Heavy Metal Maniacs Festival

Amstelveen (NL), P60, 21. & 22.09.2018


Tag 1, Freitag, 21.09.2018: Universe, Steel Shock, Stallion, Battleaxe.

Am gestrigen Tag war es noch sehr sommerlich und des Nachts konnten wir zwanzig Grad Celsius messen. Auf der heutigen Anfahrt gibt es auch noch Sonne, doch kurz vor Beginn des Metal Maniacs Festivals scheint der Sommer sein Ende gefunden zu haben, als wollte man nun mit Wind, Regen und einem krassen Temperatursturz den Untergang einläuten. Nun ja, das Böse schläft ja bekanntlich nie, gehen wir mal ins P60 und feiern das. Darauf erstmal ‘n Heineken!

Von allen Bands auf diesem Planeten, die sich den Namen Universe gaben, sind die hier pünktlich eröffnenden jene Wuppertaler, welche schon seit Mitte der Achtziger unterwegs sind. Ihr letztes von drei Alben nennt sich “Mission Rock” und stammt noch aus dem Jahr 2015. Die Routiniers beginnen ohne Intro und sorgen mit Stampfbeats und sicher nicht zu wenig Bass in der Abstimmung für erste Reaktionen in der noch lichten Area, die sich im zweiten Stock des Ladens befindet. Sehr steile Treppen hier übrigens, nebenbei bemerkt. Wenn deutschsprachige Bands englische Ansagen machen,  hört sich das irgendwie komisch an. Doch es steigern sich die Reaktionen, denn zu „Welcome The Night“ ist’s noch Kopfnicken, und beim Midtempogroover „Big Screen Hero“ werden es schon Luftgitarren. Imposante vierzig Minuten ohne Tadel!


Wer in diesem Jahr bereits auf dem Kuhzifest zu Gast war, oder am vergangenen Wochenende auf dem Spirit Of Metal, dem dürfte die Qualität von Steel Shock um Gitarrist Martjo von den Urgesteinen Vortex nicht entgangen sein. Die junge Band hat auch mit “For Metal To Battle” schon ein Album raus, das im vergangenen Jahr erschien. Was eine Riffkelle, die der Fünfer in Leder und Nieten hier nach dem Metzelintro liefert. Metal as Metal can be, mitten aufs’ Maul, genauso muss das. Von jedem, dem ich meine Begeisterung zuteil werden lasse, muss ich mir die Frage bezüglich meiner Abstinenz der oben angeführten Festivals gefallen lassen. Basser Marcel sieht man fast nur im Synchrongepose, denn einem Gitarristen stellt er sich immer zur Seite. Außerdem wird ‘in Memory of Lemmy’ angestoßen, wie sich das gehört. Steel Shock kriegen den Laden mehr als warm, so kann’s gerne weitergehen. Obendrein ist über sehr geiles Liedgut zu berichten, dessen Reigen mit dem Vortex-Cover “Open The Gate“ abschließt, so hammergeil, dass nach den vierzig Minuten erstmal schnell der Gang zum Merch ansteht, einmal alles zu bestellen.


Keine Ahnung, wie oft wir die süddeutschen Stallion schon live gesehen haben. Die Freude, sie wieder abfeiern zu können, pendelt noch immer in oberen Regionen, was man bei ihrer Performance auch nur schwerlich unterlassen kann. Zuletzt auf dem Ironhammer Festival in Andernach mal wieder erlebt, wie sie mit ihrem Material in anständigen Härtegraden Gehörgänge zersägen und Häupter bangen lassen. Schon früh waren Äxl, Pauly und Co. in mitten der Audienz des P60 anzutreffen, tragen Merchkartons selbst und nehmen sich die Zeit für einen Schwatz mit den Fans. Auf hiesiger großen Bühne gibbet wie gewohnt ordentlich Bewegung, das heißt aber nicht, dass Pauly mit einer Pose nicht so lange stillhält, bis auch der letzte Fan mit seiner popeligen Handycam sein Foto gemacht hat. Außerdem fällt immer wieder auf, was ihr aktueller Titelreißer „Rise And Ride“ für einen geilen Opener abgibt, vor allem mit den perfekt gekreischten Höhen im Chorus. Die Menge tobt, die logische Konsequenz bei der hohen Qualität. Pauli macht in einem durch Dampf, zieht aber erst zu „Watch Out“ die Jacke aus. Das extrem kurze und wahnsinnig schnelle „Kill Fascists“ findet sich zum zweiten Mal in der Setlist wieder, bevor mit dem unverzichtbaren „Canadian Steel“ der Deckel drauf gemacht wird. Doch keinesfalls verlassen die fanfreundlichen Metaller die Bretter, ohne sich bei ihren Die-Hard Fans in den ersten Reihen ausgiebig zu verabschieden. Irgendwie kann man von Stallion auch gar nicht genug kriegen! Auch nicht vom Merch und es soll Leute geben, die mehrere von dem noch immer erhältlichen, weißen Shirt besitzen, das es in den Anfangstagen zusammen mit der ersten EP zu erwerben gab. Absoluter Kult!


Der Slot des Headliners am ersten Festivaltag geht an die Briten Battleaxe. Gerade noch im Abebben der Bewegung, im Jahre 1983, ihr erstes Album “Burn This Town” veröffentlicht, die gleichnamige Single kam noch ein Jahr früher, genießen sie den Ritterschlag, zur NWoBHM gehören zu dürfen und folgerichtig haben sie bereits auf dem Brofest gespielt. Die Mannen aus Sunderland, südlich von Newcastle Upon Tyne, supporten mit “Heavy Metal Sanctuary” und “Romeo” ihr 2014er Album, das zusammen mit ihrem älteren Material naturgemäß härtegradtechnisch einen Tacken unter der Band zuvor liegt, aber AC/DC-mäßig plus Action und Gepose unterhält. Ihr eigentlich drittes Album, das sie 1987 aufgenommen haben, heißt “Mean Machine”, haben es jedoch nie veröffentlicht. Statt dessen hörte man erst 2010 wieder was von der Band, angeführt von Basser Brian und Sänger Dave. Mit letztgenanntem Namen sind übrigens so einige Bandmembers auf dem Festival vertreten, als hätten sie sich alle hier zum Namenstag verabredet. Durch Gitarrenderwisch und Blickfang Mick kommt neben dem schon sehr aktiven Dave noch mehr Bewegung ins Acting, nur muss man wegen den zahnbechergroßen Biernäpfen dauernd den Tresen aufsuchen. Wenn man läuft, läufts, oder so. Und man kann in der Tat laufen lassen, denn die nächste Band spielt erst in über sechzehn Stunden …


Tag 2, Samstag, 22.09.2018: Alltheniko, Tytan, Ranger, Emerald, Vhäldemar, Piledriver.

Erst am späten Nachmittag beginnt der zweite Festivaltag, und zwar mit einer weiteren Band, auf die wir uns mächtig freuen, nämlich Alltheniko aus Italien. Der Grund dafür liegt in ihrem Auftritt auf dem diesjährigen Summernight Open Air begründet, bei dem das Trio komplett überzeugen konnte. Basser, Shouter und Aktivposten Dave (!) legt sehr viele Meter zurück, hat wegen seiner hohen Stirn irgendwie was von Cronos, zwitschert aber in wesentlich höheren Oktaven als der Brite, haha. Gebracht werden „Sufferman“, das von der Frau mit einem anderen Mann eingeschlossen im Badezimmer handelt und „Thunder And Steel“, wo man in London im Knast saß. Dave sehen wir in jeder Position, unter dem Mikrofon, im Sitzen, auf Knien, in der Hocke, in der man ja bekanntlich alles erledigen kann, aber vor allem immer von einem mächtig großem Funfaktor ergriffen. Beide Fronter unternehmen nacheinander einen Ausflug ins Publikum und schließen mit dem schmissigen “Re-Burn“ ab. Von solchen Refrains müssten sie noch mehr haben. Respekt auch davor, dass der Dreier noch immer in der Gründungsbesetzung von 2002 zockt. Zum Abschied hält Dave jedem sein Brett hin, dass alle mal die Saiten seines Basses zupfen dürfen, inklusive Drummer Luca mit seinen Sticks. Starke Performance von den Italienern, ein geiler Auftakt, diese fünfundvierzig Minuten. Mehr davon bitte! Ach ja, man darf es in diesem Zusammenhang mal erwähnen, dass ihre Landsleute von Strana Officina noch immer ein ebenso cooler Geheimtipp sind.


Spielt eine britische Band auf dem Heavy Metal Maniacs Festival, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine aus der NWoBHM. Diese Londoner durften wir zuletzt auf dem Der Detze Rockt Festival abfeiern und das 2017er „Justice: Served“ Album ist noch immer aktuell. Für unseren Tino waren Tytan auf dem Detze als vorletzte Band der Headliner, hier in Amstelveen müssen sie noch früher ran. Zwar gibbet ein Synthieintro, doch sonst werden die Keyboards nicht zu aufdringlich. Gitarrenfreaks stehen eh auf der linken Seite, wo sich Gitarrist Dave (!!) positioniert steht und seine goldene Paula deutlicher zu hören ist. Der ziemlich filigrane Finger fährt nicht nur im Opener und wahrscheinlich bekanntestem Klassiker „Blind Men And Fools“ das fette Brett, sondern im gesamten Set, dass die Tasten einfach hinten anstehen. Der Mann haut sich aber auch ein paar perfekte Flitzesoli raus, Wahnsinn! Solange er dabei songdienlich bleibt und Bandleader, Basser und Ansager Kevin ihn nicht bremst, bleibt alles im grünen Bereich. Ein mehr als anständiger Auftritt von fünfzig Minuten, und das so früh am Abend. Im Anschluss sprachen wir Kevin unser Lob aus, dass Gitarrist Dave großartig ist, weil ihm wohl alles gelingt. Kevins Antwort darauf: “Trust me, he cannot sing!”


Jeder Banger, der was auf sich hält, weiß nur zu genau um das hohe Tempo, ohne das die Finnen erst gar nicht auf die Bühne gehen, geschweige denn überhaupt ein Instrument anfassen. Dem kommen Ranger sicher nach, abgesehen vom gebremsten Schunkler „Nights Of Darkness“, treten allerdings nur zu dritt auf. Das schmerzliche Fehlen der zweiten Gitarre reißt Lücken während der Paniksoli und verleiht den Speedstern wie „Supreme Evil“ und dem oberwichtigen „Shock Skull“ aber mehr Punkfeeling. Unser Tino klagt auf diesem Festival jedoch über einen ganz anderen Verlust: “Irgendwie fehlt  Jarvis!” Derweil brüllt mir unser Redakteur Jens von hinten ins Ohr, dass der Preis für den schönsten Pornobalken an Basser und Shouter Dimi geht, der noch vor dem Abschließer „Touch Of Death“ zeitweilig die Siegesfaust in die Luft reckt. Muss ihm wohl auch als Dreier genug Resonanzen eingebracht haben, “Ranger”-Rufe waren schließlich ja auch dabei. Im Anschluss verrät uns die Band, dass Gitarrist Ville vor zwei Monaten ausgestiegen ist und auch der Ersatzmann heute nicht kommen konnte. Doch bevor man den Gig cancelt, beschloss man als Trio aufzutreten. Nächstes Mal werden wir Ranger definitiv wieder als Quartett zu sehen bekommen!


Die hier in den Niederlanden beheimateten, von allen Bands auf unserem Planeten mit dem Namen Emerald natürlich diese, haben wir zuletzt im Lükaz zu Lünen live gesehen. Als man heute hier reinkommt als die Band schon spielt, stellt man schnell fest, es handelt sich um ihr Heimspiel. Der Fünfer rockt völlig entfesselt und das Publikum geht noch extremer ab. Ein paar Timingschwankungen und Verspieler – geschenkt. Stimmungsgarant ist der Dave (nein!) Murray Lookalike mit Links-Flying-V, der ständig in Bewegung bleibt und noch seine Mutter auf die Bühne holt, die selbstredend im Shirt von Emerald gekleidet erscheint. Der Grund dafür ist ihr 90. Geburtstag, für das sie sich ein spontanes Ständchen von der Audienz abholt. Der eigene 1985er Klassiker „Shadows Of Almighty“ vom ersten Album “Down Town” kann ähnliche Reaktionen hervorrufen. Oldschool rult halt, so und so. Blöd nur, dass Oberfan Jörg, der nicht Uwe heißt, irgendwie ihren Auftritt verpasste, wo er sich doch so drauf gefreut hat.


Mit ihrer jüngst erschienenen „Against All Kings“ Scheibe konnten wir den Powermetallern Vhäldemar von der iberischen Halbinsel knackiges Accept-Riffing bescheinigen, allerdings auch süßere Sounds und Keyboardschmalz. Und das Instrument mit den Tasten, welches in bester Jens Johansson Manier zum Publikum gedreht aufgestellt wurde, steht öfters im Mittelpunkt, zum Beispiel im Duell mit der Gitarre. Dazu mischt sich irgendwann noch der Bassmann ein, der sich im Anschluss auch noch die Zeit für ein Solo nimmt. Sänger Carlos, der nicht Dave heißt, bringt die ganze Palette, kriecht, liegt, greift dem Gitarristen in die Saiten, filmt während seiner Ansage und rennt trotz Kabelmikrofon durch die gesamte, ja wirklich die komplette Audienz bis zum Merch am anderen Hallenende. Die Spielfreude kann dem Fünfer niemand absprechen. Mitgröler, in denen die Schlagwörter Heavy und Metal vorkommen, werden eh immer gerne angenommen. Nicht jeder der Gäste ist Fan von Power Metal, geschweige denn von ausgiebigen Doublebassparts und Keyboards, jedoch die vor der Bühne Befindlichen feiern das ab, dass es sogar Rufe nach Zugabe gibt.


Von noch weiter angereist als die Spanier sind die Urgesteine von Piledriver. Die in unseren Breiten raren Kanadier kleiden zu Recht auch gleich den Headlinerposten. Und kleiden soll auch das nächste Stichwort sein, denn ihr Shouter und Namensgeber kommt in genau dem Outfit, das von den Covern ihrer beiden Scheiben “Metal Inquisition” und “Stay Ugly” bekannt ist. Zwar haben ein paar Pinne schon etwas gelitten und stehen nicht mehr exakt aufrecht wie Mitte der Achtziger, die Songs der Alben aber umso mehr. Mit einem Fuß auf der Monitorbox und einer gebeugten Haltung, als würde er andauernd ins Mikro kotzen wollen, werden die Vocals ausgestoßen. Noch nie in eine der oberen Schubladen gehörend, kommt der Vierer live vielleicht noch etwas trashiger (ja, in diesem Fall ohne ‘h’), geschuldet den erstklassigen Schraddelriffs und schrägen Soli.”Endlich Kultur!” ruft’s mir von hinten ins Ohr. Das Anthem “Pile Driver” wird schon früh gebracht, ebenso wie Virgin Steels „The Fire God“, das die New Yorker erst 1999 auf ihr “The House Of Atreus Act I” Album packten. Ein weiterer Querverweis folgt zu “Sex With Satan“, das Marduk 1996 coverten. Hier bietet der wasserspuckende Piledriver dem neben uns abrockenden Alltheniko Shouter Dave Oralsex an. “Satan wants a Girlfriend”, klärt uns die Ansage des Pfahlfahrers auf, “we give auditions after the show!” Einer der unumstrittenen Favoriten ist der rhythmische Midtempokracher „Witch Hunt“, viel zu lange schon nicht mehr gehört. Logischerweise bildet sich irgendwann ein Pit und auch Stagediver waren zu erwarten. Auf der Bühne springt ein Mädel mit einer aufblasbaren Gitarre herum, auch wenn es aber wohl eher irrtümlich in einem Shirt von Slipknot steckt. Nun können alle die Bühne stürmen und selbstredend sind uns Jens und Tino mit dabei, beide natürlich mit geöffneter Frisur. “We will be back!” brüllt uns der in wenigen Minuten 57 Jahre alt werdende Piledriver noch entgegen, bevor er nach zwei Zugaben kurz vor Mitternacht die Bretter für eine ausgiebige Backstageparty verlässt. Das nach dem Auftritt von Emerald bereits eingeübte Publikum stimmt trotzdem schon mal das Geburtstagsständchen an. Klasse Abschluss, nächstes Jahr geht’s weiter!

Autor & Pics: Joxe Schaefer