Muskelrock

Blädinge (SWE), Tyrolen, 03.06.2022 – 05.06.2022


Drei Jahre ist es her, dass das letzte Muskelrock im Herzen des Smålands stattgefunden hat. Die Veranstalter, die Freunde des Tyrolens, waren trotzdem des großen Cs immer fleißig und so gab es zwei sehr kleine Ein-Tages-Festivals und eine weitere Indoor Veranstaltung im benachbarten Folketshus’, dem Gemeindehaus in Alvesta. Trotz aller widrigen Umstände hatten wir es in den vergangenen Jahren mehrfach ins idyllische Tyrolen geschafft, da wir dort glücklicherweise ein kleines Häuschen haben und dort immer etwas zu tun ist. So machen wir uns sehr früh morgens, noch vor fünf Uhr, auf den rund siebenstündigen Weg ins südliche Schweden. Zwei Wochen vor dem zwölften „richtigen“ Muskelrock“, schließlich muss sich so ein Trip ja auch lohnen. Glücklich und zufrieden kommen wir auf dem Gelände an und treffen gleich als erstes Hampus und Gustav von Bullet, die gerade ihren Bus packen, um Abends auf einem rund zwei Stunden entfernten Festival die Zeltwände zum beben zu bringen. Nach einer kleinen Einkaufstour im örtlichen Supermarkt genießen wir den ersten Tag, das tolle Wetter und lassen uns das ein oder andere Getränk schmecken. Die erste Woche werkeln wir täglich etliche Stunden an unserer Butze und die zweite Woche stehen wir, wie immer, dem Tyrolen mit unserer Arbeitsleistung zur Verfügung. Hier gibt es ebenfalls immer viel zu tun, zu modernisieren und die Dankbarkeit ist auf beiden Seiten riesig.


Tag 1, Freitag, 03.06.2022:

So kommt dann irgendwann der Zeitpunkt, an dem für uns die Zeit des Festivals gekommen ist. Dazu genießen wir erst mal wieder das ein oder andere Kaltgetränk und machen uns auf den Weg aufs Gelände. Wie sehr uns dies gefehlt hat, merken wir sehr schnell und nach wenigen Schritten laufen uns bereits die ersten bekannten Gesichter über den Weg. Auch eine kleine zweite Shoppingtour verläuft erfolgreich. Danach geht es dann sofort zur großen Venedig Außenbühne. Hier spielt eine der besten deutschen Newcomer der letzten Jahre, The Night Eternal. Die Jungs legen  wie immer eine Top Show hin und ziehen nicht nur mich im Handumdrehen in ihren Bann. Schwerpunkt der Setlist ist dabei natürlich das Material des aktuellen Albums „Moonlit Cross“, wie etwa das übermächtige „Elyson (Take Me Over)“. Boah, das macht richtig Laune und Lust auf mehr.


Darum machen wir uns auf den Weg zur Indoor Stage, dem Rotunden, wo uns von zwei Freunden die Riders Of Rohan ans Herz gelegt wurden. Schnell stellen wir fest, dass dies ein echt guter Tipp ist. Das überwiegend weiblich besetzte Trio, mit Umhängen bekleidet, zockt einen kautzigen Rock und auch hier sind etliche Fans vor der Bühne begeistert. Das ist wieder so eine typische Muskelrock Entdeckung für mich, die man vorher nicht kannte und dann – zack – richtig geflasht ist. Echt cool die Drei, welche eine anständige Show abliefern. Zum Glück führt der Weg zurück an die Hauptbühne am Merchstand vorbei und so sacken wir uns noch das „Riders“ Tape ein.


Direkt daneben stehen jetzt Cobra Spell auf der Bühne. Letztes Jahr in Hamburg haben die belgischen Heavy Metaller/-innen, die überwiegend weiblicher Natur sind, echt begeistert. Auf der gerade absolvierten Tour mit Enforcer, Evil Invders und Ambush war ich eher enttäuscht. Dennoch gebe ich der besetzungsgeplagten Band eine Chance und die Mädels enttäuschen mich nicht. Sie sind tight, auf den Punkt und versprühen wieder diese Power, die ich im vergangenen Jahr an ihnen so bewundert hab. Spätestens mit „Come On Tonight“ haben mich Cobra Spell wieder und aufgrund des Bewusstwerdens der Gesamtsituation, dass es endlich wieder Muskelrockzeit ist, das Bier schmeckt und es auf der Bühne gerade richtig abgeht, kommen wir sogar ein paar Freudentränen. Auch heute darf natürlich das W.A.S.P. Cover „Animal“ nicht fehlen, was der Show noch den finalen Arschtritt verleiht. Sehr geiler Auftritt und wir machen jetzt erst mal eine kurze Pause.


Aufgrund einer Bandabsage von Besvärjelsen gibt es jetzt Heavy Metal Extrem Stricken. Ja, ihr lest richtig: stricken! So etwas ist wohl auch nur auf dem Muskelrock möglich. Anschließend geht es mit den englischen Asomvel auf eine Zeitreise. Die Jungs könnten glatt als Motörhead Version 1980 durchgehen, sowohl optisch, als auch musikalisch. Das Trio rockt sich rotzig und energievoll durch ihren Set und hinterlässt eine Menge grinsender Gesichter. Anschließend kommen die Jungs sogar noch von der Bühne und klatschen sich mit den Fans der ersten Reihen ab. Schon jetzt stellt sich mir die Frage, warum nicht jeder Metalfan an diesem Wochenende auf dem Muskelrock ist.


Egal, denn hier geht es mit meinem ersten Tageshighlight weiter. Century aus Stockholm zocken klassischem Heavy Metal und haben mich 2020 mit ihrem Demo „MMXX“ richtig begeistert. Auch live ist die Band echt eine Macht. Endlich hab ich die Möglichkeit, das Trio mal auf der Bühne zu sehen. Tolle Stimmungen im Rotunden versüßen den Jungs ihren Auftritt und nach jedem Song werden sie zu Recht gefeiert. Wow, sehr geil und wieder führt im Anschluß der Weg noch kurz an den Merchstand. Wieder Zeit für eine kleine Pause, denn weder Girlschool, noch Nekromant stehen auf meiner Must-See Liste. Also reicht es uns, Girlschool aus der Ferne zu lauschen und dabei ein kühles Blondes zu vertilgen.


Frisch gestärkt geht es dann zum nächsten Tageshighlight. Bullet sind ja so etwas wie die Haus- und Hofband des Muskelrocks. Nach dem Ausstieg von Gitarrist Alex Lybro ist übergangsweise Altklampfer Erik Almström zurück gekehrt. Entsprechend ist die Setlist eine Hommage an seine Zeit bei Bullet und so lassen die Headbanger ihre Matte kreisen zu Songs wie „Turn It Up Loud“, „Heading For The Top“, „Midnight Riders“ oder „Pay The Price“. Mir persönlich fehlt heute leider etwas der Dampf und die Songs sind etwas langsam. Klar, das ist bei Bullet jammern auf hohem Niveau. Möglicherweise bin ich auch nur enttäuscht, dass es kein „Rolling Home“ gibt. Auch das obligatorische Doppel-Gitarrensolo auf Knien darf natürlich nicht fehlen. Ebenso wenig, dass Klampfer Hampus danach wieder auf die Füße geholfen werden muss. Nach der obligatorischen und viel umjubelten Vorstellungsrunde durch Papa Hell und Hampus endet die Show mit dem unbedingten „Bite The Bullet“. Alles in Allem ein starker Auftritt, dem es etwas an Energie fehlte.


Direkt im Anschluss treffe ich noch einen Freund, den ich auch schon lange nicht mehr gesehen habe und so verpasse ich Sacri Monti. Egal, Hauptsache wir stehen bei Eternal Champion wieder vor der Bühne und das tun wir. Für mich sind EC momentan die beste Epic Metal Band überhaupt und ihr Erstlingswerk „The Armor Of Ire“ lief unzählige Male durch meinen Player. Auch heute liefern die Amis ab und bestärken mich schnell in meiner Meinung. Das Quartett zockt sich lässig durch seine Setlist und natürlich darf auch der Übersong „I Am The Hammer“ nicht fehlen. Superstarker Auftritt und auch zu fortgeschrittener Stunde sind noch viele Maniacs vor der Bühne und feiern die Jungs aus Übersee gebührend ab.


Tja, nun ist für mich die Zeit gekommen mich zu entschieden. Ein wirkliches Dilemma denn im Rotunden spielen jetzt Contaminazione und draußen im Tent Of The Wizard, in dem Nachts immer die Metaldisco stattfindet, spielen Heavy Sentence, die mich im vergangenen Jahr mit ihrem Debüt „Bang To Rights“ total vom Sockel gehauen haben. Dennoch entscheide ich mich erst mal für Contaminazione, angekündigt als Schwedens Antwort auf Goblin. Das Duo hat sich der italienischen Soundtrack Musik alter Horror Filme verschrieben und wartet natürlich mit schweren und treibendem Synthesizersounds auf. Genau das richtige für mich gerade und schnell entschließe ich mich, die Show komplett zu gucken, denn die Mucke ist einfach nur geil und zieht einen in eine andere Welt. Unglaublich, was die beiden für eine psychedelische Stimmung erzeugen können. Seit Wochen habe ich mich auf genau diese Band mit am meisten gefreut und werde zu keiner Sekunde enttäuscht. Es macht einfach nur Laune und versetzt das Kopfkino in Aktion. Super Auftritt und mein definitives Tageshighlight mit definitiv zu wenigen Zuschauern, leider. Das Warten hat sich für mich mehr als gelohnt – Top!

Mit diesem Glücksgefühl geht es dann zurück und das ein oder andere Absackergetränk muss jetzt noch dran glauben. Dabei lasse ich den Tag noch einmal, heute ohne meinem Freund und Nachbarn Oskar, Revue passieren. Denn dieser muss morgen noch schnell in den Nordwesten Dänemarks, um mit Ambush kurz mal eine Show zu spielen.


Tag 2, Samstag, 04.06.2022:

Ausgeschlafen und nach einem guten Frühstück in den eigenen vier Wänden sind wir bereit für den zweiten Festivaltag. Es kann losgehen und so gibt es direkt mal eine Hopfenkaltschale, es soll warm werden heute. Da muss man auf den Flüssigkeitshaushalt achten – ganz wichtig, Freunde! Aber bevor es zur ersten Band geht, findet erst mal die legendäre Muskelrock-Auktion statt. Wie immer gibt es eine bunte Mischung aus Band-Merch, Handgemachtes und einige echte Unikate wie etwa das Horisont Bühnendeko H, welches der Auktionsgewinner nach der letzten Horisont Show sein Eigen nennen darf. Das ging erwartungsgemäß für gut Geld weg und so bekommt das Tyrolen einiges an Hilfe für ihr soziales Projekt in Tansania zusammen. Für uns gab es die ein oder andere Kleinigkeit und besonders witzig war dieses Jahr der Moderator, der von einem Assistenten im Affenkostüm unterstützt wurde. Im Anschluss gibt es noch schnell ein gemeinsames Mittagessen mit Henrik und Dejan von Screamer und selbstgemachtem Börek von Dejans Mutter. Was für eine tolle Überraschung und ich muss es mal so sagen: Meine besten Börek, die ich je hatte! Tausend Dank nochmal dafür!

Danach ist nun aber Zeit für den musikalischen Auftakt des Tages und den machen heute Goatfyre im Rotunden. Die Heavy Punks aus Götheburg legen zu dieser frühen Stunde eine abgefahrene Show hin. Die Band um Frontröhre Orsa, die wir auch schon seit Jahren vom Muskelrock kennen, hat sich in etwas unkonventionelle Klamotten geworfen und auch etwas Facepaint steht auf der Tagesordnung. Die Mucke ist echt strange, reudig und roh. Macht aber Spaß, ist ziemlich abwechslungsreich und reicht von schrägen Kreischparts bis hin zu fast seichten Tönen mit Bangpotential. Punkbedingt fallen die Songs meistens etwas kürzer aus. Cooler Einstieg in den Tag.


Nun geht es etwas ruhiger zur Sache. Freeways aus Kanada hat mir Oskar ans Herz gelegt für heute. Also gucken wir uns das Quartett mal an. Der 70er Heavy Rocksound kommt gut rüber, aber irgendwie bei mir nicht wirklich an. So gucken wir uns einige Songs an, aber der Funke will nicht so recht überspringen. Der Rest vor der Bühne hat jedenfalls ne Menge Spaß in den Backen und feiern die Nordamerikaner an. Durch eine wohlverdiente Mittagspause mit einer frischen Pizza und einem Kaltgetränk verpassen wir (mal wieder…) Satan’s Fall. Das ist das Problem, wenn so viele gute Bands spielen, dass man sich mal die eine oder andere klemmen muss.


Dafür sind wir pünktlich zum ersten Tageshighlight zur Stelle, denn jetzt spielen Alien Force auf. Die Dänen habe ich vor dem großen C zum Ersten und bislang letzten Mal auf dem BroFest in Newcastle gesehen und dort haben sie ein echtes Feuerwerk abgeliefert. Heute merkt man, dass die Jungs schon einige Monde auf dem Buckel haben und zocken routiniert ihre Setliste runter, auf der viele Songs vom letzten Release „We Meet Again“ stehen. Starke Show, bei der natürlich der Kracher „Hell And High Water“ auch nicht fehlen darf, wobei es vor der Bühne zu viel Bewegung kommt. Auch hier ist das Ende viel zu schnell gekommen.


Zurück in das gut aufgeheizte Rotunden, um uns die heißen Hot Breath anzugucken. Das Power Retro-Rock Quartett aus Götheburg hat uns letztes Jahr schon beim Muskelrock im Folketshus ordentlich die Ohren zum Glühen gebracht. Ähnlich heiß geht’s auch heute zu, denn der Vierer um Fronterin Jennifer gibt ab des ersten Akkordes Vollgas. So gibt es reichlich Bewegung vor der Bühne. Bei geilen energiegeladenen Songs wie „Right Time“, „Turn Your Back“ oder dem Kracher „Bad Feeling“ auch kein Wunder, dazu muss man sich einfach bewegen. Hot Breath liefern wieder mal eine mächtiges Brett ab.


Nun aber schnell wieder an die frische Luft. Auf der großen Bühne steht jetzt eine NWoBHM Legende auf den Brettern. Jameson Raid hab ich auch schon länger nicht mehr gesehen. Das Quartett aus Birmingham ist älter als ich und doch noch um einiges agiler, haha. Spaß bei Seite, denn die Jungs rocken sich die Seele aus dem Leib und machen richtig Laune. Die Jungs haben einfach Heavy Metal im Blut und zeigen das auch zu jeder Sekunde. Aktiv und voller Power zocken Jameson Raid routiniert ihre Setlist runter. Mein Highlight dabei das legendäre „Seven Days Of Splendour“. Geile Show und echt traurig, wenn man sich überlegt, dass aus dieser Band nie groß etwas geworden ist in ihren Hochzeiten. In siebenundvierzig Jahren haben sie gerade mal ein reguläres Album an den Start gebracht und das auch erst nach ihrer letzten Reunion. Dennoch immer wieder geil zu sehen, dass sich Bands wie Jameson Raid heute einer hohen Beliebtheit erfreuen bei den Fans.


Nun ist mal wieder Zeit für eine kleine Verschnaufpause, denn es spielen Mirror auf. Kenne ich nicht und ich habe dieses Wochenende schon viele neue Bands kennengelernt. Also erst mal etwas für den Flüssigkeitshaushalt tun. Für die nächste Band muss ich wieder fit sein. Die Speed Metaller Acid aus Belgien gelten auch als wirkliche Legende. Das selbsbetitelte Debüt und der Nachfolger „Maniac“ können wohl ohne Umschweife als Meilensteine bezeichnet werden. 2019 erst wieder zusammengefunden, hat sich die Band nach kurzem direkt wieder in den Haaren und so gibt es aktuell wohl zwei Bands. Diese hier ist die Band um die Fronterin Kate, die bei dem Wetter tatsächlich anfangs mit einem langen Samtmantel auf der Bühne steht. Kate ist wild und läuft sich die Füße auf der Bühne breit. Echt geil und ein Highlight, diese Band mal live zu sehen. Dennoch muss ich sagen, fehlt mir etwas der Pfeffer im Arsch. Der Auftritt ist solide, mehr aber auch nicht. Erwartet hätte ich ein Speed Metal Feuerwerk, dieser entpuppt sich aber eher als Tischfeuerwerk.


Danach geht es wieder ins immer noch recht warme Rotunden, denn auch hier passiert etwas legendäres, wenn auch wohl im kleineren Rahmen. Die Götheborger Hard Rocker Horisont haben sich das Muskelrock als letzten Auftrittsort ausgewählt. Entsprechend voll ist der Saal und die Stimmung von Beginn an top. Die Jungs haben bei mir wirklich spät gezündet, nämlich eigentlich erst richtig zum letzten Album „Sudden Death“, das mich total geflasht hat und wochenlang in Dauerrotation bei mir lief. Das Quintett spielt eine bunte Querbett Mischung aus ihrer Schaffenszeit und so wirklich will die Band keiner gehen lassen. Natürlich dürfen Horisont sogar noch zwei Zugaben spielen. Die Menge brodelt und genießt sichtlich diese final Show. Echt geil und schnell steht fest, dass die Rock Welt gerade um eine Attraktion ärmer geworden ist. Danke für eure Musik, Horisont. Hoffe wir sehen uns irgendwann wieder…


Nach dieser emotionalen Achterbahn geht es auf der Außenbühne etwas ruhiger zur Sache. Hier steht jetzt eine weitere Legende auf der Bühne. Mit Mindless Sinner kehrt eine der ältesten Metal Bands Schwedens auf die Muskelrock Bühne zurück. Als Meilenstein in der Heavy Metal Historie kann man wohl bis heute ihr 86er Debüt „Turn On The Power“ bezeichnen. Das Quintett, das bis heute noch aus drei Originalmitgliedern besteht, legt von Beginn an die Messlatte ziemlich hoch. Man merkt deutlich, dass die Herren richtig Bock haben und immer noch dafür brennen, auf der Bühne zu stehen. Sie treten ordentlich in die Vollen und gerade die heimischen Fans sind schnell auf Kurs. Sänger Christer hat die Menge zu jedem Moment im Griff. Leider ist auch wieder mal zu schnell Feierabend und wir nehmen uns mal wieder eine kleine Auszeit, weil keiner von uns etwas mit dem nächsten polarisierenden Akt Helvete’s Port anfangen kann, haha…


Danach wird es dann etwas skurril. Omen aus den Staaten sollen uns den Abend mit einer anständigen Portion Heavy / Power Metal versüßen. Shouter Nikos entschuldigt sich gleich zu Beginn, dass er echt krank ist am heutigen Tag. Dafür hat er sich Gastsänger Coburn Pharr, der Omens „Escape To Nowhere“ eingesungen hat, genauso wie Annihalators „Never, Neverland“ zur Hilfe geholt. Entsprechend obskur ist dann auch der Auftritt. Klar, die Setlist Omens ist natürlich immer eine Macht, aber was die Band hier abliefert, scheint nicht mal Gründungsmitglied Kenny Powell sonderlich zu begeistern. Nikos tut sich sichtlich schwer, besonders bei den hohen Parts. Klar, wenn man krank ist, sind solche Leistungen natürlich ein wahrer Kraftakt. Über Coburn verliere ich mal lieber kein Wort, denn der geht leider total unter und steht sich und seinen Kollegen teils eher im Weg, als dass er hilft. Dass sich Omen heute schwer quälen, sieht man spätestens bei dem zügig durchgeprügeltem „Battle Cry“, wofür die Band knapp zweieinhalb Minuten braucht und auch der gute Axeman ist heute sehr zackig unterwegs.


Mehr als enttäuscht sind wir nach diesem Auftritt und ich bin ganz froh, dass es jetzt im Tent Of The Wizard noch etwas Ablenkung in Form von Gabestok gibt. Punkig, dreckig, rotzig sind die ersten Schlagworte, die mir zu dieser Band einfallen. Black Metal, wie er reudiger kaum sein kann. Das Zelt ist natürlich gut gefüllt, die Luft entsprechend stickig, aber die Stimmung einfach großartig. Da sich heute alles zeitlich im Laufe des Tages nach hinten verschoben hat, sind die beiden Dänen, die sich für den heutigen Auftritt zwei Kapuzenklampfer gegönnt haben, schon mitten im Set, als ich das Zelt entere. Geiler, abwechslungsreicher Black Metal aus den Tiefen der Hölle ist genau der richtige Tagesabschluss für mich und auch der Rest des Zeltes denkt wohl so, nach den Reaktionen. Die Bühne ist ein alter Traktoranhänger mit Gittern drumherum. Dieses kann sich übrigens erstaunlich weit zum Takt der Musik vor und zurück bewegen. Dies ist genau die richtige Umgebung für eine Black Metal Underground Band. Was der Vierer uns hier um die Ohren ballert, ist einfach nur geil und mein Grinsen wird immer breiter. Selbst noch auf dem Heimweg…


3. Tag, Sonntag, 05.06.2022:

Nach einer weiteren guten Nacht im eigenen Bett, einer Kanne frisch gebrühten Kaffees und einem leckeren Frühstück, verbringen wir den Vormittag des letzten Festivaltages auf unserer Veranda unter der Markise mit Kaffee und Bier. Von hier aus hören wir auch schon das erste Event des Tages, dem Traktorpulling auf dem Gelände. Nach dem Gejohle, hat der Traktor wohl verloren. Zum ersten musikalischen Event des Tages, dem Gastauftritt des Wytch Hazel Gitarristen Colin Hendra beim Sonntagsgottesdienstes in der Kirche des Ortes Blädingen haben wir es leider nicht geschafft. Zu Besuch haben wir heute den mighty ‚Night‘ Oskar mit seinem Vater zum zweiten Frühstück. Oskar ist die halbe Nacht gefahren, um wieder schnell nach dem Ambush-Auftritt in Dänemark pünktlich auf dem Muskelrock zu sein. Sein Arbeitstag für heute grenzt an Workaholictum.

Nach dem entspannten Tagesstart stellen wir fest, dass wir auch den Openingact Thunderor aus Kanada verquatscht haben. Schade, denn das was ich gehört habe, klang recht gut. Auch Children Of The Sun müssen leider ohne uns ihren Auftritt absolvieren, haben sie aber wohl geschafft. Für uns geht es ziemlich spät, irgendwie sind wir heute echt was faul, zum Ende der nächsten kanadischen Heavy Metal Maschinerie Traveler vor die Bühne. Wie gewohnt ein ziemlich starker Auftritt mit Krachern wie „Street Machine“, „Behind The Iron“ oder dem schleppenden „Fallen Heroes“. Das mächtige „Starbreaker“ gab es wohl mal wieder sehr früh.


Mein erstes wirkliches Tageshighlight spielt im immer noch ziemlich aufgeheizten Rotunden. Sandstorm, ebenfalls aus Kanada, ist ein rockiger Heavy Metal Dreier, der mich mit seinen beiden ersten EP’s „Time To Strike“ und „Desert Warrior“ direkt gecatched hat. Das Trio rockt sich von Beginn an in die Herzen des Publikums. Die ursprünglichen Schweden Stevie Whiteless und Reptile Anderson fühlen sich in ihrer alten Heimat sichtlich wohl. Mit Songs wie „Desert Warrior“, „Evil Wins“, „Denizen Of Hell“ oder dem Oberkracher „Lucia, Warrior Of Light“ ist es aber auch nicht schwer, die Menge in seinen Bann zu ziehen und so ist die Reaktion natürlich entsprechend durchweg positiv und wo, wenn nicht auf dem Muskelrock, sollte man diese Band sonst zuerst sehen. Geile Band, starker Auftritt und ich bin noch mehr Fan, als vorher – grandios!


Als Kontrastprogramm kann man da wohl den folgenden Akt bezeichnen: Armory aus Götheburg haben mich vor Kurzem erst mit ihrer aktuellen Langrille „Mercurion“ überwalzt. Speed Metal, der seinem Namen alle Ehre macht. Zur passenden Deko baumelt vor der Bühne ein kleines UFO, echt spacig. Doch schon nach wenigen Songs stelle ich fest, dass der extrem hohe Kreischgesang nach Sandstorm bei mir auf wenig fruchtbaren Boden fällt. So gucken wir uns noch ein paar Songs an und machen uns dann doch auf Nahrungssuche und entscheiden uns auch heute wieder für einen der legendären vegetarischen Muskelrock Burger. Das Essen auf diesem Festival ist einfach eine Macht, mehr gibt es dazu wohl nicht zu sagen. Auch ein selbstgebackener Möhrenkuchen und ‚n Becher Kaffee im Anschluß baue ich mir noch in den Körper. Einfach weil es total lecker ist.


Nach dem Kuchen bin ich auch gleich am richtigen Platz, denn direkt neben der neuen Kuchentheke, dessen Unterbau wir in der vergangenen Woche gezimmert haben, steht eine weitere Band auf der Bühne, auf die ich mich sehr freue. Parish aus London zocken Proto Heavy / Doom Metal und haben 2020 ihre erste EP namens „God’s Right Hand“ veröffentlicht. Ziemlich tight, was das Trio hier abliefert und schnell haben mich die Jungs. Mit ihrer leicht melancholischen Musik transportieren mich Parish in eine andere Zeit. Die Songs sind eingängig und haben soviel Kraft in sich, wirklich ein kleines Highlight des Tages.


Draußen auf der Venedig Stage kommen jetzt wohl so ziemlich alle Metaller zusammen. Die Lokalmatadore Ambush stehen als nächstes auf dem Zettel. Der Fünfer hat sich die letzten Wochen auf ihrer Europatour täglich feiern lassen, aber zuhause ist es natürlich immer noch mal was anderes. Mit einer magischen Energie legen die Jungs los und bevor man sich versieht, bangen sich die ersten Reihen den Nacken blutig. Mit Songs wie „Firestorm“, „Possessed By Evil“, „Hellbiter“, „Natural Born Killers“ oder auch dem Titeltrack der neuen EP „Barabbas“ hauen Oskar und Co. uns feinsten Heavy Metal um die Ohren. Ambush sind super eingespielt und strotzen nur so vor Energie, dass es die wahre Freude ist. Fronter Oskar traut sich soagr noch auf das Dach der Bühne, um dort oben mit einer Fackel in der Hand seine Gesangsparts zu absolvieren – geil! Auch heute bildet „Don’t Shoot (Let ’em Burn)“ den Abschluß des viel umjubelten starken Auftritts. Alle Daumen hoch – wie immer top!


Das Muskelrock wäre nicht das Muskelrock, würde im Anschluß an solch einen geilen Hauptakt nicht schon die nächste Hammerband um die Ecke luggen. In diesem Fall sind es auch wieder alte Bekannte des Muskelrocks, die hier hinpassen, wie besagte Faust aufs Auge. Die Rede ist von den Stockholmern Sienna Root. Eine der geilsten Truppen im Retro Rock Zirkus. Zuletzt haben wir das Quartett ebenfalls auf dem Tyrolen gesehen, als sie ihr bald erscheinendes neues Video aufgenommen haben. Was für ein klasse Abend mit limitierter Zuschaueranzahl. Der psychedelische Hard Rock Sound des Vierers nimmt einen sofort gefangen und hält dich mit seichten Händen sehr bestimmt fest. Sienna Root sind eine unglaublich geile Live Band, die extrem kurzweilig und unterhaltsam ist, dazu auch immer mal eine musikalische Überraschung bereit hält. Leider ist es unter dem Dach inzwischen schwer stickig und so entschließen wir uns dann schnell, an die frische Luft zu müssen und noch schnell in heimischen Gefilden ein Bier zu uns zu nehmen.


Das weitet sich leider etwas aus auf zwei oder drei und so müssen die schwedischen Heavy / Doomer Grand Magus anfangs ohne uns zurecht kommen. Keine Bange, das haben sie gut gemacht. Vor der Bühne bin ich dann doch etwas erstaunt über die Optik, besonders der JBs. Diesen haben die letzten Jahre wohl ziemlich zugesetzt. Das Trio hat es immer noch drauf und ballert aus allen Rohren, was das Zeug hält. Sehr geil auch, Grand Magus’ Ansagen in schwedisch zu hören. Die Jungs haben wir wohl zu Hochzeiten fast wöchentlich irgendwo auf einer Bühne gesehen, aber immer nur in Deutschland mit englischer Ansprache. Redaktionskollege und Freund Jens sagte mal: ‘Habe Angst nach Hause zu kommen, nicht, dass Grand Magus heute in meinem Wohnzimmer spielen’. Haha, bei der Angst ist es geblieben. Tatsächlich ist meine letzte Grand Magus Show schon wieder einige Zeit her. Die Herren haben aber bis heute nix von ihrem Spirit eingebüßt und Songs wie „Iron Will“ und das legendäre „Hammer Of The North“ sind einfach zeitlose Klassiker, die ordentlich Arsch treten. Coole Show und schön, Grand Magus mal wieder live gesehen zu haben. Puh, irgendwie waren die letzten Biere schon lecker. Also wieder zurück an den Kühlschrank und ein kleines Herrengedeck geht wohl noch.


Die thrashigen Speed Metaller Tyranex, um Fronterin Linnea, die auch bei Ice Age aktiv ist, höre ich leise durch das offene Fenster aus dem Rotunden. Ein letztes Mal raffe ich mich heute auf, um den Mitternachtsheadliner zu bestaunen. Vom gleichzeitig stattfindenden Rock Hard Festival habe ich von meiner Frau die Rückmeldung bekommen, dass Nifelheim alles gekillt haben. Naja klar, die Evil Twins Tyrant und Hellbutcher habe ich noch nie schlecht gesehen. So geben die Jungs auch heute vom Start an soviel Gas, dass nicht Mal die Überholspur reicht. Eine Feuersäule nach der nächsten sticht in den dunklen Abendhimmel und bei der Menge an Nieten und Patronengurten, den die Jungs tragen, stelle ich mir die Frage, wie stabil eigentlich der Boden der Bühne ist. Während ich mir diese Frage stelle, bin ich fast der Meinung, dass sich bei Songs wie „Sodomizer“, „Black Evil“ oder „Infernal Flames Of Destruction“ bereits die Höllentore einen Spalt weit öffnen. Für ein paar gute Fotos habe ich mich direkt vor die Bühne geschlichen, der Securitymann kennt mich bereits, als ich mich für wenige Sekunden umdrehe, um einem Kumpel kurz Hallo zu sagen. Im nächsten Moment geht alles ziemlich schnell, denn plötzlich liegt Klampfer Savage inklusive Gitarre und herausgerissenem Kabel auf meinen Füßen. Der hat sich wohl vertreten und ist den steinernen Abhang heruntergefallen. Dabei hat er sich wohl die Nase gebrochen, kommt aber mit etwas Hilfe von einigen Umherstehenden wie mir wieder auf die Bühne und spielt einfach leicht benebelt weiter. Das nenne ich mal einen Vollblutprofi. Soundingenieur Dennis kommt blitzartig angeschossen, um die gekappte Kabelage wieder dort hin zu stöpseln, wo sie hingehört. Dennis hat übrigens einen exzellenten Job an diesem Wochenende abgeliefert und wirklich jeder Band einen knallharten Sound verpasst – Hut ab. Da können sich in Deutschland etliche Soundmänner eine dicke Scheibe von abschneiden. Tja und dann ist auch schon wieder alles vorbei. Nifelheim haben den Leibhaftigen heraufbeschworen und mit ihrem thrashigem Black Metal wieder mal alles in Schutt und Asche gelegt. Was für ein infernaler Auftritt und ein mehr als würdiger Headliner eines legendären zwölften Muskelrocks.

Da wir morgen einen lange Heimreise vor uns haben, schenke ich mir die letzte Band Aggressive Perfector, die ein letztes Mal das Zelt zum Beben bringen sollen. Die anschließende Metal Disco endet, als ich morgens um sechs zum ersten Mal wach werde und viele Helfer und Organisatoren geben hier endlich mal richtig Gas, dass haben sie sich nach all der Arbeit auch mehr als verdient.

Was soll ich zu diesem Wochenende noch groß schreiben? Wohl jeder war froh und glücklich nach all der Zeit wieder gemeinsam etwas zu trinken, geile Bands zu sehen, Freunde zu treffen und einfach wieder das geilste Festival der Welt zu erleben. Erst jetzt merkt man, wie sehr man Festivals die vergangenen Jahre über doch vermisst hat und besonders das einzigartige Muskelrock. An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön an alle Beteiligten: Meine Frau, die mich hat (fast) alleine auf Tour gehen lassen, Jerry für zwei wieder Mal grandiose Wochen, unserer Tyrolen Familie (vi älskar ni!), neue und alte Freunde, den Bands und alle die ich vergessen habe. Wir sehen uns im nächsten Jahr wieder zu dem stärksten Festival des Universums. All hail to Tyrolen, All hail to Muskelrock!!!

Zur Heimreise am folgenden Nachmittag, geht es dem Himmel über Schweden genau wie uns und vergießt die ein oder andere Träne. Auf bald, wir kommen wieder!

Autor & Pics: Tino Sternagel-Petersen