MARQUIS DE SADE – chapter II

Jedem eingefleischten NWoBHM Enthusiasten ist der Name Marquis De Sade wohl ein Begriff, auch wenn diese Band zu denen zählte, die in ihrer Hochphase Anfang der Achtziger nie über einen Demo- bzw. Singlestatus hinauskamen. Dieses Schicksal teilen sie bekanntlich mit unzähligen Bands aus dieser Zeit und so sind heute besonders damalige Singles quasi unbezahlbar, wenn man überhaupt mal die Chance hat, diese in die Hände zu bekommen. So verhält es sich auch mit Marquis De Sades 1981er Single „Somewhere Up In The Mountains“. Da ja seit einigen Jahren solche Bands einen zweiten Frühling erleben, haben sich auch Marquis De Sade dazu entschlossen, wieder aktiv in der Szene mitzumischen. Ihr erster Versuch eines Live-Comebacks auf dem Keep It True, der für das Jahr 2021 geplant war, fiel aus bekannten Gründen ins Wasser und umso schöner war es, diese Band auf der diesjährigen Ausgabe des KITs auf der Bühne zu sehen und zu erleben. Es war ein unbeschreiblicher und magischer Moment, als gefühlt die ganze Halle besagten Song „Somewhere Up In The Mountains“ sang. Dies war wohl auch mit ein Auslöser dafür, dass sich die Band nach vierundvierzig Jahren zu einem Debüt Album entschied.

Bereits der Opener „Belvedere“ zeigt deutlich, dass das Londoner Quintett noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Der Spirit der NWoBHM wird hier erstklassig in die heutige Zeit transportiert und mit geilen Gitarrenattacken, die vom Keyboard massiv, aber immer absolut passend und wohldosiert unterstützt werden, rocken die Jungs hier mächtig die Hütte. Neben Original-Fronter Chris Goldelier sind noch sein Bruder Pete, ebenfalls seit Beginn an Bord, den Tieftöner bedient und sein zweiter Bruder Paul, der für den bereits erwähnen Gitarrenteppich verantwortlich ist und als Neuzugang eine erstklassige Arbeit abliefert. Die neun Songs dieses Album kommen auf eine Laufzeit von rund einer Stunde und entsprechend episch, und wie auch im Infosheet beschrieben, pompös sind die Songs ausgefallen. Hört euch alleine mal diese unsäglich geile Nummer „Border Wall“ an. Gänsehaut pur gibt es im folgenden, fast achtminütigen „Fortress Of Solitude“. Alleine schon das coole Keyboardsolo und diese Stimmungswechsel machen diese Nummer zu einem echten Diamanten. Etwas zügiger geht es bei den Tracks „Marquis De Sade“ und „The Moon Glows“ zu. Die für mich beste Nummer dieses Albums ist „Suspended Animation“ der soviel Power versprüht und solch starke Gitarren- und Keyboardsoli vereint, dass es die helle Freude ist. Als krönenden Abschluss haben die fünf Briten noch das bereits vom Demo bekannte „Living In The Ice Age“ gepackt, dass sich perfekt in das Gesamtwerk einfügt.

Beim ersten Hördurchgang kam mir oft die Frage in den Sinn: „Wie wäre diese Scheibe wohl in den Achtzigern angekommen?“ Chapter II ist für mich jedenfalls ein wahres Meisterwerk und wenn eine Band heute den Mut hat, Songs jenseits der fünf Minuten zu schreiben, muss dieser Mut auch belohnt werden und das tue ich mit glatten neun Punkten. Ein Muss für alle Fans von britischen Heavy Metal Klängen!

Wertung: 9/10
Autor: Tino Sternagel-Petersen