HELLOWEEN

Bochum, Ruhrcongress, 24.11.2017


Das würde jetzt einfach ein zu langer Text werden, die Geschichte der Kürbisköpfe von 1983 an aufzurollen. Jedenfalls ist es für viele Fans damals ein Riesencut gewesen, als Kai Hansen die Band verließ und mit Ralf Scheepers Gamma Ray gründete. Wahrscheinlich für den Verfasser dieser Zeilen der Hauptgrund gewesen, sie nicht mehr live gesehen zu haben. Beinahe hätte das auch jetzt wieder geklappt, wenn ich nicht überredet worden wäre. Nun gut, wie Kai Hansen im Moment drauf ist, interessiert einen alten Achtzigermetaller schon, und wer auf den Gigs der laufenden ‚Pumpkins United Tour‘ schon dabei war, berichtet mehr Gutes als Kritisches. Ohne Vorband sollen sie auf die Bühne gehen und über 150 Minuten spielen.

Mal sehen was heute in Bochum passiert, nachdem pünktlich zur Tagesschauzeit das Intro, ausgerechnet „Let Me Entertain You“ von Robbie Williams, ein stattlicher Opener und erstes großes Highlight „Halloween“ ins Geschehen einführt, gefolgt von „Dr. Stein“. Auf der Bühne steht die aktuelle Helloween-Besetzung Löble, Gerstner, Grosskopf, Weikath und Deris, welche von Anfang an durch die bei den Fans sehr beliebten ex-Members Kiske und Hansen angereichert werden und nun gemeinsam unter dem Banner der ‚Pumpkins United Tour“ unterwegs sind. Andere Mitglieder früherer Tage, die auch lange in der Band aktiv waren, wie Gitarrist Roland Grapow (u.a. Masterplan) und Drummer Uli Kusch (u.a. ex-Gamma Ray), waren nicht mit dabei. Für kleine Pausen zwischen den Songs sorgen immer wieder Cartooneinspieler auf einer riesigen Videoleinwand im Hintergrund. Die beiden Kürbismännchen nennen sich Doc und Seth, übermitteln nicht nur den Fun-Faktor der Band und erinnern stimmlich an die ZDF-Mainzelmännchen, sondern übernehmen auch einen Großteil der Ansagen. Während der Songs werden Bilder der Cover und andere Kürbisdarstellungen optisch untermalend angezeigt. Wie Michael Weikath gegenüber X-CRASH nach der Show verrät, seien alle derzeit gesundheitlich angeschlagen, bekommen aber musikalisch und stimmlich Kracher wie „I’m Alive“ gut gebogen. Die breite Bühne wird mitsamt Laufsteg ständig in Gänze beackert, lediglich gerannt wird nicht. Drei Gitarren und drei Sänger teilen sich ihre Parts, nur bestimmte Klamotten erledigt der Protagonist allein, wie Andi Deris sein „If I Could Fly“. Viele Beiträge der zweiten Bandphase ab Anfang der Neunziger wie „Are You Metal“ und „Kids Of The Century“ wurden komplett gespielt, darunter auch farblosere Songs wie „Waiting For The Thunder“. Nach dem perfekten Gentleman, für den Andi ein Glitzerjacket und den Zylinder rausholt, wird der Wochen zuvor ausverkaufte Ruhrcongress Zeuge vom zweiten großen Highlight des Abends.

„Wollt ihr ein bisschen was auf die Fresse?“ Kais Anfrage erzielt in der Audienz sofort Wirkung und ein mit „Starlight“ (Yyeess!!!) beginnendes Medley der Bandfrühphase mit „Ride The Sky“, „Judas“ und „Heavy Metal (Is The Law)“ schneidet Kai direkt ins Gehirn der mitsingenden Fans; die sich sonst heute eher zurückhaltenden Besucher rasten aus. Wenn jetzt noch die Gitarren lauter braten würden, wäre es richtig. Noch mehr von diesem frühen Material wäre der Oberhammer gewesen, denn „Murderer“ und „Victim Of Fate“ können aus dem Stand töten. Dagegen wirkt nach dem Knaller-Programmteil auf einmal der Kuschler „Forever And One“ genau gegenteilig und nimmt die grandiose Stimmung wieder raus. Zwar ist die mitreißende Ballade „A Tale That Wasn‘t Right“ ein weiteres Highlight des Abends, aber vielleicht zu früh im Set platziert. Michael Kiske und Andi Deris funktionieren als Team am Mikro sehr gut, was sich auch im Dialog positiv auf die Ansagen auswirkt. Sie performen auf dem Steg von Barhockern aus die langsameren Songs gemeinsam. Doch danach wird es schwer, die ausgelassene Stimmung des Medleys nochmal zu erreichen. Was „I Can“ nicht gelingt, schafft auf beeindruckende Weise aber eine nicht alltägliche Idee. Zum akustisch und optisch eingespielten Drumsolo des verstorbenen Helloween Originaldrummers Ingo Schwichtenberg, setzt Dani Löble mit ein und liefert sich ein virtuelles Duett. Für die Fans der früheren Tage definitiv ein weiteres Highlight, das mit anständigem Beifall bedacht wird.

Der folgende Block aus Deris und Weikath Tracks wie „Why“, „Power“ und Sole Survivor, gerne von Andi als von Weiki geschrieben angekündigt, wird nur durch ein zündendes „A Little Time“ unterbrochen und zum ersten Mal sieht heute eine andere Gitarre als eine Flying V die Bühne, als Kai zu einer Les Paul greift. Der letzte Klopper des Sets bestreitet ein amtliches „How Many Tears“, das wahrscheinlich beste Weikath Stück ever. Da war klar, dass jenes Hansen-Gegenstück vom „Walls Of Jericho“ Album, mein Favorit „Phantoms Of Death“, nicht mehr kommt. Jedoch hat man wahrlich Spaß, die Haudegen der alten Besetzung Grosskopf, Hansen und Weikath im Dreierposing zu sehen. Dafür ist die erste Zugabe „Eagle Fly Free“ wie das folgende „Keeper Of The Seven Keys“ auch wieder ein Weikath Song, doch abgeschlossen wird der epische Konzertabend mit den wohl größten Bandhits, den von Kai geschriebenen „Future World“ und „I Want Out“ in deutlich gestreckten Versionen. Für die Fans ein interessanter Abend mit historischem Wert, dessen Auftrittsdauer mit ganzen 170 Minuten als anerkennenswert und beispielhaft gewertet werden muss.

Pics: Kate Mosh & Joxe Schaefer
Autor: Joxe Schaefer