Frost And Fire London

London (UK), The Black Heart, Underworld, The Devonshire Arms
11. & 12.05.2018


Tag 1, NWoBHM Preparty Rager, Freitag, 11.05.2018: Bashful Alley, Mythra, Jaguar.

Da verlässt man mal wieder festivaltechnisch das europäische Festland, und wieder trifft man viele bekannte Gesichter. Das durch Jarvis Leatherby veranstaltete Frost And Fire aus dem kalifornischen Ventura bekommt nun einen Ableger in Europa und unter den Besuchern befinden sich die Griechen und Spanier, die ebenfalls regelmäßig das Brofest besuchen (welches dieses Jahr leider nicht stattfand). Aufgeteilt auf drei Locations wird am ersten Tag das The Black Heart gerockt, welches sich unmittelbarer Nähe des bekannteren Underworld in Camden befindet. Eine recht enge Location in der ersten Etage, die auf jeden Fall gut klimatisiert ist, wird für den Opener Bashful Alley immer stärker frequentiert. Die Eröffner haben sich ihr angespieltes Trommelintro  schon mal aus dem Intro von “Ballroom Blitz“ geliehen („Ready Steve…“). Das Trio rockt wie Scheiße und Drummer Robin wirft früh sein Shirt weg. Ähnlich straight wie Vardis bringen die alten Haudegen aus der Zeit der NWoBHM den Boogie, nur kommen sie dabei aber mit weniger Quo-Anleihen aus. Man wirkt sicher und eingespielt, feiert ab wie die blöde Sau und die Bretter stellen sich häufig zusammen für Doppelhalsattacken auf die Monitorboxen, was auch dem Jarvis im Publikum nicht entgeht. Jeder Ton sitzt und der Groove kommt rüber. Spätestens beim dynamischen Klassiker „Running Blind“ haben auch die Fans begriffen, dass Bashful Alley grad eine deutliche Bewerbung für’s nächste Brofest abgeben. Über 50 Minuten war schon gut, aber dennoch wünscht man sich mehr davon. Schade, dass es am Merch gar kein Shirt von ihnen gab … (Joxe Schaefer).


Nachdem das Quartett von Bashful Alley schon ordentlich das Black Heart zum brodeln gebracht hat, sind jetzt die nächsten NWoBHM Veteranen am Start. Mythra aus der Gegend um Newcastle sind seit einigen Jahren wieder aktiv und das ziemlich erfolgreich, wie auch der heutige Auftritt wieder belegen wird, um das schon mal vorweg zu nehmen. Die kleine Halle ist mittlerweile gut gefüllt, aber Dank einer auf gefühlt knapp über dem Gefrierpunkt runter geregelten Klimaanlage, ist die Temperatur angenehm. Eröffnet wird die Show mit dem Song “The Best Is Yet To Come”, der einzig auf der 2005er Compilation veröffentlicht wurde. Leichte Soundprobleme sind schnell behoben, sodass spätestens bei “U.F.O.” dann der Funke überspringt und das Quintett die Meute vor der Bühne absolut im Griff hat. Wieder einmal fällt auf, wie unglaublich gut sich die Songs vom aktuellen Album “Still Burning” in die Setlist einfügen und sogar druckvoller rüberkommen als die alten Sachen. “Ride The Storm”, “Still Burning” und “Survival” etwa machen absolut Laune, ganz zu schweigen von meinem persönlichen Highlight der Scheibe, “A Call To All”, den der Lichtmann irgendwie fast dauerhaft in blaues Stroboskoplicht tauchte und dann mitten im Song ausschaltete und die Jungs kurz im Dunkeln stehen ließ. Begonnen hat dieser optische Fehlschlag schon beim voran gegangenen Song “You” und der dazwischen liegenden Pause. Nach “Overlord” und “Death And Destiny” geht dann eine Ära vorbei, denn diese Show war die letzte von dem charismatischen Sänger Vince High, der nach vier Jahren die Band verlässt. Sehr schade, aber auch an seinem letzten Arbeitstag hat er wie gewohnt alles gegeben und hinterlässt eine große Lücke in der Band. (Tino Sternagel-Petersen).


Es braucht heute nur sehr kurze Umbaupausen und man ist besser schon wieder in der ersten Etage, als Jaguar mit einem krachenden “Back Street Woman“ abstarten. Jarvis komplettiert schon seit einiger Zeit mit seinem Gesang das Quartett um Gitarrist Garry Pepperd. In dieser Besetzung konnten wir bereits ihrem Auftritt beiwohnen, als sie 2016 das X-mas Rocka in Sheffield eröffneten. Von dreien hat Jarvis heute seinen ersten Auftritt, mit Night Demon und Cirith Ungol folgen Nummer zwei und drei am morgigen Tag. Natürlich wissen alle Anwesenden, wer hier das Mikro hält, und die Ansage, dass “Power Games” jetzt 35 Jahre auf dem Buckel hat, “if you ain’t got this record, you are “Out Of Luck””, trifft das Mark. Einer der besten Longplayer der NWoBHM, das weiß hier heute Abend jeder. “Run For Your Life”, “Master Game“ und ein am Anschlag hämmerndes “Prisoner” sind von selbiger Platte, eine laute Audienz spricht eine klare Sprache. Ein sehr gutes Beispiel dafür, auf was für knallharte Riffs Jaguar zurückgreifen, führen sie uns heute mal wieder mit “Rawdeal” vor. Die funktionieren hier auch beim verwaschenen Sound. Die Band, allen voran Jarvis, macht Action ohne Ende und wer hier still stehen bleibt, muss bereits tot sein. Zum Abschlusstrack “Axe Crazy” erscheint ein zweiter Gitarrist auf der Bühne; es handelt sich dabei um Rick Bowman von Martyr. Zwar stand da noch was von “War Machine”, “Stormchild” und „Dutch Connection“ auf der Setlist, doch warum früher Schluss war – keine Ahnung. Knappe fünfzig Minuten sind für eine Abrissband wie Jaguar einfach zu wenig. Erstmal ‘nen Brooklyn Lager kippen und sich sammeln. (Joxe Schaefer).


Tag 2, Samstag, 12.05.2018: Amulet, Wytch Hazel, Night Demon, Angel Witch, Cirith Ungol, Toledo Steel.

Mal wieder sehen wir eine lokale Band als Opener. Dafür aber eine, die sich bereits einen kleinen Namen erspielt hat, denn wir haben Amulet bereits öfter live gesehen, als sie Platten veröffentlichten. Bei ihnen hat sich was getan seit ihrem Auftritt beim Brofest 2015. Die Band zeigt sich wesentlich bewegungsfreudiger, allen voran ihr Gastsänger Mace von Asgard, eine echte Frontsau. Man konnte für diesen Auftritt auf Mace von den italienischen Asgard zurückgreifen, weil Amulet noch immer auf der Suche nach einem neuen Sänger sind. Mace interagiert durch reichlich Armbewegungen mit Publikum und seinen Bandmates, legt also einen besseren Auftritt hin, als man es von einer ‘Aushilfe’ erwartet. Auf geklemmte Höhen also geschissen. Dass ihr Basser einige Ansagen übernimmt, ist offensichtlich einfach Bocksache den eigenen Fans gegenüber und entlastet Mace. Songs wie die Speedgranate „Evil Cathedral“ treffen den Nerv der Audienz, die langsam nun warm wird. Diskutierten wir auf dem 2015er Brofest noch darüber, ob das Rainbow Shirt ihres Gitarristen noch aus den Siebzigern stammte, sorgt diesmal der Vintage-Look seines Shirts von Judas Priest für Aufsehen. Das ist aber nichts gegen das Outfit von Witch Hazel, oder Steph? (Joxe Schaefer).


Wytch Hazel aus dem Nordwesten Englands hatte ich bereits beim letztjährigen Keep it True live gesehen, und schon damals konnte mich die Band nicht wirklich überzeugen. Dies ändert auch die Frost & Fire Performance in London nicht wirklich und ich hätte lieber Amulet auf dieser Position im Billing gesehen. Das komplett in weißen Kostümen auftretende und mit weißen Instrumenten bewaffnete Quartett spielt seine Songs zwar qualitativ hochstehend, der 70er Hardrock mit Folkeinflüssen wirkt auf mich jedoch eher belanglos und langweilig. Vor allem die mehrheitlich langsamen Songs wollen bei mir einfach nicht zünden. Gemäß der auf der Bühne liegenden Setlist spielt die Band auch einige bisher unveröffentlichte Songs (u.a. der Opener „Devil Is Here“ oder „Save My Life“), da ich die Songtitel in der Diskographie der Band nicht finden konnte. Ansonsten steht das aktuelle Album „Prelude“ (2016) im Fokus. Der einzige etwas zügigere Track kann mich halbwegs überzeugen, ansonsten definitiv nicht meine Baustelle. Den Fans in meiner Nähe hat es aber gefallen und es wurde lauthals mitgesungen und mitgepost. Meine leicht unterkühlte Stimmung könnte aber auch am nahen nuklearen Winter in der Nähe der Klimaanlage im Club gelegen haben. Night Demon werden auf den lauen Auftritt der „Weisse Riese“-Fraktion definitv eine energiegeladene Antwort zu liefern wissen. (Steph Bachmann).


Ja sicher liefern sie die, obwohl Mister Jarvis als Veranstalter schon einiges zu tun hat, hier mit drei Bands auftritt und nebenbei noch allen Musikern frische Handtücher bringt. Tatsächlich fällt der Gig von Night Demon ebenso actionreich aus, wie man es von den Kaliforniern gewohnt ist. Auch Gitarrist Armand steht voll auf dem Gaspedal, der später noch bei Cirith Ungol aushelfen sollte. Da konnten wir keinen Leistungsabfall feststellen. Wie die letzten Male eröffnen auch heute drei Nackenbrecher das Programm, die es den Fotografen bei geringen Lichtverhältnissen da nicht leichter machen, denn Jarvis ist ständig am rumrennen und abbangen, wenn er nicht grad singen muss. Er bewegt immernoch seinen Flying-V Bass zackig, wenn der sympathische Kerl grad am Mikrofon steht. Schon vor dem Auftritt umarmte Jarvis unseren Tino für seine weite Anreise, den man schon wegen seiner physischen Größe in jeder Menge erkennt, und baut respektvoll das Live Evil Festival und das Brofest in seiner Ansage zu “Screams In The Night” ein. Unter dem Gewand, mit dem gewöhnlich jemand zu “Chalice“ auf der Bühne das Trinken aus dem Kelch anpreist, wird diesmal der Tourmanager vermutet. Nach nur knapp über einer halben Stunde Spielzeit ist nach ihrem Anthem “Night Demon“ schon Schluss. Sicher muss Jarvis als Veranstalter auch den eigenen Zeitplan einhalten und streicht daher lieber selbstlos etwas von seiner Spielzeit. (Joxe Schaefer).


Die Zielgerade ist in Sicht. Die vorletzte Band am heutigen Venue sind die Lokalmatadore von Angel Witch, die zur Speerspitze des zweiten Frühlings der NWoBHM gehören. Die Halle ist proppenvoll, was aber auf der Insel nicht ganz so schlimm auffällt, wie in einigen Läden in Deutschland, wo man entweder gar nicht mehr in die Halle reinkommt oder wenn man es schafft, zerquetscht wird. Mit “Gorgon” legen die vier, mittlerweile super eingespielten Jungs los und zeigen gleich von Beginn schon mal, dass sie absolut zurecht als Co-Headliner auf dem Billing stehen. Kevin und seine Mannen lassen nix anbrennen und schieben mit “Confused” gleich den nächsten Klassiker hinterher. Die Setlist liest sich wie ein Best-of der ersten und letzten Scheibe. Das Publikum weiß dies zu schätzen und feiert Songs wie “Atlantis”, “Sorcerers”, “White Witch”, “Into The Dark” oder “Guillotine” zurecht ab. Der Sound ist etwas druckloser, als ich es von Shows in Deutschland kenne, was aber dem ganzen Auftritt einen kauzigen und ursprünglichen Touch gibt und Angel Witch damit für mich zu einem wirklichen Aha-Erlebnis macht. Als dann “Angel Of Death” angesagt wird, ist klar, dass auch diese Stunde voller NWoBHM Geschichte sich dem Ende nähert. “Baphomet” geht dann wie gewohnt in DEN Klassiker “Angel Witch” über, bei dem es dann für die Metalheads absolut kein Halten mehr gibt. Wow – was für ein Erlebnis: Angel Witch in ihrer Heimatstadt erlebt zu haben, in einem der wohl wichtigsten Clubs der Britischen Hauptstadt, auf einem der wohl coolsten Festivals der vergangenen Zeit. Alleine dafür hat sich diese Reise schon gelohnt. Da kann ich es auch verschmerzen, dass mein persönlicher Gänsehautsong “Dr. Phibes” es leider mal wieder nicht auf die Setlist geschafft hat. (Tino Sternagel-Petersen).


Um 20:40 Uhr betritt Cirith Ungol unter großem Beifall erstmals eine Bühne im Vereinigten Königreich, und das Underworld ist dabei bis zum Bersten gefüllt. Umfallen kann man jedenfalls vor der Bühne auf keinen Fall. Die Soundprobleme beim Introtape bleiben wie bei Night Demon leider bestehen, so dass auch beim Intro von Cirith Ungol der Sound aus den Boxen scheppert. Es soll aber das einzige technische Problem des Abends darstellen, auch wenn die Kommunikation aus dem Backstage Bereich zum Soundboard nicht gerade gut organisiert ist. Leider kann der Cirith Ungol Stammgitarrist Greg Lindstrom aus familiären Gründen nicht mit von der Partie sein, daher springt Night Demon Klampfer Armand sehr kurzfristig ein. Hut ab, Armand, das macht den echten Profi aus. Die „Vertretung“ spielt die Songs jedenfalls ausgezeichnet und die Riffs kommen mit mächtig Dampf aus den Boxen. Stage Acting mäßig war Armand sogar eine Bereicherung, da er bedeutend bewegungsfreudiger ist als Greg. Der Auftritt von Cirith Ungol in London ist nun mein fünfter Gig der Band innerhalb von 13 Monaten. Ausnahmsweise startet die Band nicht mit „I’m Alive“, sondern mit „Atom Smasher“ in ihren Set. Die Setlist ist praktisch identisch zum Milwaukee Spring Bash Gig vor drei Wochen, einzig „Death Of The Sun“ muss aufgrund der etwas kürzen Spielzeit aus dem Set gestrichen werden. Die Stimmung in den vorderen Reihen ist ausgelassen und der Set der fünf Kalifornier wird sehr positiv aufgenommen. Den herausragenden Gig des letztjährigen Up The Hammers Festivals in Athen werden Cirith Ungol wohl außerhalb Griechenlands nie mehr toppen können, trotzdem darf man den London Auftritt als sehr gelungen bezeichnen, stößt die Band doch auf ein hungriges und alles andere als müdes Publikum. Die Band spielt sich für ihre Verhältnisse sehr agil durch den Set, was vor allem an den beiden Aktivposten Jarvis und Armand liegt. Die obligaten Kracher à la „Black Machine“, „Frost & Fire“ „Cirith Ungol“ oder „Finger Of Scorn“ steigern die Stimmung unaufhaltsam hin zum Rausschmeißer in Form von „King Of The Dead“. Die 65 Minuten Spielzeit vergehen wie im Fluge und so darf man den umjubelten Co-Headliner Gig von Cirith Ungol in London durchaus als Erfolg verbuchen, auch wenn das Stimmungslevel nie mehr jenes von Angel Witch erreichen kann. Da ist der Heimvorteil der vier Briten einfach ein zu großer. Leider kommen Cirith Ungol auch nicht mehr für eine Zugabe auf die Bühne zurück, sodass um 21:50 Uhr die Lichter im Underworld angehen, und wir noch vor 22:00 Uhr in typisch britischer Art aus dem Club hinauskomplimentiert werden. Die Aftershowparty findet bekanntlich im nahen „The Dev“ statt, welchen wir zu Fuß in gut fünf Minuten erreichen. (Steph Bachmannn).

Setlist: Atom Smasher; Join The Legions, Blood And Iron; I’m Alive; Fire; Black Machine; Frost & Fire; Chaos Descends, Fallen Idols; Cirith Ungol; Finger Of Scorn; Master Of The Pit; King Of The Dead.


Nachdem die letzten Töne vom Headliner des ersten Frost And Fire Festivals in London verklungen sind, machen sich die jetzt noch fitten Metaller auf den Weg zum zwei Querstraßen weiter gelegenen Clubs The Devonshire Arms oder kurz The Dev. Hier gibt es die offizielle After Show Party mit einem besonderen Schmankerl, nämlich die Toledo Steel Vorab-Release Party zum aktuellen Album “No Quarter”. Das Dev ist nicht gerade klein, doch bereits als wir den Laden betreten, haben wir es schwer, uns bis nach vorne zur Bühne durchzuwühlen. Dafür werden wir schon kurz nach Eintreffen und dem Organisieren des ersten Bieres mit einer amtlichen Ladung kraftvollen Heavy Metals beglückt. Alte und neue Songs geben sich hier die Klinke in die Hand und machen schnell klar, dass bei jedem der vier Jungs purer Heavy Metal durch die Venen fließt. Wirklich stark, was Toledo Steel hier abliefert und ebenfalls eine tolle Erfahrung. Die Luft ist mittlerweile zum Schneiden und trotz angenehmer Temperaturen draußen läuft das Wasser die Fenster runter – so muss ein Konzert sein! Trotzdem treibt es mich zwischenzeitlich vor die Tür, um Luft zu schnappen.

So geht ein erlebnisreicher Tag und ein Hammer Wochenende zu Ende, was wohl jedem von uns noch lange positiv im Gedächtnis bleiben wird. Auf dem Rückweg fällt uns auf, dass wir noch nie in London gegrillt haben, was wir dann gleich zum Anlass nehmen, solch eine Reise in absehbarer Zeit zu wiederholen. Also England: Wir kommen wieder – versprochen! (Tino Sternagel-Petersen).

Autor: Steph Bachmann, Tino Sternagel-Petersen, Joxe Schaefer.

Pics: Joxe Schaefer