Krach mit Bier Vol. II

Münster, Sputnikhalle, 07.07.2018


In Münster geht was. Schon aus vielen Bands dieser Gegend ist was geworden und die ‘Sputte’ ist immer für ‘n geiles Event gut. Nur haben wir haben noch nicht viel gehört von diesem Quartett aus dem ‚beschissenen‘ Rotenburg (an der Wümme), wie es ihr Shouter im sympathischen Shirt von Pripjat selbst nennt. Der flinke Mann schafft es, innerhalb einer Sekunde das Mikro zweimal vom Kopf zum Rücken und zurück zu bewegen. Im Gegensatz zu seinen zahmen, fast liebevollen Ansagen sieht er sich mit seinen drei Mitstreitern für Thrash und Hardcore zuständig. Sie nennen sich Mudhead und dürfen hier in Münster auf dem zweiten Krach mit Bier eröffnen. Könnte vom Namen her passen, die Konzertreihe, denn die Vier bewegen sich auch so zackig wie sie zocken. Da haben es die Fotografen schwer, ein wackelfreies Foto zu schießen. Kaum kann sich das Publikum von den Niedersachsen ein Bild machen, ist auch schon wieder Schicht. Eine Recht kurzweilige Angelegenheit, wobei die Betonung echt auf kurz liegt, denn ihr Auftritt wird tatsächlich schon nach dreiundzwanzig Minuten beendet.


Was in den nächsten vierundvierzig Minuten geschieht, ist der Grund, warum es mächtig Laune macht, unbekannte Bands auf kleineren Events kennenzulernen. „The Fire Of A Thousand Suns“ titelt das 2017er Debütalbum von Decaying Days, welches hier fast in identischer Songreihenfolge aufgeführt wird. Die Münsteraner mischen Doom und Death auf eine Weise, die Wärme verbreitet und letztendlich positiver stimmt als zunächst angenommen. Sie sollen ganz okay sein, hab ich im Vorfeld gehört. Ganz schön untertrieben, denn schon in den ersten Minuten schwebt Atmosphäre im Raum und man kann sich zu Tiefengrowls in überwiegend gemächlichen Takten leicht mitreißen lassen. Ja gut, etwas Verträumtes und ein wenig Uptempo ist auch dabei. Die Lokalpatrioten wissen wie sie das Publikum packen, streuen grelle Leads im dynamischen Laut bis Leise und fundamentieren eine gesunde Struktur des Basses von unten. Optisch kommen sie mit sehr wenig Licht aus, doch man kann trotzdem erkennen, dass ihr Basser Barfuß spielt. Mit einem Plus in allen Kriterien sowie intensiven Bangeinlagen verdienen sie sich in der Summe deutlich mehr als Anstandsapplaus. Was für ein beeindruckendes Erlebnis; die CD darf sich schon als eingetütet betrachten und ihr Patch kommt auf meine nächste Kutte!


Für Antilles dürfte der heutige Tag ein wichtiger sein, denn sie haben ihren ersten Longplayer „The Intricate Path Of Creation“ rausgehauen und zelebrieren ihre bescheidenerweise nicht angekündigte Releaseparty. Und das wurde auch mal Zeit, denn es hat schon etwas gedauert, bis die Scheibe endlich fertig wurde. Auf eine Telecaster greifen sie inzwischen nicht mehr zurück, ausgiebige Thrashbretter zu bringen. Mal an ihren ersten Gig bei uns in Dortmund erinnert, der schon ziemlich umhaute, hat sich ganz schön was getan in den fast drei Jahren danach. Zum Bleistift haben sie in Sachen Action und Sprücheklopfen zugelegt: “Der nächste Song hat die Geschmacksrichtung Blau und heißt „Helios“, “das nächste Stück handelt von fliegenden Schweinen”, “nur der Langhaarige stinkt!“ oder “das war unsere Botschaft an die CSU!“ Bei flexiblen Growls und Shouts verschiedener Stimmfarben und wesentlich mehr Licht als bei der Band zuvor entsteht sofort Gebange vor der Bühne. Klar, ist ja auch ein Heimspiel für die Jungs. Nur wenn alle drei Brettspieler mit beiden Händen gleichzeitig auf den Hälsen tappen, fehlt etwas der Druck und Arschtritt in ihrem Thrash, unterstreicht andererseits aber auch die progressive Note der Bande. Immerhin wollen die insgesamt neunzehn Saiten auch in vollem Umfang genutzt werden. Die Laune überträgt sich permanent, auch beim Cover von Behemoth “At The Left Hand Ov God“. Inklusive einer geforderten Zugabe, „Misery“ von der ersten EP wird vorgetragen, kommen sie auf über fünfzig absolut kurzweilige Minuten Spielzeit, auch wenn einige Songs für Thrashverhältnisse schon recht lang sind.


In den letzten Wochen standen die Kölner Pripjat für X-CRASH mehrmals auf dem Menü. Und so lange sie ihre energiegeladene Hau-Drauf-Show so überzeugend bringen wie auch heute wieder in Münster, geht das auch völlig in Ordnung. Das macht nämlich absolut Laune, geht ins Bein und vor allem in den Nacken. Die Domstädter reißen alles ab und packen die Fans schnell bei den Eiern. Nur das Stimmen ihrer Gitarren nimmt immer etwas Fahrt raus. Dann wird wieder die volle Double Flying-V Attacke serviert und Gitarrist Eugen ist ein weiterer Mucker, der Barfuß spielt. Wahrscheinlich will er bloß seine Schuhe nicht im Schweiß ertränken, denn die Suppe läuft, und zwar nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne. Münster gibt Gas und es gelingt hier niemanden, bei dem Thrash der Kölner regungslos zu bleiben. Da soll nochmal einer sagen, Bassmänner sind immer der Ruhepol in einer Band. Das war bei allen Dickstrick-Akteuren heute definitiv nicht so, auch nicht bei Pablo von Pripjat. Gegen Ende wird noch der Titelsong ihrer aktuellen Scheibe “Chain Reaction“ gebracht; es hat sich keiner mehr im Griff und alle verlieren die Kontrolle. Haare fliegen und alle Arme gehen hoch. Und weil Megastimmung hier inner Sputte herrscht, unternimmt Gitarrist und Shouter Kirill noch einen Ausflug ins Publikum. Deutliche Rufe nach Zugabe kitzeln noch einen Track vom ersten Album raus. Einfach voll der Abriss, das steht sogar das frische Jungpublikum nicht still, das schon für die anschließende Neunzigerparty Einlass gefunden hat. Ein absolut gelungener Abend mit vier überzeugenden Bands, da hat man doch schon das Krach mit Bier Vol. III auf dem Zettel … zumal wir alle wissen, in Münster geht was!

Autor & Pics: Joxe Schaefer