Awaking Corpses Vol. VII

Hamburg, Kulturpalast, 02.11.2019


Der letzte Tag unseres viertägigen Konzertmarathons führt uns wieder an den Anfang, den Kronensaal des Kulturpalastes in Hamburg Billstedt. Sehr viele haben heute den Weg in den Süd Osten der Elbmetropole gefunden, um dem von Roadmaster Booking veranstaltete Death Metal Hightlight beizuwohnen. Von Konzertmüdigkeit ist kaum etwas zu merken und alle freuen sich gespannt auf einen bunten Death Metal Strauß mit alten Bekannten. Das Knallerpaket Benediction, Sinister, Incarceration und Dawn Of Obliteration beim großen Bruder von unserem kleinen Lieblingsbambi, dem Kulturpalast zu Billstedt!

Den undankbaren Job des Openers übernehmen die Lokalmatadore von Dawn Of Obliteration, die zum ersten Mal auf der großen Bühne des Kulturpalastes stehen. Souverän und routiniert zocken sich die Jungs durch ihre gut dreißigminütige treibende Old School Death Metal Setlist, beginnend mit dem Nackenbrecher der 2013er EP „Bloody March For Victory“. Zu „Ruins Of My Memories“ fliegen die ersten Haare im Zuschauerrund und die Stimmung macht sich auf den Weg nach oben. Die schon gut gefüllte Halle feiert die lokalen Dawn Of Obliteration zu Recht ordentlich ab. Die Band machen ihren Einheizerjob erstklassig und mit „Drown In Silence“ gibt es gleich den nächsten Kracher vom 2019er Demo. Fronter Flupp ist sichtlich beeindruckt von der Bühnengröße, spielt man sonst doch auf der kleineren Bambi Bühne. Als I-Tüpfelchen dieses Auftrittes legt man mit „Crown Of All“ ne Schippe zu und überzeugt auch damit alle Anwesenden auf ganzer Linie. Nach der starken Show des Quintetts haben die Jungs Zeit, mit den Fans im Publikum das ein oder andere kühle Getränk zu sich zu nehmen – verdient haben sie es sich mehr als redlich. (Tino Sternagel-Petersen).


Lange haben wir uns gedulden müssen, unseren Grinsebär Daniel mit Incarceration wieder auf der Bühne in Hamburg zu sehen. Die mittlerweile ja nur noch aus zwei Mann bestehende Combo macht dann auch gleich fleißig Lärm und zwar für zehn. Man munkelt jedoch, dass bald wieder eine dritte Person mitmachen wird…warten wir mal ab, jetzt erstmal Verstärker auf elf gedreht und ab die Post! Schlagzeug für die Headliner Bands mal schnell mit dem eigenen Banner abgehangen und die eigene Schießbude davor aufgebaut, die insgesamt eh großzügige Umbaupause also optimal genutzt. Dass da nur zwei Leute auf der Bühne stehen, stört hier wirklich gar keinen, man hat nicht mal das Gefühl es fehlt ne Bassgitarre oder so. Dazu schreit sich Daniel mal wieder die Stimmbänder aus der Kehle und fängt mit seiner gewohnt herzlichen Art jeden einzelnen der ca. 666 Maniacs im Kulturpalast ein. Den Rausschmeißer macht dann „Forsaken And Forgotten“ und die Hütte brennt. Leider als zweite Band auch nur ne gute halbe Stunde gespielt; hungrig wäre man nach mehr gewesen. Aber die Show natürlich mal wieder von A bis Z absolut genial, der Spirit, der einem hier mit voller Wucht ins Gesicht gehämmert wird, ist absolut überwältigend. Die Welt braucht mehr Bands mit der Einstellung und dem Herz von Incarceration! (Janosch Besen).


Die nächste Band heißt Sinister und hat seit Gründung 1988 trotz der kurzen Pause zwischen 2003 und 2005 mittlerweile eine Liste an Veröffentlichungen, so lang wie das Telefonbuch. Das letzte Album kam 2017 raus und hat so einigen Todesmetallern Freude bereitet. Heute im Kulturpalast scheppern sie als vorletzte Band dann recht gewaltig los und von vorneherein ist bei den Todesblei-Fraktion der ersten Reihen auch schon die Rübe am Rotieren. Es ist aber leider auch zu merken, dass die meisten Leute heute nicht unbedingt wegen Sinister ins Bambi gereist sind, so dass beim kurzen Luftschnappen vor der Tür sowie beim Toilettengang auffällig viele Leute lieber an der Bar und beim Rauchopfer ihre Zeit vertreiben. Aber ein harter Kern lässt sich weiterhin vor der Bühne die Rübe zerschroten. Die Band macht das alles sehr ordentlich und man kann sich nicht über eine schlechte Darbietung beschweren, allerdings wollte auch beim Verfasser dieser Zeilen der Funke nicht so recht überspringen. Der Sänger Aad Kloosterwaard hat seine Cap bis tief ins Gesicht gezogen und grunzt noch tiefer in sein Mikro, sodass man sein Gesicht eigentlich während der Show kaum erkennen konnte. Fazit für mich: Guter, Solider Death Metal, aber nix für mich. Zum Glück sind unsere X-Crash Reviews ja grundsätzlich herrlich subjektiv. Trotzdem will ich sagen, dass die Band einigen Leuten sehr gut gefallen haben muss, zumindest sprach der Applaus und das Banging im vorderen Bereich dafür. (Janosch Besen).


Nachdem die Holländer auch mich weder mitgerissen oder gar begeistert haben, ruhen jetzt wohl alle Hoffnungen auf dem britischen Schlachtschiff Benediction. Bei Gesprächen vor und während des Abends musste ich wirklich tief in meinem Gehirn graben, um die Frage nach meiner letzten Benediction Show zu beantworten. Doch bevor es nun endlich mit dem Headliner losgehen kann, müssen erst einmal die lokalen Helden von Dawn Of Obliteration und Incarceration mit Equipment aushelfen, da Sinister eine Box bei ihrer Show geschrottet haben. Lustig war auch der nicht mehr ganz nüchterne Fan, der es sich auf Darren Brooks’ Monitorbox bequem gemacht hatte und von seinem Schlaf nicht abzubringen war. Die Box zog Darren ihm einfach unter dem Kopf weg und fertig.
Die Tour steht unter dem „Transcend The Rubicon“ Banner, dennoch beginnt man mit „Vision In The Shroud“ vom Vorgängeralbum. Der Fünfer hat sichtlich Spaß und besonders die Rückkehr von Fronter Dave Ingram scheint Benediction zu neuer Größe und Glanz verholfen zu haben. Die Jungs geben Gas, dass es die helle Freude ist und diese Energie springt auch sofort auf den ganzen Kronensaal über. Bei „Nightfear“ gibt es dann kein Halten mehr und der halbe Saal ist am Bangen. Die Setlist ist ein Best Of mit „The Grotesque“, „I Bow To None“ und „The Dreams You Dread“. Letzterer wird dann zur Hälfte sogar ohne Gitarrist Darren gezockt, da dieser seine Saite gekillt hat – wohl nicht sein Tag, dennoch lässt er sich von so etwas nicht aus der Ruhe bringen und routiniert wird die Situation gemeistert. Aber auch „neuerer“ Stoff hat es auf die Setlist geschafft. So walzt man mit „Suffering Feeds Me“ mal eben alles in Grund und Boden, genaue wie mit „They Must Die Screaming“. Mit „Tear Off These Fucking Wings“ schmettert man sogar einen ganz neuen, langersehnten Track in die Menge. Wenn das neue Album genauso mächtig wird, dann mal alle warm anziehen.

Weiter geht der Siegeszug mit den Klassikern „Jumping At Shadows“ und „Subconscious Terror“. Alle Achtung, Dave Ingram ist immer noch einer der charismatischsten Fronter in der Szene und hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Neu an Board von Benediction ist zum einen der Mann am Viersaiter Dan Bate (den der ein oder andere vielleicht noch von Absolva oder als Live Basser von Blaze Bayley kennt) und zum anderen Drumtier Giovanni Durst. Beiden liefern heute einen exzellenten Job ab. Mit „Magnificat“ geht es in die letzte Runde, bevor dann mit „I“ der finale Todes (Metal) Stoß erfolgt. Brachial, energisch und sympathisch haben die Briten einen unvergleichlichen Auftritt abgeliefert, dass man nur den Hut ziehen kann und so ist es auch nicht verwunderlich, dass jeder mit einem seeligen Grinsen die Halle verlässt. Die Fans, die es anfangs verpasst haben, sich mit einem neuen Oberteil am Merchtisch einzudecken, stoßen sich jetzt am leergefegten Stand die Nase. Wer noch Kraft hat, lässt sich von DJ Poser667, im heute als Disco fungierenden Bambi Galore, das Beste aus dem Metal um die Ohren blasen. Hier haben gestern noch Screamer, Hitten und Co die Mengen zum Kochen gebracht. Die inzwischen siebte Ausgabe der Awaking Corpse Reihe hat dem Kuturpalast ein fast ausverkauftes Haus beschert und mal wieder eindrucksvoll bewiesen, dass der Death Metal noch lange nicht tot ist. Wir freuen uns schon auf die nächste Ausgabe dieses tollen Events in unserem zweiten Wohnzimmer. (Tino Sternagel-Petersen).

Autor: Janosch Besen, Tino Sternagel-Petersen
Pics: Tino Sternagel-Petersen