Fullmetal Osthessen
Niederjossa, DGH, 14.03.2025-15.03.2025
Tag 1, Freitag, 14.03.2025: Ranzer, Chaos Path, Wretch, Toxin, Fateful Finality, Traitor
Für das zwölfte Fullmetal Osthessen wurde im Netz einiges an Werbung betrieben. Je näher der Termin rückte, desto mehr. Die Band, die heute das zwölfte Fullmetal Osthessen eröffnen darf, ist Ranzer aus Kassel. Der Titel ihres ersten und bislang einzigen Albums „Leidkultur“ verrät schon, hier wird auf deutschsprachige Texte gesetzt. Der Death/Thrash Fünfer mit brutaler Kante liefert einen tighten Hau-drauf-Faktor und eine Menge Fun hat er auch. Offensichtlich wegen einer Fußverletzung zockt ihr Basser auf einem Stuhl sitzend und wird im Spiel von seinen Bandkumpels betüttelt und vom Sänger mit Bier gefüttert. Die Vocals können was, ändern gern ihre Strukturen auch in den Ansagen. Die „Zahnfee“ vom 2023er Demo bringen sie mit einem Gastsänger, der aus dem Publikum auf die Bühne kommt. Auf gar keinen Fall zeigen sie sich unpolitisch, was allein schon die Ansagen betrifft, aber ihre Härtestufe stimmt auf jeden Fall, von daher alles gut!
Leider mussten die Death Metaller von Sacrificium krankheitsbedingt absagen, doch dafür springen nun Chaos Path ein. Die fünf Facepaintings aus Kassel bieten uns nach dem Spoken Word Intro Black Metal an. „None Shall Survive“ rockt und „Of Fury And Wrath“ bekommt mit der Doublebass einen schlanken Fuß. In dem Song, der danach durch Sirenen eingeleitet wird, können wir jetzt zum ersten Mal die deutschsprachigen Lyrics auch deutlich als solche erkennen, während ihr Shouter immer um seine vorn mittig der Bühne platzierte Kanzel herum performt, als wäre sie ihm bloß im Weg. Für blackmetallische Verhältnisse befindet sich das Quintett optisch zwar mitten im Genre, doch unsere Ohren müssen nicht die derbe Kante ertragen. Von daher reißen sie auf diesem eher truemetallischeren Festival nichts um, einige Gäste wippen auch mit, und nach einer Dreiviertelstunde dürfen wir sagen, die Nordhessen waren auf jeden Fall musikalisch besser als vorab im Netz angetestet.
Kommen wir nun zum ersten Leckerbissen auf dem diesjährigen Billing. Dieser Fünfer kommt aus Ohio, ist seit Mitte der Achtziger dabei und erlangte vor fast zwanzig Jahren bei den Oldschoolern einen höheren Bekanntheitsgrad mit dem Song „Make This Garden Burn“, den sie dem norddeutschen Headbangers Open Air widmeten. Inzwischen ist die Anzahl ihrer regulären Studioalben auf fünf gestiegen, inklusive des neuen „Visitors“. Einen großen Anteil an der neuen Bandära hat Sänger Juan Ricardo von Attaxe, der hier seit 2015 im Boot ist. Während Wretch ganz offensichtlich ein hohes Maß an Spielfreude an den Tag legt, beobachten wir, dass besonders Juan dauernd in Bewegung ist, und sich dabei bestens bei Stimme zeigt. Die auf der Bühne haben richtig Bock, dass sich die Stimmung überträgt. Man kann in ihrem Ausdruck und Sound sogar etwas was vom Heathen entdecken. Doch dann der Supergau für sehr ambitionierte Künstler, ein kleiner Stromausfall kann erst nach 25 Minuten behoben werden. Doch alle Beteiligten, insbesondere das Publikum, nehmen es locker. Zu lange für Juan, die ganze Zeit durch Publikumsanimationen zu überbrücken, aber dennoch kann die Stimmung schließlich dort wieder ansetzen und Wretch bringen ihren Set überglücklich zu Ende. Zum Schluss bleibt Zeit für nur noch einen Song, und da fällt die Wahl natürlich auf den für Deutschland geschriebenen, bereits oben angeführten „Make This Garden Burn“. Geile Typen und Profis, einfach ein Klasseauftritt, der im Billing vielleicht etwas zu früh angesetzt war.
Hier in Niederjossa wird sich nun dem Thrash gewidmet, denn Toxin sind nun dran, die bereits dritte Band aus Kassel. Das Quartett brachte sein Album „Misanthropy“ bereits 1991 heraus, sind also Oldschool wie nur was. Und hier in der Gegend auch wohl ziemlich beliebt, sehen wir doch ziemlich viele Patches und Shirts im Publikum. Von vorne weg gibt es vor der Stage viel Gebange, wie sich das gehört. In ihren sympathischen Ansagen bekommen sie auch Leute auf ihre Seite, welche die Band bislang noch nicht auf der Uhr hatten, denn es gäbe sie bereits seit vierzig Jahren und es wären noch immer dieselben Fratzen wie damals. Zu ihren alten Stücken gesellen sich auch mittelalte wie „The Chosen One“ und „Tears Of Blood“ vom 2002er Demo. Die Stimme von Gitarrist und Shouter Frank hat auch noch die bekannte Roughness und wir sind froh, den Vierer mal live gesehen zu haben. Das waren gut fünfzig kurzweilige Minuten, nicht der ganz große Schmiss, aber eine definitiv coole Sache. Und weil es wohl im Keller des Labels mal ein Problem mit Wasser gegeben hat, wechseln am Merch noch ein paar Vinylexemplare mit welligem Cover für einen schmalen Zehner die Besitzer.
Irgendwo klingelt es noch beim Vierer von Fateful Finality. Ach ja, die Baden Württemberger haben wir zuletzt auf dem ‚Riffing For Tolerance` 2022 in Köln live gesehen, damals ersetzten sie die ausgefallenen Traitor. Ihr jüngstes Album „Emperor Of The Weak“ stammt noch aus dem Jahr 2022, da sollte bald etwas neues erscheinen. Beide Gitarristen wechseln sich mit den Vocals ab und ein gewisser Corefaktor spielt eine Rolle, das Quartett nicht eindeutig in Oldschoolschubladen einordnen zu können. Dennoch beobachten wir nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne Action. Ihre Paniksoli gehen auch zu langsameren Stampfbeats recht gut rein, an „Hate Kill And Death“ erinnern wir uns in ihren fast fünfzig Minuten noch und leider auch daran, dass es am Imbiss in der Halle gar keinen Salat mehr gibt, wie im noch im vergangenen Jahr. Egal, dann kloppen wir uns eben ne Bratwurst weg, das ist so ähnlich.
Ganz ehrlich müssen wir gestehen, dass wir nicht wissen, wie oft wir die Thrasher von Traitor nun bereits live gesehen haben, mitgezählt haben wir schon einige Male zuvor nicht mehr. Im Herbst vergangenen Jahres auf dem Erntedrunkfest headlineten sie ebenfalls den Festivalfreitag, da wird für diesen Wochentag langsam Routine reinkommen. Dass der Drummer auch den Leadvocalisten stellt, kennen wir zwar schon, das haben wir bereits zigmal gesehen, sieht aber auf der Bühnenfront mit drei aufgestellten und meist unbenutzten Mikrofonständern noch immer ungewohnt bis komisch aus. Sie werden aber zumindest bei den allermeisten Ansagen der drei Fronter benutzt. Die Balinger bringen den Punch, geben alles und Songs wie „Knee-Deep In The Dead“ krachen in diesem osthessischen Gemeindehaus. Natürlich ist das markante „Reactor IV“ vom grandiosen „Venomizer“ Album dabei, auch weil jede Thrashband nukleare Thematiken mag. Wir beobachten, wie sich die Frontleute gegenseitig mit einem Tuch den Schweiß aus dem Gesicht wischen, und zu „Mad Dictator“ sehen wir einen Crowdsurfer. „Fuck You And Die“ liegt noch an und der Vierer reißt schon was weg, ein würdiger Headliner für diesen Festivalfreitag.
Tag 2, Samstag, 15.03.2025: Bastard Nation, Powertryp, Savage Blood, Attaxe
Am zweiten Tag des FMO, dem definitiv seichteren der beiden, beginnen die Spiele in Niederjossa zur bequemen Nachmittagszeit. Und wir haben echt noch einen Parkplatz vor der Tür ergattert. Und ergattert haben wir zwar von den Mannen aus Speyer lange kein neues Album mehr, ihre EP ist nun auch schon drei Jahre alt, aber Bastard Nation können schon am frühen Nachmittag live punkten. Ohoho-Chöre sitzen wie die hellen Screams, fürs das Auge gibt es Doppelhalsgepose. Wenn auch Sänger und Gitarrist Timo gern über die Bretter tänzelt, hat aber das Cover „Soldiers Of Hell“ dagegen wesentlich mehr Eier. Später im Billing wäre der Running Wild Song bestimmt mehr mitgegrölt worden. Dafür spielen sie aber ihr Anthem zum Schluss, das aber mit Overkill nichts zu tun hat, sondern die eigene thrashige Poweraxt ist. Ziemlich genau nach einer halben Stunde wurde der letzte Ton gespielt und so kann der Tag beginnen.
Jetzt ist ihr einziges Album „Midnight Marauder“ schon drei Jahre alt, als die munteren Powertryp aus Erlangen mit einem Krawallriff losstarten. Ihr Sänger, der das gestikulative Spiel mit den Kameraleuten und seinen Gitarristen liebt, ist ein Mantelmann mit Handschuhen, obwohl, so warm ist es draußen ja auch nicht. Hier drin taut auch alles langsam auf, der mitgrölbare Powermetal des Quintetts mit Songs wie „Doors Are Locked Now“ und „Bastet“ macht schon locker. Als ihnen eine Kiste Benediktiner auf die Bühne gebracht wird, wird der Mantel abgelegt. Die Melodien sitzen wie die sichere Performance. Zum Schluss tut das von Metal Church bekannte „Ton Of Bricks“ sein übriges, dass wir feststellen müssen, die Band kam die Dreiviertelstunde wesentlich besser als auf Platte!
Auf den Auftritt der nächsten Band freuen wir uns besonders. Und wir müssten lügen, würden wir etwas anderes behaupten, hauptsächlich für diese Einheit angereist zu sein. Beim Dragonslayer Festival im Sauerland haben die Osnabrücker im vergangenen Jahr ordentlich reingehauen und waren für uns die beste Band des Festivals. Heute spielen Savage Blood bereits als drittes, viel zu früh für eine professionelle Einheit im Brainstorm-Format. Und weil hier beim gekonnten Spagat zwischen Oldschool und etwas mehr Moderne der Undergroundfaktor überwiegt, jedenfalls tut er das im Moment noch, passen die Niedersachsen hier sehr gut auf die musikalische Färbung des Festivals, und sie befriedigen auch die musikalischen Gelüste der KIT-Gänger und Amimetaller. Also geht es hier sofort ab. Das wird mal wieder ein Klasseauftritt, so wie zuletzt in der oben erwähnten Schützenhalle Lichtringhausen im Sauerland. Favoritensongs wie „Downfall“ und „Battle Cry“ können ihr Ziel nicht verfehlen, machen zusammen mit der Bühnenaction einen obersympathischen Eindruck und so bekommt der Fünfer dementsprechend lautstark Applaus. Mit dem „Wheel Of Time“ machen sie auf einmal schon den Deckel drauf, so schnell verflog die Zeit. Ein grandioser Auftritt einer grandiosen Band!
Tatsächlich ist es so, dass Attaxe aus Cleveland jetzt hier und heute exakt ihr Vierzigjähriges feiern. Sänger Juan und den Gitarristen zu seiner Rechten haben wir am Vortag schon mit Wretch auf den Brettern gesehen, um am Merch ihr aktuelles, und tatsächlich bislang einziges Album mit dem nicht unpassenden Titel „Braving The Tempest“. Das Titelstück wird hier natürlich mitgegrölt. Juan performt mit großen Gesten und weiß spannend Bandgeschichten zu erzählen, wie sie zum Beispiel damals den Plattenfirmenchef gefesselt haben, endlich ihr Demo mit „Out Of The Storm“ zu hören, bis sie von der Polizei festgenommen wurden. Wofür hier garantiert niemand gefesselt werden muss, sind die straighten Basslinien von Originalmember und Uhrwerk Ray, die in „When Tyrants Fall“ mal richtig gut gefallen. Aus der Anlage drücken sie noch „Do You Believe?“, „Pedal To The Metal“ und auch noch „When Tyrants Fall“. Damit ist für uns jetzt leider auch das Festival zu Ende, denn wir werden geburtstagstechnisch bereits im Florinsmarkt zu Koblenz erwartet. Leider verpassen wir aus diesen technischen Gründen die Auftritte von Nova Skellis, Tröjan, Turbokill und Saint. Vielen Dank für alles …. bis zum nächsten Mal!
Autor & Pics: Joxe Schaefer