DREAM THEATER – a view from the top of the world

Dream Theater Fans haben es gut. Alle zwei, drei Jahre erscheint ein neues Album und so verwundert es nicht, dass man nach 36 Jahren bei Album Numero 15 gelandet ist. Abgesehen vom 2016er „Betriebsunfall“ „The Astonishing“ hat die New Yorker Prog Institution ihre Fangemeinde nie enttäuscht. Bereits mit dem Nachfolger „Distance Over Time“ (2019) befand sich das Traumtheater wieder in sicherem Fahrwasser und ließ den missglückten Versuch, eine Rockoper zu schreiben, hinter sich. Einige Die-Hard Fans mögen dies natürlich anders sehen. So oder so hat „The Astonishing“ polarisiert.

Sei es drum, mit „A View From The Top Of The World“ wird der Positivtrend jedenfalls weiter fortgesetzt. So  überrascht es nicht, dass das neunminütige „Alien“ bei dem geneigten Fan ohne Umwege gut rein läuft. Exemplarisch beinhaltet dieser Song alles, wofür Dream Theater stehen. Der Refrain ist zugegebenermaßen recht simpel gehalten, der Songaufbau mit all seinen musikalischen Abfahrten und ohrenschmeichelnden Petrucci Gitarrenharmonien lässt den Aficionado anerkennend mit der Zunge schnalzen. Das folgende „Answering The Call“ ist dagegen etwas verhaltener, verfügt aber über einen guten, einprägsamen Refrain und einem tollen Gitarrensolo sowie Gitarren/Keyboard Duellen in der zweiten Songhälfte. „The Invisible Monster“ ist völlig zurecht die zweite Vorabveröffentlichung und könnte aufgrund seines sehr melodischen Refrains als kleiner Hit des neuen Albums durchgehen. Hier steht der Song im Vordergrund und auf irgendwelche solistischen Sperenzchen wird weitestgehend verzichtet.

Diese findet man dann gleich zu Beginn des zehnminütigen „Sleeping Giant“, geballt wieder. Eingeleitet durch ein prägnantes Gitarrenriff, vertrackten Rhythmen, rasanten wie irrwitzigen Keybord- und Drumparts, nimmt der Song an Geschwindigkeit zu, um mit dem Einsatz des Gesanges plötzlich zur Ruhe zu kommen und in einem sehr erhabenen Refrain zu münden, den man so schnell nicht aus der Hirnrinde bekommt. Doch damit nicht genug. Auch im Mittelteil gibt es wieder allerhand musikalische Soloschmankerl zu beklatschen. Und siehe da, da ist sie wieder, die an Salonmusik erinnernde Klaviermelodie, die schon damals (1999 auf „Metropolis Part II: Scenes From A Memory“) beim tollen, überragenden Instrumental „Dance Of Eternity“ aufhorchen ließ. Generell ziehen sämtliche Solisten hier alle Register ihres Könnens und erschaffen Großes dabei.

Wussten die ersten drei Komposition zu gefallen, ist „Sleeping Giant“ im wahrsten Sinne des Wortes gigantisch und ein absoluter Höhepunkt auf „A View Of The Top Of The World“. Genau SO lieben wir Dream Theater. Auch die Melodicbombe „Transcending Time“ weiß auf ganzer Linie zu begeistern. Wesentlich simpler strukturiert, aber mit Melodien, die endlich wieder killen, und zuhauf positiven Vibes, in denen man sich so richtig suhlen kann. Tolles Petrucci Solo und zum Ende hin warme Klavierpassagen von Jordan Rudess, die abermals an Großtaten wie „Metropolis Part II: Scenes From A Memory“ (1999) erinnern. Generell begrüße ich es sehr, dass es wieder vermehrt klassische Klaviermelodien gibt, und Buddy Casino‘s Weltraumorgel (Helge Schneider Fans wissen Bescheid!) eingemottet bleibt. In jüngerer Vergangenheit klangen mir Jordan‘s Keyboards des Öfteren doch zu sehr nach Kirmesorgel. Weiter geht es mit „Awaken The Master“, einer Komposition von Bassist John Myung. Tiefer gestimmte Gitarren treffen auf Hammondorgelwände und bauen Spannung auf, die sich mit einem wunderschönen Gitarrensolo ein wenig löst. Selbstverständlich gibt es hier auch wieder einen melodischen Refrain, der von dramatischen Keyboardklängen begleitet wird.  Im Solopart wird wieder das Anfangsmotiv aufgegriffen und im weiteren Verlauf brilliert einmal mehr Flitzefinger Petrucci. Starker Song! „A View From The Top Of The World“ ist ein Abschlusssong epischen Ausmaßes. In den zwanzig Minuten Spielzeit wird einem wieder einmal bewusst, was für geniale Songwriter die New Yorker und der Kanadier sind. Es kommt zu keiner Sekunde Langeweile auf. Besonders der ruhige Mittelpart inklusive Cello und der ausladende episch dramatische Schlussteil wissen zu begeistern.

Fazit: Das Album, welches übrigens ohne (!) eine einzige Ballade auskommt, besteht aus drei Songs, die überzeugen und vier, die so richtig begeistern. Ausfälle gibt es keine. Für die beste Dream Theater seit „A Dramatic Turn Of Events“ gibt es von meiner Seite 8,5 von 10 Punkten!

Wertung: 8,5/10
Autor: Michael Staude