MICHAEL SCHENKER, HUMAN ZOO, GUTS

Bochum, Zeche, 28.04.2025


Wenn wir nach dem Ende von Ufo noch einmal ihre Songs live erleben dürfen, dann am liebsten gleich mit Schenker und bestenfalls nur die glorreichen Siebzigerklamotten. Und siehe da, zufällig hat der Protagonist grad diese Songs mit anderen Musikern neu eingespielt und bringt das Ganze sogar auf die Bühne, heute in Bochum. Leider kennen wir die erste Band für den Support gar nicht. Die heißen Guts und rocken wie jene Australier vor fünfzig Jahren. Der Fünfer fährt gnadenlos  die Schiene von AC/DC und geht bis ins letzte Detail, die Vorbilder zu imitieren. Musikalisch Siebziger, von der Stimme her aber eher Brian. Das zeigt sich in ihren Schlagjeans, Gibson Gitarren, Posen und Bewegungen. Nur die Songs sind eigene, hätten in ihrer Machart aber auch von Angus und Co. sein können. Dennoch braucht es ein paar Tracks, bis die Menge bei „Dirty Squeeze“, dem Titeltrack ihres zweiten Albums, mitwippt. Kurzweilige dreißig Minuten!


Für die nächste Dreiviertelstunde kommt eine komplett andere Farbe ins Spiel. Human Zoo aus Balingen, wo einst das Bang Your Head Festival die Metaller einlud, entern die Bretter und geben auch optisch ein anderes Bild ab. Der Langhaarigste von ihnen ist Sänger Thomas, und der trägt eine Glitzerhose. Außerdem haben die Baden-Württemberger einen Keyboarder in ihren Reihen, der für das sanfter gestampfte Melodicmaterial auch einige Vocals übernimmt. Na gut, jetzt wurden platztechnisch die Drums in der Ecke der Bühne positioniert, und es erscheint ein sechster Mitstreiter für sein Saxophonspiel, doch die wie ein Gotthard-Album Benannten sind Routiniers, greifen bereits auf einen Fundus von fünf Alben zurück und treten entsprechend selbstbewusst auf. Bei Elementen wie Ohoho-Chören und Hüpfanimationen kann das höhere Durchschnittsalter der Anwesenden nicht verleugnet werden. Auch wenn gediegenes Material wie „Crowd’s On Fire“ Fans von Rainbow ansprechen sollte, werden beim Publikum nur schwer Reaktionen hervorgelockt. Alles scheint auf den Hauptact zu warten, und der steht auch nicht ohne Grund ganz oben auf dem Billing.


Zu einem der größten Gitarristen in der härteren Rockmusik muss man nicht viel sagen. Auf dieser Tour beleuchtet Michael Schenker seine Zeit mit Ufo, mit denen er zwischen 1973 und 1978 fünf Studioalben veröffentlichte. Doch zunächst erklingt der „Immigrant Song“ von Led Zeppelin aus der Konserve, bevor Michael Schenker das Jahrhundertriff von „Natural Thing“ in die Saiten seiner cremefarbenen Flying V haut. Und es geht ein Ruck durch die Menge. Wir erkennen hinter dem Plexiglaskäfig Drummer Bodo Schopf auch mit seiner Mütze. Der alte Weggefährte von Michael hat den Andy Parker-Drive und passt deswegen nur zu gut ins Line-up. Ebenso wie Keyboarder und Gitarrist Steve Mann. Die Audienz taut plötzlich auf, wird hörbar wach und Michael sagt das Nächste „Only You Can Rock Me“ selbst an. Nach „Hot ‚n‘ Ready“ folgt überraschenderweise schon das megabekannte „Doctor“ sehr früh im Programm und wird mit Synchron-Posing aller vier Fronter untermalt. Der Song dient auch heute noch als Eröffner vor Shows von Iron Maiden, da Basser Steve Harris bekennender Ufo-Fan ist. Dagegen haben wir mit „Mother Mary“ und „I’m A Loser“ in der Setlist fest gerechnet, und zu Letztgenanntem greift Sänger Erik Grönwall zusätzlich in akustische Saiten. Schenker dreht dabei häufig nach den Anschlägen eher unauffällig an den Reglern seines Instruments, spielt nicht mehr so tief nach vorn gebeugt wie früher und schaut zwischendurch immer wieder mal hoch in die Menge. Warm und höflich bedankt er sich nach jedem Song, auch im nahtlosen Übergang von „This Kids“ zu „Lights Out“.

Auf dieser Tour wird nicht der Name des unbekannten Flugobjektes verwendet, sondern auf dem Banner über dem Drumkit prangt für die Fans ungewohnt sein Eigener, im eher dezenten Design. Auf dem Album dieser mit wechselnden Musikern neueingespielten Tracks, natürlich mit dem Zusatz: „My Years with Ufo“, angekündigt  natürlich plus des Statements „50th Anniversary Celebration“. Trotz allem Hang zur Songauswahl des Ufo „Strangers In The Night“ Livealbums von 1979 wurde „Lipstick Traces“ mit „Between The Walls“ als Instrumental-Medley im Set aufgenommen, das übergeht in das grandiose „Love To Love“. Etwas später folgen nach „Let It Roll“ noch mit „Can You Roll Her“ und „Reasons Love“ zwei weitere, weniger bekannte Stücke. Erik Grönwall springt in den Fotograben und rockt mit Fankontakt der ersten Reihen ab. Sieht echt so aus, als hätte er die Leukämie besiegt. Alle Daumen hoch und wir wünschen weiter alles Gute! Während die Tracks bislang ohne ausschweifende Jamparts ausgekommen sind, folgt nach einem langen Intro eine Monsterversion vom Alltime-Kracher „Rock Bottom“. Danach stellt Michael seine Band vor. In diesen Zeilen noch nicht erwähnt haben wir Basser Barend Courbois, der unter anderem mal bei Vengeance und Biss spielte. Für die beiden letzten Tracks fehlen noch zwei Favetracks des Ausnahmegitarristen, die mit „Shoot Shoot“ und „Too Hot To Handle“ vor einem begeisterten Publikum gebracht werden. Einen deutlich als Zugabe abgetrennten Block bekommen wir nach satten fünfundachtzig Minuten nicht mehr serviert, die Uhr zeigt auch schon elf. Den angekündigten Hinweisen, dass auf der Tour hier und da ein Gastsänger mit auftreten könnte, vielleicht sogar einer der Mitwirkenden vom aktuellen Album, kam heute keiner nach. Dafür wurden wir Zeuge einer grandiosen Setlist. Dass „On With The Action“, „Out In The Street“, „Gettin Ready“, „Cherry“ oder die Balladen „Looking Out For No. 1“ und „Born To Lose“ außen vor geblieben sind, geht aufgrund der Spielzeit schon klar. Überrascht hätte uns persönlich ein cooles „Electric Phase“ oder mal ein „Try Me“, das 1978 auf der Nordamerika-Tour, auf welcher das o.a. Livealbum mitgeschnitten wurde, schon mit auf der Setlist stand. Wir haben einen sehr starken Konzertabend erlebt, mit den Songs unserer Jugend, die wir heute authentischer dargebracht nirgendwo anders bekommen.

Autor & Pics: Joxe Schaefer