Heavy Metal Maniacs Festival

P60, NL-Amstelveen, 22. + 23.10.2021


Endlich wieder ein Festival, und diesmal sogar Indoor zur 2G-Regel. Bei schon gut gefüllter Halle spielen Harbour Of Souls auf, eine noch albumlose metallische Vereinigung aus Zeeland. Drummer Richard war bereits bei den holländischen Vulture und als Livetrommler bei Within Temptation, da kommste auch nicht mal eben hin, wenn du nix kannst. Mit dem Titelstück ihrer ersten Demo-EP „Mountain Of Fire“ nimmt die Dreiviertelstunde ihren Lauf und ihr Sänger mit den auffällig nagelneuen weißen Turnschuhen trägt einen halben Mikroständer wie Chuck Billy oder früher auch Freddy, und wirft zwischendurch gerne ein paar Hua! ein. So urriffig wie kürzlich Savage Blood auf dem Ironhammer Festival zeigt sich auch dieses Quintett und zieht so die ersten Fans vor die Bühne. Bis auf das zackige Uptempo bei „Ministry Of Power“, bei dem gleich ein kleiner Ruck durch die Menge geht, bleibt es sonst im bevorzugten Mitteltempobereich. Das Cover von Saxon „Motorcycle Man“ wird somit auch gleich als das schnellste Stück des noch jungen Abends verbucht. (Joxe Schaefer).


Bei der nächsten Band tun sich bei Powerwolf und Sabaton-Abstinenzlern, die auf Festivals wie diesem hier heute zahlreich vertreten sind, einige Fragen auf. Die sind jedoch schnell beantwortet, wenn man den Humor der ex-Ivory Knight Leute verstanden hat oder seiner ausgelassenen Laune lieber am Bierstand freien Lauf lässt. Der vor Ort anwesende Depredation Bassist will den Fun-Faktor von Hammer King als pure Satire verstehen. Mit Anfällen von ernsterem Moshen ist bei dieser Band nicht zu rechnen, obgleich mir jemand unter den Zuschauern zu berichten weiß, dass es mit dem Fremdschämfaktor auf der neuen Scheibe nicht mehr so schlimm wäre. Dementsprechend geht man mit gemischten Gefühlen an die Sache heran und kann sich nach dem langen Intro und dem Vorzeigen des Requisitenhammers eines Statisten zumindest schon mal über anständige Soundverhältnisse freuen. Immerhin steht bei den Rheinland Pfälzern in diesen Tagen mit Günt ein Thrash-Urgestein mit auf der Bühne, welches offensichtlich in seinen Jahren nach Abandoned die großen Posen noch nicht verlernt hat. Leider ist es am eröffnenden Festivaltag heute so, dass die erste richtig coole Band auch die letzte auf der Tagesordnung ist. Und bei einer Hammerband stehen wir natürlich ganz vorne, nicht wahr, Herr Tino? (Joxe Schaefer).


Ja, Herr Joxe, natürlich! Immerhin geht es hier um Bullet! Am Einfachsten wäre es jetzt für mich beim Thema zu bleiben, hätten die schwedischen Sympathiebolzen einen meiner Lieblingssongs auf der Setlist stehen, „Hammer Down“. Der fehlt leider heute wie mir vorab ein neugieriger Blick auch das DIN A4 Blatt vor den Monitorboxen verrät. Dafür lassen die fünf Recken in authentischem Bühnenoutfit mit „Speed And Attack“ von Beginn an den Hammer über den Köpfen der gut gefüllten Halle kreisen. Ein bunter Strauß an Hits quer aus allen Schaffensphasen der Jungs gibt es um die Ohren geballert, in Form etwa von „Riding High“, „Turn It Up Loud“ und dem epischen „Rolling Home“, bei dem mir wie immer die Augen etwas feucht werden. Das Quintett strotz wie gewohnt vor Energie und wird zu keiner Sekunde langweilig. Bullet haben einfach Spaß auf der Bühne und dass sie mit Herzblut dabei sind, wird von den Dauerbangern vor der Bühne nach jedem Song mit reichlich Applaus quittiert. Weiter geht es mit “Storm Of Blades”, “Dusk Til Dawn” und “Heading For The Top”. Bei der Rock ’n’ Roll Nummer „Rambling Man“ blüht Sympathieträger und Saitenguru Hampus richtig auf, bevor es mit Bang Your Head die nächste Aufforderung zum Nackenkillen gibt. Eine Bullet Show wäre wohl auch keine Bullet Show ohne das obligatorische „Stay Wild“. Da die einzigen Skandinavier des Festivals heute einiges an Spielzeit zur Verfügung haben, gibt es als Gänsehautmoment endlich mal wieder mein geliebtes „Dr. Phibes“ Cover – grandios wie immer. Mit „Highway Pirates“ geht es auch schon auf die Zielgerade, gefolgt von „Fuel The Fire“ und „Highway Love“. Final ballert, wie es sich für eine Bullet Show gehört, „Bite The Bullet“ aus den Boxen. Was für eine Show und für mich natürlich Tagessieger in allen Kategorien. Die anschließende Aftershowparty im Backstage war ein großes Wiedersehen und wurde mit reichlich Getränken mit schwedischen und holländischen Freunden gut begossen. Kein Wunder, dass man dann anschließend auf dem Weg zum Hotel nicht mehr ganz auf der geistigen Höhe ist. So passierte es dann auch, dass wir auf der Suche nach dem kürzesten Weg zum Hotel über Baustellenabsperrungen krabbeln und uns auf einem Autobahnzubringer wiederfinden. Über diese Aktion werden wir sicher in Zukunft noch das ein oder andere Mal drüber lachen. Glücklich und zufrieden kippen wir dann einfach nur noch in die Federn, um Kraft zu tanken für den zweiten Tag. Ob wir das geschafft haben, wird uns Herr Joxe nun erzählen… (Tino Sternagel-Petersen).


Tag 2, Samstag, 23.10.2021: Black Knight, Roadwolf, Jurassic Park, Sacrilege, Bütcher, Sortilege.

Obwohl wir für euch die Absperrungen absichtlich haben stehen lassen, wart ihr doch früher am Frühstückstisch als wir. Na ja, jedenfalls haben wir die hier heimischen Black Knight bereits auf dem German Swordbrothers 2016 gesehen. Die klingen ein Stück weit nach Iron Maiden, coverten aber nicht unfallfrei ein schnelles „Bark At The Moon“ von Ozzy. Am heutigen Tag können wir die Jungs wiedererkennen, die jedoch wesentlich fetter auftreten und sich vor heimischem Publikum selbstbewusster präsentieren. Offensichtlich hat sich das Urgestein gut eingespielt und kann bereits zu dieser frühen Stunde mit Songs wie „Beware Of The Blind“ dem schon zahlreich erschienenem Publikum Zappeleien entlocken. Auch wenn beim Weg zueinander das Kabel zu kurz ist und mal aus der Buchse fliegt, treffen sich die Gitarren immer wieder zum Duell, ein sicheres Zeichen für eine Menge Spielfreude. Die klassischen Metaller haben mehr schnelle Stücke im Gepäck wie das flinke „Warrior“. Die für uns fremdsprachlichen Ansagen der hier heimischen Bands bleiben meist unverstanden. Aber wie uns später bestätigt wurde, teilen sich für den vorletzten Song Shouter David, der grad seinen letzten Auftritt bei Black Knight absolviert, und der neue Sänger Patrick die Vocals. Das ergibt ein Duett, in dem sich beide wohl gegenseitig übertreffen wollen. Danach beansprucht man zusätzliche Dienste bei den Backing Vocals und auf der Bühne stoßen zwei Damen an bereits aufgestellten Mikroständern dazu. (Joxe Schaefer).


Die Speedmetaller von Hell Freezes Over wurden schon im Vorfeld auf dem Billing durch Roadwolf ersetzt und die legen nach ihrem Intro galant im treibenden Uptempo los. Ihr aktuelles Album gehört zu den Highlights des vergangenen Jahres und dementsprechend waren die Erwartungen hoch. Die Österreicher spielen heute ihre erste Show in Holland und die erste nach Beginn der Pandemie. Die vier Langhaarigen bauen munter auf Songs wie „Wheels Of Fire“ und „Don‘t Deliver Us From Evil“, ihr Gitarrist Valentin auf ein rotes Hemd. Basser Aigy wirft sehr helle und immer ziemlich perfekte Backings ein, dass starke Duetts entstehen. Zum Titelstück ihres Albums „Unchain The Wolf“ führt Sänger Franz einen als Wolf Verkleideten auf die Bühne, der etwas mit der Maskenpflicht übertreibt, hehe. Dieser rennt von der Kette gelassen wild durch das Publikum und schaut sich als Isegrim das neue Stück „Sounds Of The Golden Hall“ aus dem Publikum an. Schade nur, dass bei einer Gitarre die rotzigen Riffs bei den Soli fehlen. Zum Finale spielen die Wiener ihr Anthem und der ganze Laden ist nach fünfzig Spielminuten glücklich. Hammerauftritt, so kann es weitergehen. Tut es das auch, Herr Tino? (Joxe Schaefer).


Na klar, Herr Joxe, denn nun ist es Zeit für mein erstes persönliches Tageshighlight. Jurassic Park sind quasi aus den Ruinen der legendären Frankenstein entsprungen, die bereits in den Siebzigern aktiv waren und sich damals mit spektakulär lauten Shows einen Namen machten. Ohne dessen Gründer Berthus Westerhuis wären wohl beide Bands nicht mehr am Leben. Klingt nach einer langen Geschichte – ist es auch, daher gehen wir einfach gleich zum Wichtigen über, der Musik. Bis jetzt habe ich es leider noch nie geschafft, diese Band mal live zu sehen, was sich ja zum Glück heute ändert. Und wie, soviel schon mal vorweg. Los geht es mit „Ready To Rock“ und die Jungs zeigen gleich mal von Beginn an, warum sie bis heute aktiv sind. Die Jungs haben Erfahrung, treten echt Arsch und bringen eine unglaubliche Energie auf die Bühne. Fronter John Scholing agiert immer wieder mit der Menge und der Vierer zockt sich straight durch seine Setlist, in der natürlich auch der ein oder andere Frankenstein Song auftaucht, so wie etwa der Killertrack „Stay Clean“. Jurassic Park überzeugen auch optisch mit lustigen Einlagen wie etwa einer Nebelkanone, die John ins Publikum hält oder zum finalen Higher Grounds mit einer Klobürste über die Bühne fegt. Auch ein Staubsaugerschlauch schaffte es in das Kuriositätenrepertoire der Holländer, dessen Gag ich leider aufgrund einer vollen Blase verpasst habe. Ein super Auftritt des Quintetts und ein schöner Vorgeschmack auf das, was jetzt noch kommt. (Tino Sternagel-Petersen).


Denn heute geht es Schlag auf Schlag. Mit Jurassic Park verlässt ein Szeneurgestein die Bühne und mit den Briten Sacrilege steigt das nächste auf die Bretter. Den Insulanern ging es in den frühen Achtzigern wie vielen ihrer Landsleute und sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Drei Demos wurden veröffentlicht und das war es dann auch, bis Sänger und Gitarrist Bill Beadle vor zehn Jahren das Schlachtross Sacrilege wieder aufs Feld führte. Seitdem gibt es in regelmäßigen Abständen Veröffentlichungen und mit den ersten beiden Tracks des Vorletzten „Death March Six6six“ und „Welcome To The Dragon’s Den“ geht’s gleich steil nach vorne. Fronter Bill trägt dazu stilecht einen Schal in Union Jack Optik und weiß auch stimmlich voll zu überzeugen. Druckvoll und sehr abwechslungsreich zocken sich die Jungs durch ihre Setlist. Das Publikum ist auch sichtbar angetan von dem Quartett und so wird nach jedem Song lautstark applaudiert. Mit „The Court Of The Insane“, dem Titeltrack des aktuellen Albums, kommt mein persönliches Highlight schon sehr früh, unser Joxes Highlight „Unknown Soldier“ fehlt dafür leider heute auf der Setlist (zu Gunsten schnellerer Stücke, teilte mir Gitarrist Paul mit, den wir sonst alle von der NWoBHM Legende Salem kennen. Anm. v. Joxe.) Basser Jeff Rolland ist ein echter Hingucker und schneidet Grimassen am laufenden Band. Ansonsten ist die Stageaktivität überschaubar, was aber für den teils doomigen Heavy Metal völlig ok ist. Sacrilege liefern heute eine mehr als amtliche Show ab und mit Songs wie „Ashes To Ashes“, „In Hell“ oder „Rock ’n’ Roll With The Devil“ können auch die letzten Zweifler umgestimmt werden. Abschließend gibt es noch das großartige „I Can Hear The Silence“, bevor der Auftritt viel zu schnell vorbei ist. Gerne würden wir dieses musikalische Highlight bei nächsten Mal – etwa auf dem BroFest sehen – warten wir mal ab. (Tino Sternagel-Petersen).


Abwarten brauchen wir am heutigen Tag nicht, den der nächste Top-Act steht schon in den Startlöchern und es bleibt nur wenig Zeit für einen kurzen Trinkabstecher ins benachbarte Parkhaus. Pünktlich zum ersten Akkord der belgischen Senkrechtstarter Bütcher stehe ich vor der Bühne und werde sofort weggeblasen von der blasphemischen Urkraft dieses Fünfers. Die Jungs haben mit ihren bisherigen zwei Black / Speed Metal Alben für mächtig Furore in der Szene gesorgt. Dass Bütcher die Energie ihrer Scheiben live noch toppen können, weiß jeder, der einem ihrer Auftritte schon mal beiwohnen durfte. So erinnert sich die X-Crash-Crew immer noch mit einem breiten Grinsen an die Auftritte auf dem 2019er Der Detze Rockt oder dem letzten Hell Over Hammaburg. Auch heute machen Fronter R. Hellshrieker und seine Mannen keine Gefangenen und geben von Anfang an Vollgas. Der charismatische Hellshrieker mit seinem umgedrehten Kreuz-Microhalter feuert immer wieder das Publikum an und es wird gebangt, was der Nacken hergibt. Bandneuzugang Max Mayhem, der genau wie AH Wrathchyld von Evil Invaders übergelaufen ist, macht einen guten Job und passt super in die Band. Neben einer Auswahl an Songs der beiden ersten Alben hat es auch ein neuer Track in die heutige Setlist geschafft, ebenso wie natürlich der epische Titeltrack des aktuellen Albums „666 Goats Carry My Chariot“, an dem wohl auch Quorthon sicher seine helle Freude gehabt hätte. Ein weiteres Highlight für mich ist der Opener des Debüts „Thermonuklear Road Warrior“, der einem einfach nur die Falten aus der Fresse bläst. Was für eine Urgewalt, die hier rund eine Stunde über das gut gefüllte P60 hereinbricht. Für fast alle jetzt schon der Headliner des heutigen Tages. Ob da der eigentliche Headliner noch mithalten kann, weiß jetzt unser Joxe noch. (Tino Sternagel-Petersen).


Ja nee, bin grad auf einem anderen Planeten. Mir stechen grad noch die markanten Leads von Priests „Victim Of Changes“ aus einem lärmenden Schlussgetöse hervor, bevor der furiose Auftritt der heftigsten Band dieses Festivals als beschlossen gilt. Echt granatig, diese Bütcher. Danach bleibt kaum Zeit zum Durchatmen, da ist schon Zeit für das Finale. Jetzt steht man nicht mehr ganz so dicht vor der Bühne wie zuvor bei Bütcher. Stilwechselbedingt kommen jetzt mehr die Veteranen vor die Bühne, aber viel weniger Bewegung ist nicht zu beobachten. Es macht einfach keinen Sinn, diese Franzosen auf ihre 1983er Debüt-EP zu beschränken, auch wenn der frühere Sänger und Gründungsmitglied Christian jetzt seine Version der Band weiterführt. Sortilege ist heute der Headliner und der startet mit einem Midtempo Groover. Dieser verursacht allerdings schwer Gebange und motiviert den Tanzfuß. Zwar werden die Chöre offensichtlich aus dem Back eingespielt, aber das stört hier grad niemanden. Zu groß ist die Spannung auf die Virtuosen, die immer irgendwie was Hymnisches haben, auch in den schnelleren Songs. Ihr hohes Potential an songwriterischem Vermögen, ähnlich wie bei Queensryche Anfang der Neunziger, weckt Erinnerungen und geschmeidige Leads und Soli gehen immer wie geölt in die Gehörgänge. Möglicherweise gehört Gitarrist Bruno physisch nicht zu den Größten, spielerisch jedenfalls schon. Zum Schluss werden mit ihrem größten Bandhit, ihr eingangs erwähntes Anthem der gleichnamigen EP aus 1983, auf beiden Seiten nochmal alle Reserven aktiviert, bis man sich verbeugt und die Bühne verlässt. Ein souveräner Auftritt und gelungener Festivalabschluss. Da wunderts keinen mehr, dass am Merchandise so einige Bandshirts den Besitzer wechseln. Somit geht dieses Fest leider schon zu Ende, aber immerhin noch mit gebührlicher Geburtstagsbegießung unseres Jensenmanns. Zum Schluss noch eine Notiz an Tino: Nüchtern sind bei Tageslicht die Baustellenabsperrungen auf Zubringern kein Problem mehr, wenn man nach Navi fährt! (Joxe Schaefer).

Autor & Pics: Tino Sternagel-Petersen, Joxe Schaefer