MASTERS OF CASSEL

Kassel, Ballsaal Hotel Reiss, 23.12.2017


Zuletzt war der Verfasser dieser Zeilen auf dem achten MOC, damals 2015 noch im ehrwürdigen K19. Nun ist man in den Ballsaal des Hotels Reiss gegangen, was sich an sich als eine gute Idee entpuppt. Goldfarbene Säulen stehen in einem Teppichsaal und daher gibt es Sitzgelegenheiten auf dem Fußboden.

Das zehnte Masters Of Cassel eröffnen Wagnis, eine Band, die sich aus einem ukrainischen Sänger und Members der Kasseler Szene zusammensetzt. Ziemlich melodisch und locker legen sie nach dem Intro los, ihren maidenlastigen Melodicmetal mit zwei Gitarren zum Vortrage zu bringen. Blickfang ist dabei ihr äußerst aktiver Bassmann, der die Bühnentiefe komplett ausnutzt. Im Billing des heutigen Tages, das an sich aus extremerem Material besteht, fallen sie etwas auf. Weil sie aber anständig liefern, ziehen sie die ersten Banger vor die Bühne und verlangen den Anwesenden nach einer ordentlichen halben Stunde mehr als einen Anstandsapplaus ab. So geht das!


Ebenfalls aus Kassel kommt die zweite Band des heutigen Abends. Die Extremisten von Chaos Path geben einerseits an, den Krieg zu bringen, und andererseits auch, heute ihren ersten Auftritt zu haben. Tatsächlich lassen sie es gut krachen, irgendwo zwischen Thrash und Death Metal, sagen später auch einen Black Metal Song an. Ihr Shouter, in einer Mönchskutte mit Kapuze performend, macht ganz sicher keine zu kurzen Ansagen und verwendet dabei verschiedene Stimmen, die in einem brummigen Soundgewäsch, leider wie die Sprache der Gitarren, nicht immer verständlich sind. Da kam die erste Band Wagnis transparenter. Zum „Chaos Is My Life“ Cover von Exploited wird das auch nicht besser. Ob es an ihnen alleine liegt, ist schwer zu sagen, jedenfalls sind die Ansagen einfach zu lang und man steht achtunddreißig Minuten auf den Brettern. Es wird noch eine Mini-LP angekündigt, die zum Metal Diver Festival im März 2018 raus sein soll.


Für die Freunde von extremeren Doomsounds sind Morast aus Düsseldorf im Moment ein ganz heißes Eisen. Wir von X-CRASH hatten die Gelegenheit, ihren intensiven Auftritten bereits mehrmals beizuwohnen. Ihr Basser wirkt nicht nur bei Grünlicht, als habe sein Anlitz was von Overkills D.D. Verni. Sein Tieftöner wird mit seinem Korpus nah über dem Boden bearbeitet und ihr Shouter erweckt den Anschein, als wolle er sich am Mikrofonständer strangulieren. Das ist definitiv kein Kindergeburtstag, denn der Todesdoompflug beerdigt alles, wie geil! Die ersten Reihen bangen sich die Seele aus dem Leib. Und live ist es bei ihnen einfach scheißegal, ob man die Songs auseinanderhalten kann oder nicht, weil es als ein ganzes tiefgehendes Gefühlsbad wahrgenommen wird. Als der letzte Bassanschlag verhallt, fallen die Zuschauerreaktionen ähnlich eindeutig aus. Spätestens jetzt ist das Festival eröffnet!


Mortal Terror haben wir beim achten MOC 2015 schon einmal gesehen. Dass die Lokalpatrioten jetzt zwei Jahre später wieder dabei sein dürfen, liegt sicher nicht nur an ihrer unweiten Anfahrt, sondern auch an einer zu erwartenden Qualitätsgarantie. Mit “Violent Years“ geht die Achterbahnfahrt und permanentem Gebange auf und vor der Bühne los. Die Jungs thrashen den Laden gut auf und spielen nun „Hounds Of The Night“ zum ersten Mal live. Die Lokalmatadore reißen gut was mit und kommen heute gefühlt überzeugender rüber als vor zwei Jahren. Nicht dass sie damals Scheiße waren, aber vielleicht habe ich heute besonders nach Morast allerbeste Laune. Ein Hessener erklärt mir grad, Mortal Terror haben hier letztes Jahr auch gespielt, nun denn. Jedenfalls ist nach einer Dreiviertelstunde auch ihr Anthem gekonnt durch und unter lautem Beifall werden die Veranstalterlieblinge entlassen.


Ganz sicher gehört das gemischte Doppel von Tyranex aus Schweden derzeit zu den heißesten Thrashacts im Underground. Wir von X-CRASH durften auf dem diesjährigen Warm-up zum dritten Spirit Of Metal in Hamburg live erleben, wie sie dermaßen vom Leder zogen, dass die Audienz komplett durchdrehte und ihnen drei Zugaben herauskitzelte. Im Gegenzug für den Pokal der weitesten Anreise, gestern spielten sie in Kopenhagen, mischen sie alles auf. Spätestens zu Songs wie “Unable To Tame“ ist die sprichwörtliche Sau los. In ihrer letzten Show für dieses Jahr erfreut sich Shouterin Linnea Landstedt, übrigens bestens bei Stimme, über ordentlichen Zuschauerzuspruch. Im Fistraiser “Tormentor“ und “Death Roll”, benannt nach einer Tötungstechnik bei Krokodilen, entfaltet sich die Power ihrer doppelten Flying V Attacke mit einigen Doppelhalsposen ebenso leichtfüßig, wie das damals zum ersten Mal in Göttingen live gespielte “Blade Of The Sacrificer”. Das beschert den Protagonisten den längsten Applaus bis jetzt mit Rufen nach Zugabe. Leider muss das Quartett nach 45 Minuten das Handtuch werfen, denn der Zeitplan lässt keine Zugabe zu. Die Anwesenden sind sich aber einig, Tyranex müssen wiederkommen!


Einige Südhessen erklären den ab jetzt schleichend stattfindenden Zuschauerschwund geografisch, dass dies für nordhessische Verhältnisse normal sei, zumal es hier mehr Musiker als Fans gäbe. Dabei war doch Burden Of Grief einer der Hauptgründe, heute hier sein zu wollen. Echt keine Ahnung, wann wir diese Band zuletzt live gesehen haben, aber es sollte sich gelohnt haben. Mit dem Titeltrack “Unchained” der aktuellen Scheibe lassen sie melodischen Death Metal Dampf ab und vor allem Basser Florian macht gut Action und growlt die Ansage zu “Nightmare“, das gefolgt wird von einem “Killing Spree“ von ihrer neuen Platte, die am 05.05.2018 im Fiasko zu Kassel präsentiert werden soll. Da verkommt es zur Nebensache, dass Shouter Mike leider ihren Namen vergessen hat. Burden Of Grief kommen sonst besser an, aber heute können sie dem Publikum nicht viel Applaus abringen. Ihr geniales Cover von Black Sabbaths „Neon Knights“ haben sie leider auch nicht ausgepackt, aber „Refuse/Resist“ von Sepultura. Na ja, kein Vergleich, bringt ihnen auch nur Höflichkeitsapplaus ein. Wenn auch die Audienz nicht komplett ausrastet, wir glauben an die Jungs!


Der Geruch von Räucherzeug liegt in der Luft. Das heißt, Attic sind nicht weit. Die Ruhrpottler mit den King Diamond Soundalike-Vocals von Meister Cagliostro sind derzeit eine Bank. Einerseits lieferten sie gerade wieder einen amtlichen Longplayer ab, “Sanctimonious” ist in aller Munde, andererseits bringen sie auf der Bühne des volle Brett. Das ist auch hier und heute in Nordhessen nicht anders. Zwar zog sich ihr Soundcheck zunächst etwas, doch dann legen sie granatenstark los, allen voran gibt Gitarrist Katte alles. Nach den zuverlässigen Knallern “Join The Coven“ und “Satans Bride” wird der Audienz die Frage gestellt: “Habt ihr noch Bock oder seid ihr schon blau? Wahrscheinlich aus oben angeführten Gründen ist es beim neuen „There Is No God“ und dem Oberknaller “The Headless Horseman“ nicht mehr ganz so voll vor der Bühne, aber die, die anwesend sind, rocken gut ab. Zwar haben sich die Räuchereien des Fünfers heute etwas in Grenzen gehalten, waren aber beim Headliner noch deutlich wahrnehmbar.


Am Vorabend noch mit Burden Of Grief und The Watcher das Vortex in Siegen zerlegt, die dort Anwesenden schwärmen, werden Morgoth nun das Hotel terminieren. Jedenfalls steht das nun zu erwarten: Die wahrscheinlich erste ernstzunehmende deutsche Death Metal Band legt einen ausgiebigen Soundcheck hin und kommt dann ziemlich deutlich auf den Punkt. Spätestens zu “God Is Evil“ und “Suffer Life“ sollte jedem klar sein, das Abholzkommando kennt keine Gnade. Daraus resultierend wird die Band abgefeiert, welche die Beleuchtung mehr aus dem Back kommen lässt und auf Lichtblitze setzt. Shouter Jagger von Disbelief, natürlich im Shirt seiner Band gekleidet und permanent mit Haaren vor dem Gesicht, ist bei den Fans längst akzeptiert. Nach „Burnt Identity“ und Resistance gibt es erst eine kurze Pause wegen Problemen am Mischpult, bevor es mit “Black Enemy” weitergeht. Es sind Crowdsurfer zu „Under The Surface“ unterwegs und es gibt Circle Pits ab „Nemesis“. Morgoth können grad alles glaub ich. Shouter Jagger meint zum Schluss: “Bevor es raus geht in die Weihnachtszeit, wollen wir noch ein wenig hassen!” und sagt die dritte Zugabe „Isolated“ an. Es endet ein grandioses Konzert der alten Haudegen und stolze 105 Minuten sprechen auch quantitativ für die Vollbedienung. Zum Finale wird uns danach noch eine Art Aftershowparty geliefert.


Die bestreiten die derzeit sehr aktiven Iron Thor, die aufgrund aller sich addierender Verzögerungen erst nach 01:00 Uhr beginnen. Sie dürfen sich die offiziellen Messengers des in den Achtzigern bekannt gewordenen Kanadiers Thor nennen, und ebenso zelebrieren sie auch ihren Auftritt, den sie gleich mit “Anger (Is My MIddle Name)” und dem Underground-Hit “Thunder In The Tundra” beginnen. Die Mannen sind bekannt dafür, sich mit allerhand Einlagen durch Thors Discographie zu fräsen. Wenn man auch nicht wirklich drauf steht, ein Unterhaltungswert ist garantiert und man sollte Iron Thor live gesehen haben, um mitreden zu können.

Bleibt abschließend noch, den besten Applaus zu erwähnen, den es bei Tyranex gab, und noch einmal die beachtenswerte Urgewalt von Morast zu unterstreichen, mit Morgoth die drei besonders herausragenden Bands diesmal. Bedanken wir uns für ein gelungenes Festival und sind auf das elfte MOC 2018 gespannt …

Autor & Pics: Joxe Schaefer