KK’s PRIEST – the sinner rides again

Auf seine alten Tage will es der ehemalige Judas Priest Gitarrist noch mal wissen. Zugegebenermaßen ist das erste KK‘s Priest Album „Sermons Of The Sinner“ sang- und klanglos an mir vorbeigerauscht. Im Vorfeld zur Veröffentlichung des Zweitlings waren dann aber vermehrt Stimmen zu vernehmen, dass der neueste Output deutlich stärker geworden ist. Und so ist es auch! Natürlich wird hier das Metal Wheel nicht neu erfunden, dennoch überzeugt das Liedgut durch die Bank. Bei aller Nähe zur ureigenen Vergangenheit des blonden Gitarristen ist das Songwriting durchaus eigenständig ausgefallen. Diese ganzen atmosphärischen Intros und Zwischenspiele zum Beispiel, die bei dem ein oder anderen Song zu hören sind, habe ich in dieser Form und Häufigkeit schon lange nicht mehr auf einem bewusst traditionell gehaltenen Metal-Album gehört. Sie beschwören ein bestimmte Grundstimmung herauf, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album zieht. Auffallend ist, dass Seite A die schnellen und härteren Nummern enthält, während auf der B-Seite die mehr melodischen und epischen Songs sind. Fast wie damals beim „Painkiller“ Album.

Großes Plus neben der exorbitanten Gitarrenarbeit ist natürlich der Gesang von Ripper Owens, der einem wieder mal vor Augen führt, was für ein toller Metal Sänger er ist. Es scheint, als fließen all seine gesammelten Erfahrungen, die er bei Bands wie Beyond Fear, Winter‘s Bane, Charred Walls Of The Damned, Iced Earth, Yngwie Malmsteen gesammelt hat, in seinen Gesang für diese Scheibe mit ein. Unvorstellbar, was aus den beiden Priest Alben( „Jugulator“/„Demolition“) hätte werden können, wäre da nicht der Zeitgeist gewesen. Auf „Sinner Rides Again“ kann er einfach er selbst sein und brilliert auf seine bekannte Art und Weise und vom Zeitgeist ist weit und breit nichts zusehen…und Gott sei Dank auch nichts zu hören.

Erwartungsgemäß beginnt der Opener „Sons Of The Sentinel“ mit einem Schrei vom Ripper und im weiteren Verlauf klingt er einem gewissen Herrn Dirkschneider nicht unähnlich. Die Bridge und der Refrain wäre auch einem Accept Klassiker der Marke „Breaker“ oder „Fast As A Shark“ würdig. Diese Uptempo-Nummer enthält alles, was man sich als Priest Fan wünscht und noch ein bisschen mehr. Trotz seiner Schnelligkeit ist der Song abwechslungsreich und bietet natürlich genügend Raum für die Gitarren. Nicht unbedingt schneller, aber genauso heavy geht es mit „Strike Of The Viper“ weiter und erinnert ein wenig an die positiven Momente vom „Jugulator“ Album. Der Refrain ist übrigens sehr eingängig. „Reap The Whirlwind“ zieht das Tempo noch mehr an und klingt anfangs wie „Freewheel Burning“. Selbstverständlich ist dieser schnelle Banger kein bloßes Plagiat und verfügt zudem über atemberaubende Gitarrenduelle. Ein Bass-Riff eröffnet das atmosphärische „One More Shot At Glory“. Diese erste Singleauskopplung ist eher im Midtempo angesiedelt und insgesamt sehr hymnenhaft. Der Mittelteil ist Priest in Reinkultur: aufwühlendes Gitarrensolo, das nach einem Break auf einmal harmonisch wird. Ähnlich wie damals bei „One Shot At Glory“. Geradezu magisch! Hymnenhaft geht es im wahrsten Sinne des Wortes  mit „Hymn 66“ weiter, welches die Seite A beendet.

„The Sinner Rides Again“ eröffnet Seite B und ist sehr abwechslungsreich gehalten. Atmosphärisches Intro, akustische; ruhige Passagen und unbändige Gitarrenpower – alles enthalten. Dasselbe gilt für das folgende „Keeper Of The Graves“. Nur noch ein wenig mehr auf die Spitze getrieben. „Pledge Your Souls“ ist ein Hochgesang auf unsere geliebte Musik und schreckt auch vor Ohohoho-Gesang nicht zurück. Außerdem sind Drumfills zu vernehmen, die dezent an „Hell Patrol“ erinnern. Das abschließende, einmal mehr vielschichtige „Wash Away Your Sins“ zieht noch mal alle Register und beschließt die ebenfalls gelungene zweite Seite.

So mal Butter bei die Fische: Wie ist die zweite KK‘s Priest Scheibe zu bewerten? Zugegebenermaßen wimmelt es von Querverweisen zur Priest Vergangenheit an allen Ecken und Enden und die allermeisten Songs sind vom strukturellen Aufbau her recht ähnlich. Trotzdem sind weit und breit keine Füller oder gar Ausfälle zu beklagen. Der gute KK hat eine schlagkräftige Truppe um sich geschart, und die Songs werden überzeugend, leidenschaftlich und authentisch vorgetragen. Und genau das macht „Sinner Rides Again“ so „genussvoll“ und auch heute noch „relevant“. Gut gebrüllt, Löwe!

Wertung: 8,5/10
Autor: Michael Staude