommen wird seine bekundete Absicht, das neue Album am Stück spielen zu wollen. Also wird nach den Mitgehnummern des Titeltracks, “A Serpent In The Pulpit”, dem markanten “Penalized” und dem eingängigen “Sinless” also auch “Die Engelmacherin” an der Reihe sein. Dass ausgerechnet jetzt in diesem Favoritensong vieler Fans eine Gitarre ausfallen musste, ist schon etwas Schade, wird jedoch verschmerzt.
Robert tauscht flugs seine Klampfe und nach dem erstem Akt wird der Fluss des Albumkonzepts unterbrochen. Es geht zurück zum Debütalbum mit dem Titeltrack “The Invocation”, gefolgt vom Riesenzünder “Join The Coven”, die beide stehenden Fußes wie bescheuert abgefeiert werden. Keine Klagen gibt es an den sicheren Vocals in jeder Lage und auch nicht am Werk des offensichtlich gut eingearbeiteten Neudrummers J.P.. Ein paar Spielfehler seitens der Bretter, auch ursächlich wegen der Tauschgitarre, geschenkt. Dazu mag der Gesamtsound nicht perfekt gewesen sein, allerdings auch nicht wirklich beklagenswert. Die Menge feiert den Oldschoolmetal ihrer Helden, die zeitbedingt mit dem definitiv bekannten “Satan’s Bride” und dem saumäßig abgefeierten “The Headless Horseman” in einem grandiosen Finale nach fünfundneunzig erhabenen Minuten ihr Auftrittsende finden müssen. Mit Attic wird es noch lange kein Ende haben, sondern es geht weiter nach oben, weil sie sich den Weg in diese Richtung mit Schweiß und Blut geebnet haben!
Autor & Pics: Joxe Schaefer