Nord Open Air

Essen, Viehofer Platz, 28.07.2018


Auch dieses Jahr fanden für Headbanger einige Parallelveranstaltungen zum Nord Open Air statt, dazu gehörte mal wieder das Headbangers Open Air, oder auch die Konzerte von Riot V und She’s Got Balls, einer all-female AC/DC Tributeband. Während hier auf dem Viehofer Platz am Vortag The Narrator, The Mahones, A Traitor Like Judas, V8 Wankers, Ryker’s, D.R.I., Terrorgruppe und Hatebreed auf der Bühne wüteten, entspricht das Billing des zweiten, X-CRASH konformeren Festivaltages mehr dem Geschmack des Metallers. Den Eröffner des heutigen Tages machen sechs melodischer eingestellte Extremisten bei klarem und wuchtigen Sound. Decaptacon legen vor einer Menge pünktlicher als die Feuerwehr los, die größer ist als vergleichsweise die im vergangenen Jahr zu Beginn des zweiten Tages. Die NRW-Deather verteilen sich gleichmäßig am vorderen Bühnenrand, eine kleine zum Angriff blasende Dreigitarren-Armee. Zwar gibt’s von Shouter Andreas cleane Ansagen, aber seine Growls gehen auch noch als verständlich durch. Die Songs ihres selbstbetitelten 2017er Debütalbums wie „Demons Of Democracy“, „The Lie Of Equality“ und „Pain“ wirken exakt wie an der Schnur gezogen. Das gilt auch für den neuen Song „For Those Who Die“, der jedoch einen schönen Moshpart in der Mitte vorhält. Eine Dreiviertelstunde mit Ausrufezeichen, von den Jungs sollte man sich mal ein komplettes Album ziehen. (Joxe Schaefer).


Deathrite aus Dresden spielen als zweites, obwohl sie als Headliner Festivals zerlegen können, wie zuletzt auf dem Underground Remains bewiesen. Eine Schmach, sie hier in Essen als Co-Opener auf die Bühne zu lassen. Die Jungspunde, deren viertes Album in der Mache ist, geben Gas und hauen ihr schwerst schwedisch klingendes Gebräu aus Death Metal, Crust und einigen doomigen Passagen in die noch spärlich gefüllten Reihen des Nord Open Air. Spielfreude, Sound und Songauswahl der Jungs um Sänger Tony machen Laune, die Reaktionen darauf fallen durchweg positiv aus. Man darf gespannt sein, was das vierte Album zu bieten hat, bisher haben es Deathrite immer geschafft, sich ein wenig von den zig x-beliebig klingenden Entombed/Dismember-Clones abzuheben. (Bert Meierjürgen).


Band Nummer drei beim diesjährigen Nord Open Air sind die nach fast zwanzigjähriger Pause reformierten Hamburger Warpath, die mit ihrer brachialen Thrash- / Doom- / Hardcore- Mischung mit deutlichen Carnivore-Einflüssen bereits letztes Jahr mit einem hervorragenden Comeback-Album, sowie diversen Shows begeistern konnten. Und auch an diesem frühen Nachmittag lassen die Hanseaten nichts anbrennen und feuern eine fette Soundwand auf das Publikum los. Zum Einstieg gibt es das Doppel „Reborn“ und „Believe“ vom neuen Album, weiter geht´s dann mit den Klassikern „Massive“ und „Against Everyone“. Der Schwerpunkt des Sets liegt erwartungsgemäß auf dem aktuellen Longplayer, aber zwischendurch kommen auch ältere Abrissbirnen wie zum Beispiel „Paranoia“ zum Zug. Den Abschluss bildet dann der aktuelle Song „God Is Dead“, bei dem der sich allmählich gebildete Moshpit noch mal auf Hochtouren läuft. Die Band ist äußerst gut gelaunt und zeigt viel Spielfreude. Besonders Fronter Dirk Weiss ist eine echte Rampensau und peitscht das Publikum immer wieder an. Zudem stellen seine recht humorvollen Ansagen einen ziemlichen Kontrast zum doch eher angepissten, aggressiven Sound der Truppe dar. Bevor er seine Kamera ins Publikum hält, holt er sich, entsprechend der neuen Datenschutzbestimmungen, das kollektive Einverständnis der Meute ein. Nach einer 45minütigen Vollbedienung hinterlassen Warpath zufriedene Gesichter und den Wunsch meinerseits, die sympathische Truppe möglichst bald wieder zu sehen. Ein echtes Highlight, einfach nur fett! (Felix Schallenkamp).


Ich habe bei Live-Auftritten der Schweden von Bullet ja öfter mal den Drang, mich umzudrehen. Sänger Hell Hofer fixiert da immer einen imaginären Punkt ganz hinten oberhalb des Publikums. Wie meine Katze, die an die Wand starrt und ich frage mich: Was sieht die da eigentlich, was ich nicht sehe? Nee, ehrlich, ich habe selten einen anderen Sänger gesehen, der so rigoros den Blickkontakt mit dem Publikum vermeidet. Nichtsdestotrotz hat “The Beast”, wie ihn Gitarrist Hampus Klang vorstellte, auch in Essen gesanglich wieder voll überzeugt. Seine Stimme schneidet genauso durch die Songs wie die von Brian Johnson bzw. Mark Storace von Krokus. Bullet orientieren sich ja musikalisch genau wie die Australier Airbourne sehr an den schnelleren Sachen von AC/DC, aber genau das macht live auch einen Riesenspaß. Gerade, wenn man sich etwas in ihrem Repertoire auskennt und die Songs aus voller Seele mitgrölen kann. Das hat der Verfasser in Essen gemacht und deshalb waren Bullet für ihn auch der erste echte Höhepunkt. Leider mit sechs Songs für seinen Geschmack viel zu kurz. Dafür gab’s aber mit “Rolling Home”, “From Dusk ‘Til Dawn”, “Stay Wild”, “Fuel The Fire”, “Turn It Up Loud” und natürlich “Bite The Bullet” auch nur Knaller. (Wolfgang Haupt).


Die wiedererstarkten Schweden von The Haunted um Rückkehrer Marco Aro ballern nach dem Intro vom aktuellen Album „Strength In Numbers“ mit dem rasend schnellen „Brute Force“ los und schnell sieht man die ersten Moshpits vor der Bühne. Der Sänger haut sich grinsend vor Freude erst mal das Mikro auf die Stirn, um eine blutende Wunde zu verursachen. Stört ihn aber anscheinend nicht, er grinst unbeirrt weiter und schreit sich die Seele aus dem Leib. Die folgenden Songs sind größtenteils hardcorelastige Stücke und lassen mich teilweise an der Bezeichnung „Thrash Metal Band“ zweifeln. Dem Publikum ist’s egal, die an Härte kaum zu überbietenden Songs werden im Pit abgefeiert, obwohl mir die Performance zu eintönig ist. Am Ende kratzen die fünf Schweden dann noch mit dem Klassiker „Bury Your Dead“ die Kurve und auch „99“ darf nicht fehlen. Ein sehr unspektakulärer, aber solider Auftritt, bei dem Bassist Jonas Björler und Drummer Adrian Erlandsson wohl noch Energie für ihren späteren At The Gates Auftritt aufgespart haben. (Dominik Herr).


Das schwedische Night Flight Orchestra ist im Moment ja in aller Munde. Bereits vier Alben ohne Abnutzungserscheinungen sprechen schon eine starke Sprache! Die Wiederbelebung des 80er Classic-AOR-Rocks Marke Toto, Foreigner oder Boston garniert mit einem Schuss Abba , ganz viel Augenzwinkern und etwas mehr Schmackes hat schon auf dem Rock Hard Festival vor einem Jahr vortrefflich funktioniert. Dazu kunterbunte Anzüge, Stewardessen oder Krankenschwestern als Background-Sängerinnen was dann auch optisch ordentlich was her macht. Leider braucht die Crew gefühlte Ewigkeiten für den Soundcheck, bei dem dann doch nur ein übersteuerter, rumpeliger und nerviger Sound herumkommt. Die Band macht ordentlich Show und liefert eine ganze Menge knackiger Songs, die den schrottigen Sound zumindest ein bisschen vergessen lassen. (Bert Meierjürgen).


Mittlerweile sollte sich herumgesprochen haben, dass Tankard nicht nur eine Rumpel-Combo sind, die Songs über’s Saufen bringt, sondern dass die Herren auch richtig Thrashmetal draufhaben. Das stellen sie auch gleich zu Beginn ihres Auftritts mit “One Foot In The Grave” unter Beweis, wo dem Publikum mal gleich die schwüle Luft und den Fotografen aufgrund des zuckenden Stroboskoplichts die Sicht wegbleibt. Fette, bratende Gitarrenriffs nehmen die Zuschauer sofort für sich ein. Mit “Zombie Attack” und “Rapid Fire” folgen weitere Knaller. Aber natürlich wären Tankard nicht Tankard, wenn man nicht auch Songs für die Stimmung und Oden an den Alkohol an diesem schönen Sommertag zum Besten geben würde. “R.I.B. (Rest In Beer)”, “A Girl Called Cervesa” oder “Freibier” bringen die sowieso schon heißen Temperaturen in Essen auf den Siedepunkt. Die Security hat alle Hände voll zu tun, um die Fans mit Wasserschläuchen wenigstens halbwegs überlebensfähig zu halten und die Crowdsurfer hinter der Absperrung in Empfang zu nehmen. Nichts gegen At The Gates, aber Tankard waren nicht nur für mich wohl der Höhepunkt des zweiten Tages des Nord Open Air 2018. Superauftritt von Tankard, keine Frage! (Wolfgang Haupt).


Wer an diesem heißen Samstag nach Tankard zu vorgerückter Stunde immer noch Kondition hat, bekommt noch Göteborg-Death von At The Gates präsentiert, dem Headliner des zweiten Tages. Und das sind nicht eben wenige. Das Gelände ist nach wie vor voller Menschenmassen, die auch, trotz meiner Lorbeeren an Tankard, von At The Gates sicher nicht enttäuscht werden. Langsam wird es dunkel und die Scheinwerfer, deren Kegel über dem Publikum kreisen, zeigen, dass kaum einer nach Hause will. Die Security weiß sicher auch, was sie an diesem Tag geleistet hat, muss sie doch auch bei At The Gates noch jede Menge Crowdsurfer aus dem Publikum ziehen. Begeisterung also auch beim Auftritt der Schweden, die mit ihrem recht eingängigen Melodic Death Metal sowohl beim Verfasser als auch natürlich beim Publikum sehr gut ankommen. Hut ab vor den Verantwortlichen des Nord Open Air, die es auch in diesem Jahr wieder geschafft haben, einige namhafte Bands an Land zu ziehen und ein Festival mitten in der Innenstadt von Essen auf die Beine zu stellen, das von der Organisation und vom Ablauf absolut überzeugt hat. Und das ganze für Umme, nichts zu meckern und Daumen nach oben! (Wolfgang Haupt).

Autoren: Joxe Schaefer, Bert Meierjürgen, Felix Schallenkamp, Wolfgang Haupt, Dominik Herr.
Pics: Wolfgang Haupt, Joxe Schaefer