NAZARETH, LUKE GASSER

Lünen, Lükaz, 09.11.2018


Obwohl das eröffnende Trio nicht bei allen Besuchern bekannt sein dürfte, war es für die meisten eine Überraschung, zumal auf den Plakaten und Flyern der Special Gust namentlich nicht aufgeführt wurde. In meinem Review zur letzten Scheibe “The Judas Tree” habe ich den Protagonisten den Schweizer Springsteen genannt, denn auch optisch geht Luke Gasser auf dem Coverartwork in die Richtung. Doch man tut dem Allroundkünstler in Jeans, Moppedjacke und Telecaster Unrecht, ihn nur auf ein Betätigungsfeld zu dezimieren, obgleich sein musikalischer Auftritt hier in Lünen zur Feder kommen soll. Beim Durchhören der Platte sieht man den Herrn vor dem geistigen Auge auf einem Barhocker sitzen, tatsächlich rennt er aber ganz schön viel rum und lässt sich auf die Knie fallen. Der passende Anlass ist für ihn nun, das Supportprogramm von Nazareth zu gestalten, das er mit einem unverfänglichen ‘Hallo’ beginnt. Nun ja, einen Hocker gibbet auf der Bühne nicht, aber weder Luke, seine beiden Mitstreiter, noch sein gebrachtes Rockmaterial schreien danach. Schon eher das Publikum heute im Lükaz, denn ein gehobener Altersdurchschnitt als sonst an dieser Stelle gewohnt ist unübersehbar. Bei Luke gehört der ein oder andere schiefe Ton dazu, seine bluesigeren Sachen bleiben weiter außen vor. So ist auch seine Interpretation von AC/DC’s “Little Lover” nicht dabei, dafür zitiert er aber den „…Watchtower“ von Hendrix und lässt sich noch ein paarmal auf den Boden fallen. Nach fast einer Dreiviertelstunde ist Schluss für eine viel zu lange Umbaupause …


Wenn man fünfzig Jahre mit seiner Band unterwegs ist, darf man das mit dem Tournamen auch so bewerben. Neben Gründungsmitglied Pete Agnew am Bass bilden auf der “50 Years Anniversary Tour” seine längjährigen Weggefährten Lee Agnew am Schlagzeug und Jimmy Murrison an der Gitarre noch immer das Line-up der Dinosaurierer Nazareth. Für den 2013 ausgestiegenen Dan McCafferty kam inzwischen Carl Sentance ins Boot, den der NWoBHM Fan von Persian Risk kennt und der wegen seiner roughen Stimme ein passender Ersatz für Mark Storace bei Krokus war. Also sollte das doch auch bei den Schotten ins Bild passen, obwohl Carl hier nicht permanent das Reibeisen auspackt. Sehr agil unterwegs sammelt er viele Punkte durch Interaktionen mit dem Publikums und nicht zu epischen Ansagen. Das Startquartett mit “Never Dance With The Devil” vom neuen Album “Tattooed On My Brain”, dem doppelfüßigen “Razamanaz” und dem Oberhit “This Flight Tonight” (Joni Mitchell) muss als sher gelungen bezeichnet werden. Danach bringt der Vierer schon mit “Dream On” die erste Ballade und man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass dadurch später noch Platz für die andere sein wird, nämlich “Love Hurts” (The Everly Brothers). Gewöhnungsbedürftiger ist dagegen das Spiel von Gitarrist Jimmy, der wie seine Vorgänger Manny Charlton und dem rockigeren Billy Rankin auch das für das Bandfeeling erforderliche eigensinnige Feeling an den Tag legt und sich charismatisch ohne Ende zeigt, dabei aber ganz sicher keine Kopie ist.

Weiter mit “Beggars Day“ (Crazy Horse), dem großartigen “Hair Of The Dog” mit lustigen “Son Of A Bitch” Mitsingspielchen und “My White Bicycle” (Tomorrow), fallen immer mehr die sehr tighten Drums auf. Ein echtes Uhrwerk Pete’s Sohn Lee, der nach dem Tod von Darrell Sweet den Drumschemel übernahm. Wenn man den starken Titelsong des neuen Albums “Tattooed On My Brain” gehört hat, kann man noch nicht mit dem Ende der Band rechnen und denkt zum bereits erwähnten “Love Hurts“ über den Einsatz des Feuerzeugs nach, was aber bei sehr viel vorhandenem Bühnenlicht gar nicht richtig gewirkt hätte. Nach dem unverzichtbaren “Morning Dew” (Bonnie Dobson) als letztes Stück im regulären Set folgt durch die Klassiker “Go Down Fighting”, “Where Are You Now” und “Broken Down Angel” noch ein Block von drei Zugaben, bevor die applaudierende Menge nach 90 Minuten entlassen wird. Wer noch auf einen der größten Bandhits wartete, wurde enttäuscht, denn “Telegram” wurde leider nicht gespielt. Ungeachtet ihrer vielen Cover (die o.a. Klammervermerke), die seit Beginn an in ihrem Backkatalog stehen, weil sie zu den Bandhighlights gehören und für ihre Livesets unverzichtbar sind, legten Nazareth immer ein höchstes Maß an Eigenständigkeit an den Tag. Dennoch haben sie in den Siebzigern nicht den Erfolg wie Black Sabbath, Deep Purple oder Led Zeppelin einfahren können, ähnlich wie Uriah Heep und Ufo, dafür sind sie aber heute noch am Drücker, und das ist gut so! Der Tourbeginn darf als geglückt bezeichnet werden und es geht weiter nach Markneukirchen. Wer Bock hat, fährt auch dort hin, seine Helden noch einmal zu sehen. Bis zum nächsten Mal…!

Autor & Pics: Joxe Schaefer