NEORITE – temple of the new

Die Sache mit dieser Scheibe ist folgende: Neorite können sich nicht zwischen Melodie, Eingängigkeit, Biss und Epik entscheiden. Das Gute ist: Das müssen sie auch gar nicht. Denn die Münsteraner verbinden all das in fünf meist überlangen Stücken zu einem wunderbaren Album, das sämtliche Grenzen zwischen Heavy-Metal, Stoner- und Progressive-Rock verschwimmen lässt. Während das Intro noch nach 80er-Synthies á la Kavinsky klingt, braten bei “In Circles” danach gleich die Twin-Leads los. Neorite verbinden auf “Temple Of The New” anschließend Heavy-Rock gekonnt mit progressive Parts und tollen Melodien. Dabei schrecken sie auch nicht vor Black-Metal-Geknüppel wie in “Neology Of Enlightenment” zurück. Man muss auch erst mal einen Drummer haben, der das alles einfach so mitspielt. Hier ist alles drin: Dawnbringer-artiger Wahn, Melodie, Tempowechsel, ein passendes Solo und wunderbarer (Klar-)Gesang. Für mich der Song des Albums. Aber Neorite können auch verspielt und etwas krude, was “Emergence” aber gerade deshalb spannend macht. Wahnsinnig eingängiger Refrain, der seinem Namen aber schließlich alle Ehre macht – und für meinen Geschmack etwas zu oft wiederkehrt. “One Breath Life” startet eher verhalten, entwickelt sich dann aber zu einem straighten Heavy-Metal-Song mit zwei feinen Instrumental-Passagen. Am Ende zieht das Stück noch mal richtig an. Fast schon zu viel für einen Song, aber eben auch nicht langweilig. Als schleppend schweren Rausschmeißer haben die vier Münsteraner “Whitewash The Black” auserkoren. Was bereits früher anklingt, wird hier deutlich: Neorite schaffen hin und wieder eine Epik, die entfernt an die von Atlantean Kodex erinnert. Mit den Ideen auf diesem Album füllen andere Bands mitunter zwei Alben oder gniedeln dekadenlang die gleichen Skalen rauf und runter. Die Münsteraner jedoch picken sich aus einer Handvoll Spielarten des Heavy Metal einige heraus und vermengen sie meist gekonnt zu Eigenkreationen. Die offenbar alles andere als günstige Produktion macht sich dabei bezahlt: Der Sound ist fett, der Gesang klingt druckvoll. Wie bei jedem anderen Album mit Ecken, Kanten und vielen Ideen gilt auch hier: Zündet zwar nicht sofort, brennt dafür aber umso länger!

Wertung: 8/10
Autor: Florian Forth