Metal Force Attack V
Kamen, JKC Kamen, 30.04.2022
…währenddessen in Kamen…
Da die von vielen befürchtete Flut an Konzerten „nach“ der Pandemie nun langsam einsetzt, teilt sich die X-Crash Redaktion heute mal auf. Während der Großteil der aktiven Redaktion im Turock zu Essen zugegen ist und dort die britische Death Metal Legende Benediction abfeiert, fährt ein kleiner Teil (ok, nur meine Frau und ich…) ins benachbarte Kamen, um uns mit einer anständigen Portion Thrash Metal die Ohren freiblasen zu lassen. Benediction durften wir in der vergangenen Woche schon bestaunen, so stand für uns schnell fest: Space Chaser in Kamen soll es dieses Wochenende sein – natürlich, ist es doch die erste Chasers Show des Jahres. Das dortige Jugendkulturcafe lädt zur fünften Auflage der Metal Force Attack ein. Die Ticketreservierung im Vorfeld war abenteuerlich, hat aber zu meiner großen Freude erstklassig geklappt. Nach einer dreieinhalbstündigen entspannten und staufreien Anreise kommen wir pünktlich kurz vor dem Beginn der ersten Band an. Viele bekannte Gesichter, die man schon teils sehr lange nicht mehr gesehen hat, werden ausgiebig begrüßt.
Beim ersten Einfallen ins JKC, um die nach der Fahrt durstigen Kehlen zu befeuchten, verschaff ich mir einen Überblick über die Location. Die heutigen Opener Darkness Surrounding aus Wuppertal spielen gerade ihren ersten Song, als musikalische Untermalung zu meiner Getränkebestellung. Eine interessante Mixtur aus Melodic Death Metal weht mir um die Ohren. Einige coole Bangparts und der Femalegesang, den Gitarristin Kessi beisteuert, stehen im Kontrast zu dem tiefen Growls von Tim und dem cleanen Gesang vom zweiten Klampfer Jonas. Alles in allem nicht wirklich mein Ding, so scheinen es auch viele andere zu sehen und es stehen mehr Besucher vor der Tür, als vor der Bühne. Nachdem auch das zweite Bier gut schmeckt und nach und nach alle Bekannten begrüßt sind, wird noch das ein oder andere Gespräch mit einigen Mitgliedern des heutigen Headliners geführt. Schnell stelle ich fest, dass die Chasers meine am häufigsten gesehene Band des letzten dreiviertel Jahres ist (der letzten zweiunddreißig Jahre übrigens auch), direkt gefolgt, vom heutigen Co-Headliner Schizophrenia, die ich heute bereits zum dritten Mal live sehe.
Bevor es aber soweit ist, füllt sich die Location, denn die Lokalmatadore und Mitveranstalter des heutigen Abends bitten zum Tanz. Futurephobia aus Unna wurden mir im Vorwege als zügigen Thrash Metal mit nervösem Gesang beschrieben. Nach anfänglicher Verwirrung und Skepsis stelle ich ziemlich schnell fest, dass diese Beschreibung eigentlich gut passt. Der Vierer zockt sich tight durch seine Setlist ihres Demos und ihrer EP und bringen mächtig Stimmung in den Laden. Fronter Daniel agiert immer wieder mit der Menge, die dank einer fehlenden Bühne auf Augenhöhe das Geschehen abfeiert. Futurephobia heizen ordentlich ein und es entstehen immer wieder Moshpits vor der „Bühne“, die nur durch die Monitorboxen getrennt sind. Ein echt fettes Thrash Brett des Quartetts, das von den Ansagen immer wieder aufgelockert wird, wie etwa das „Too Bad For Skating“, was den Space Chasern gewidmet wird. Da muss ich doch glatt anschließend am Merchstand Halt machen.
Nach der Entdeckung des frisch aufgebrühten Kaffees an der Theke, geht es nach einer weiteren längeren Umbaupause mit den belgischen Senkrechtstartern Schizophrenia weiter. Mit ihrem aktuellen Debüt „Recollections Of The Insane“ haben die vier bei mir voll ins Schwarze getroffen. Ihr thrashiger Death Metal, im Fahrwasser meiner großen Tampa Helden Morbid Angel, hat mich bereits beim ersten Live Kontakt in seinen Bann gezogen. Im vergangenen Herbst haben die Jungs schon mit den Space Chasers bei deren CD-Release-Party in Berlin aufgespielt und mächtig abgeräumt. Den Anfang machen Schizophrenia mit „Souls Of Retribution“ vom aktuellen Langeisen. Auch heute ist der Sound ausbaufähig, aber das soll sich im Verlauf noch bessern. Das Quartett ballert aus allen Rohren und zerlegt das JKC nach allen Regeln der Kunst. Auch der zweite Track „Sea Of Sorrow“ mäht alles nieder und ich mache mich auf den Weg an den hinteren Bühnenrand, um das Drumtier Lorenzo Vissol, der auch noch bei seinen Landsmännern Bütcher aktiv ist, bei der Arbeit zu bewundern. Mit was für einer Freude der Kerl die Schießbude malträtiert ist eine wahre Freude, ebenso wie seine Grimassen dabei. Ein Vorabblick auf die Setlist des heutigen Abends beim Umbau zeigt, dass es wohl heute kein Morbid Angel Cover auf die Ohren gibt. Glücklicherweise werden wir dann aber doch noch überrascht und mit dem Meisterwerk „Maze Of Torment“ musikalisch verwöhnt. Was für eine Urgewalt diese Jungs auf der Bühne entfesseln, ist absolut grandios. Zum Finale wird dann jedem, der noch stehen kann, mit „Structures Of Death“ der Arsch versohlt. Wieder Mal ein echt starker Auftritt, der leider auch wieder mal von Soundproblemen überschattet wird. Dennoch natürlich alle Daumen hoch für Schizophrenia.
Nach der letzten Umbaupause steht jetzt der eigentliche Grund unserer Anreise auf der Tagesordnung. Die Berliner Thrasher Space Chaser, die im vergangenen Jahr mit ihrem dritten Album „Give Us Life“ für ordentlich Furore und erstklassige Kritiker gesorgt haben. Die Setlist kommt mir noch von den letzten Malen sehr bekannt vor und so beginnen die Hauptstädter auch heute ihren Siegeszug mit dem Kracher „Virus“ von der 2018er Split mit Distillator. Der Saal wirkt anfänglich ziemlich müde, nach so langer Liveabstinenz auch kein Wunder, aber die Menge lässt sich schnell von Sympathiebolzen und Fronter Siggi mitreißen. Musikalisch wie immer oberste Liga, was das Quintett hier abliefert, und so lasse ich auch mal ordentlich die Matte kreisen. Energiegeladen und treffsicher zocken sich die Chasers durch ihre Setlist, auf der mit „Cryoshoock“, dem Nackenbrecher „Juggernaut“, „Remnants Of Technology“, „The Immortals“, „Burn Them All“, dem Titeltrack „Give Us Life“ und dem Partysong „Antidote To Order“ etliche neue Nummern vertreten sind. Diese reihen sich nahtlos in Klassiker wie „Anthem“, „Waves“ und meinem Alltime Fave „Skate Metal Punks“ ein. Natürlich geht auch beim Abriss des Headliners der ein oder andere Moshpit an den Start. Der Saal kocht, die Berliner werden gebührend gefeiert und viel zu schnell ist es dann kurz vor der Sperrstunde, als Space Chaser mit „Metro Massacre“ ihren letzten Song in die Menge ballern. Mission completed und die Berliner haben alles in Grund und Boden geprügelt.
Jede Minute Fahrtzeit hat sich für diesen Abend gelohnt. Viele Bekannte, eine coole Location und mit Schizophrenia und den mächtigen Space Chasern zwei Champions League Bands, die wieder auf ganzer Linie gepunktet haben. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht und leichtem Piepen im Ohr lassen wir auf dem Heimweg den Abend noch Revuepassieren, bevor wir dann endlich gegen halb fünf Morgens ziemlich kaputt ins Bett kippen.
Autor & Pics: Tino Sternagel-Petersen