CORONER, THOLA

Basel (CH), Parterre One, 10.06.2023


Die 80er Heavy Metal Szene der Schweiz brillierte durch avantgardistische Bands. Neben Hellhammer/Celtic Frost und Messiah, die beide das ganz extreme Spektrum prägten, stachen damals Coroner, die 1985 im Raum Zürich gegründet wurden, mit ihrem technischen Thrash Metal heraus. Nach szeneprägenden Alben wie „R.I.P.“ (1987), „Punishment For Decadence“ (1988), „No More Color“ (1989) oder „Mental Vortex“ (1991) war nach „Grin“ (1993), die Luft irgendwie draußen und die Band musste sich auch dem aufkommenden, modernen Metal geschlagen geben. 1996 löste man sich auf, Gitarrist Thommy Vetterli schloss sich für ein paar Jahre Kreator an, um sich nach seinem Ausstieg bei Kreator (2001) in den musikalischen Hintergrund zurück zu ziehen und sich seinem eigenen Studio und der Produzententätigkeit zu widmen, was er auch heute immer noch tut. 2010 rauften sich Coroner wieder zusammen und spielen seitdem immer wieder (größere) Festivals oder einzelne Konzerte, ohne einen neuen Tonträger veröffentlicht zu haben. Für dieses Juniwochenende wurde die Band für drei Clubshows in der Schweiz gebucht. Am Donnerstag und Freitag (08. & 09.06.) in Martigny (Sunset Bar) und für den heutigen Abend in meiner Heimatstadt Basel. Das Parterre kenne ich primär als Restaurant (die Party zu meinem 40. fand hier statt, mit unserem Cheffe Joxe als DJ) und weniger als Konzertlocation. Ich muss zugeben, dass mir das Parterre One als Lokalität komplett neu war und ich den modernen Club als sehr angenehm empfand. Das Personal an der Bar war sehr freundlich und die Bierpreise für Schweizer Verhältnisse in einem angenehmen Bereich und mit 5 € im selben Preissegment wie auf dem Rock Hard Festival.


Der Abend startet mit der Walliser Band Thola. Die Band aus Brig wurde 2016 gegründet und hat drei Alben „WolfBurn“ (2017), „Stalking Tender Prey“ (2018) und „Somewhere“ (2021) veröffentlicht. Halt mal, Band aus dem Kanton Wallis? Weshalb redet der Sänger dann breitestest Baseldeutsch? Währenddem die Band im Instrumentensektor in Originalbesetzung agiert, gab es in 2019 einen Wechsel auf der Gesangsposition der Südwestschweizer, und Originalsänger Fredy Salzmann wurde durch den Basler Vokalakkrobaten Thomi Rauch ersetzt. Thomi ist quasi der Lokalmatador heute Abend und sprüht nur so vor Spielfreude, und führt das Publikum mit Stil und Charm durch den Set. Toller Entertainer und Frontmann. Zudem kann sich sein Organ sehr gut hören lassen und er veredelt die Power/Thrash Metal Songs mit druckvollen und qualitativ hochstehenden Vocals. Ich kannte Thola, was im ostindischen ‚Wolf‘ bedeutet, im Vorfeld nicht, muss aber eingestehen, dass das Quintett einen eingespielten und sympathischen Eindruck hinterlässt. Die Songs sind druckvoll und kommen live gut rüber. Mir hat es etwas zu viel Bombast der 90er Jahre im Sound, aber in den thrashigeren Teilen gefällt mir der Sound recht gut. Nicht unbedingt eine Band, deren Tonträger ich besitzen muss, die aber auf der Bühne amtlich Rabatz machen kann und tight und sympathisch rüber kommt. Die Band hat jedenfalls mächtig Spaß, genauso wie die zahlreich mitgebrachten Fans und Anhänge, so dass der Club gut aufgeheizt wird. Die Songs werden visuell durch eindrückliche Video/Bildsequenzen unterstützt, welche die Songtexte ideal visualisieren. Die eingeblendeten Kriegssequenzen passen leider nur zu gut in die aktuelle politische Lage in Europa. Ein musikalisch starker Auftritt, der viel Spaß gemacht hat.


Coroner sind eine verdammte Präzisionsmaschine! Wer die Band schon mal live gesehen hat, muss mir hier zustimmen. Schlechte Tage kennt das Quartett um die Originalmitglieder Ron Broder (v/b, aka Ron Royce) und Thommy Vetterli (g, aka Tommy T. Baron) nicht. Im wahrsten Sinne wie ein Schweizer Uhrwerk walzen sich die vier Züricher durch ihren sehr abwechslungsreichen Set. Präzision ist eines der Trademarks von Coroner, Druck ist das zweite. Ich habe generell Respekt vor Bands, die mit einer Gitarre eine Druckwand aufbauen können (siehe Night Demon, Raven, Motörhead, Destruction, etc.), aber was Coroner auch heute Abend wieder auf die Bühne zaubern, war wie immer ganz großes Kino. Es wurden heute Songs von allen Alben der Band berücksichtigt, der Fokus lag aber auf der eher jüngeren Diskographie. Mit „Sacrificial Lamb“ wurde auch ein neuer Song gespielt, welcher auf dem 2024 erscheinenden Comeback Album vertreten sein soll. Schauen wir mal, ob es wirklich zu einem neuen Album kommen wird. Seit der Reunion steht ein neues Album in der Schwebe, in über zehn Jahren wurde aber nichts Neues veröffentlicht. Der neue Song hat sich jedenfalls gut in die Klassiker der Band eingefügt. Man darf gespannt sein, ob Coroner auf einem neuen Album die Qualität der Klassiker erreichen können. Wie man es macht, haben Messiah auf ihrem 2020er Album „Fracmont“ eindrücklich bewiesen. Hoffen wir, dass Coroner eine ähnliche Granate gelingt. Heute Abend liefern sie jedenfalls einen Granatengig ab, auch wenn sich nur ca. 70-100 Nasen ins Parterre One verirrt haben. Einer der Gründe dürfte sicherlich das gleichzeitig stattfindende Greenfield Festival (eines der größten Festivals der Hartwurstmusik in der Schweiz) in Interlaken sein, andererseits ist der Sound von Coroner schon sehr speziell und nicht jedermanns Ding. Ich finde die Musik der Züricher sehr geil und mich haut die Band mit ihrer Soundwand immer wieder um, so auch heute! Die Band genießt die intimere Clubshow Atmosphäre sichtlich. Die Grundlage für den druckvollen Sound liefert Drummer Diego, der ein echtes Drummonster darstellt und meinen Kumpel Omar zu einem „Diego, Du Maschine“ Zwischenruf veranlasst. Wie recht er doch hat. Es ist eine wahre Freude ihm zuzusehen. Die Rolle des Keyboarders/Programmieres Daniel Stössel bleibt mir noch etwas verschlossen, aber er dürfte zum druckvollen Gesamtbild sicherlich beigetragen haben. Nach den beiden Klassikern „Masked Jackal“, dem einzigen Song von „Punishment For Decadence“, und „Grin“ verließ die Band kurzfristig die Bühne, um mit „Reborn Through Hate“ (vom 1987er Album „R.I.P.“) und „Die By My Hand“ (von „No More Color“ (1989)) zwei geniale Zugaben zu geben. Das Publikum hätte gerne noch mehr gehört, aber es ist nun endgültig Schicht im Schacht. Die Band ist im Anschluss an der Bar und unterschreibt bereitwillig alles, was man ihnen hinhält. Sehr bodenständige, fanfreundliche und sympathische Musiker!

Einziges Manko: Wer die Band über mehrere Jahre hinweg live gesehen hat, würde sich etwas mehr Abwechslung in der Setlist wünschen. Seit der Reunion im Jahr 2010 ist da kaum Bewegung drin…Trotzdem war es ein sehr gelungener Abend. Vielen Dank an die Bands für tolle Gigs und den Veranstaltern für eine super Organisation.

Setlist: Intro; Golden Cashmir Sleeper Part 1; Internal Conflicts; Serpent Moves; Divine Step (Conspectu Mortis); Son Of Lilith; Sacrificial Lamb; Semtex Revolution; Tunnel Of Pain; Status: Still Thinking; Metamosphosis; Masked Jackal; Grin (Nails Hurt); Reborn Through Hate; Die By My Hand.

Autor & Pics: Steph Bachmann