MAGNUM – here comes the rain

Es ist eine mittlerweile liebgewordene Tradition, dass im zweijährigen Turnus zum Jahresbeginn ein neues Magnum ansteht. Zum Einen erwärmt die von Tony Clarkin und seinen Mannen kreierte Musik in diesen (klimatisch und gesellschaftlich) kalten Tagen Herz, Hirn und natürlich Ohr, und zum Anderen ist bei einem Magnum Album heutzutage kein Qualitätsverlust oder gar ein Stilbruch zu befürchten. Seit „Brand New Morning“ (2004) erscheint dieser Tage das zehnte Album in Folge, welches das Niveau der Vorgänger locker hält. Umso bitterer die Tatsache, dass es das letzte Album der Band sein wird. Am 07. Januar dieses Jahres ist Tony nach kurzer Krankheit leider verstorben. Da er nie viel Aufhebens um seine Person machen wollte, und stets die Musik im Vordergrund stand, widmen mir uns jetzt den Songs von „Here Comes The Rain“.

Wie eingangs erwähnt ist auch das 23. Studioalbum der gut fünfzigjährigen Karriere durch die Bank gelungen und offenbart abermals ein Füllhorn großartiger Kompositionen. Diese haben vielleicht nicht mehr die Durchschlagskraft wie einst „Wings Of Heaven“ oder dem Magnum Opus „On A Storyteller‘s Night“ aus den seeligen Achtzigern, aber knapp darunter lebt bzw. musiziert es sich auch gut. Und so ist das treibende „Run In The Shadows“ ein geradezu typischer Opener. Hier zeigt sich die große Kunst eines Tony Clarkins: mit wenig Mitteln einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Von der Bridge zum Refrain und dramatischen Mittelteil, hier sitzt jede Note am richtigen Platz! Erinnert „Run In The Shadows“ an den Hit „Days Of No Trust“(1988), tönt der melancholische Titelsong anfangs nach „Need A Lot Of Love“ vom etwas kommerzielleren „Vigilante“ Album (1986). Hier wurde passenderweise der orchestrale Anteil deutlich erhöht. Mit verhaltenen Klavierklängen beginnt das balladeske „Some Kind Of Treachery“. Die etwas brüchige Stimme von Bob Catley bildet einen hervorragenden Kontrast zum groß angelegtem Refrain und verleiht dem Song mehr Dramatik und eine gewisse Wehmut, die wir Magnum Fans so sehr lieben. „After The Silence“ kommt dann wieder flotter daher, obwohl er ebenfalls sehr melodisch und dramatisch geraten ist. „Blue Tango“ ist der Rocker des Albums. Zunächst wirkt die erste Singleauskopplung etwas unscheinbar. Dieser Eindruck legt sich aber rasch. Die Gitarren braten, eine fette Uriah Heep–würdige Hammond Orgel und ein letztlich doch packender Refrain überzeugen von der Qualität des kleinen Bangers. Witzig in diesem Zusammenhang, dass in der Neuzeit bei einigen Songs der Härtegrad erhöht worden ist, während in der klassischen Zeit vor dem Split 1995 die Musik immer kommerzieller wurde. Auf den letzten fünf, sechs Alben befindet sich auf jeder Scheibe solch ein Ausreißer und erinnert wiederum an die Frühphase der Band.

„The Day He Lied“ ist dagegen wieder typischer ausgefallen und ebnet den Weg zu dem nachfolgenden „The Seventh Darkness“, welches die zweite Singleauskopplung ist. Magnum wären nicht Magnum, wenn es nicht auch mal kleinere Experimente gäbe. Der an sich typische Magnum-Sound wird hier mit einem Bläsereinsatz (Trompete und Saxophon) aufgepeppt. Dass das Experiment durchaus gelungen ist, zeigt zum Beispiel das Gitarren- / Saxophonsolo. Die beiden recht unterschiedlichen Instrumente bilden hier eine perfekte Symbiose. Auch in der Vergangenheit kamen Blasinstrumente vereinzelt zum Einsatz. Allerdings selten so perfekt gelungen wie hier, was zeigt, dass auch bei einem versierten und erfahrenen Songwriter wie Tony noch eine Steigerung möglich ist. Schüsse und Detonationen eröffnen die instrumental aufs Nötigste reduzierte Ballade „Broken City“. Der Gesang von Bob Catley ist hier einmal mehr sehr eindringlich. Der gute Mann geht stramm auf die 80 zu und doch hat seine Stimme nichts von ihrem Charisma verloren. Das folgende „I Wanna Live“ stimmt dann wieder versöhnlicher verströmt Zuversicht. Diese setzt sich auch bei dem abschließenden „Borderline“ fort, welcher recht vielschichtig ausgefallen ist und mit leisen Klavierpassagen das Album enden lässt. Wer glaubt, dass dieser Song ein Track epischen Ausmaßes ist, mit dem Magnum früher gerne mal ein Album beendet haben, sieht sich getäuscht. Wie eigentlich jeder Track ist auch „Borderline“ ein auf den Punkt komponierter Song. Magnum bzw. Tony beherrscht diese Kompositionskunst wie kaum ein Zweiter.

Laut bandeigener Aussage war es ein Ziel, beim Songwriting die Stellschrauben ein wenig anzuziehen und beim Komponieren noch mehr auf den Punkt zu kommen. Meiner Meinung nach ist genau das den Jungs gelungen. „Here Comes The Rain“ ist insgesamt runder ausgefallen, als sein beileibe nicht schwacher Vorgänger. Die einzelnen Songs zünden früher als bei „The Monster Roars“. Auch covermäßig ging es wieder zurück zu Hauszeichner Rodney Matthews. Dieser verschnürt mit seinem äußerst gelungenen Cover leider zum letzten Mal Tonys Geschenk an die treue Magnum Anhängerschaft. R.I.P. Tony and thank you the music!

Wertung: 8,5/10
Autor: Michael Staude