OVERKILL, DESTRUCTION, FLOTSAM AND JETSAM, CHRONOSPHERE

Osnabrück, Hyde Park, 16.03.2019


Während in der Halle drei Minuten vor der Zeit die erste Band loslegt, stehen wir noch geduldig in akkurater Warteschlange und beobachten, wie die Metalfans gesittet einparken, gegenseitig ihr Leergut aufheben und Einwegbecher ineinander stapeln. Vor jeder Dorfdisco, wo die Torpedoforscher abbremsen, sieht das komplett anders aus. Letztendlich geht der Einlass hier zügig voran und wir stehen noch während des ersten Songs vor der Bühne. Statt der progressiven Australier Meshiaak rutschten die vier Jungs der Griechenthrasher von Chronosphere ins Billing, die schon auf alten Promofotos rote Hosen trugen. Ihr noch aktuelles 2017er Album titelt schließlich auch “Red ‘n’ Roll”. Statt zum gerade parallel stattfindenden Up The Hammers Festival in ihrer Heimat zu gehen, greifen die Athener nun hier in die Saiten. Doch warum soll es ihnen besser gehen als uns? Denn wir können wegen dieses Events auch nicht das Fullmetal Osthessen heimsuchen, ohne uns physisch zu teilen. Der eröffnende Vierer hier im Hyde Park gibt nach allen Regeln der Kunst gut Gas, aber für das Mitshoutspiel in “Warriors“ ist es wohl noch zu früh. Zu “Picking Up My Pieces” wird’s dann noch voller und als das halbstündige rhythmische Geprügel sich dem Ende neigt, testet der Lichtmann schon mal die grünen Scheinwerfer für später. Shouter und Gitarrist Spyros brüllt sich durch das Programm und legt schlussendlich seine Klampfe für Motörheads “Ace Of Spades” weg und siehe da, endlich sind mal anständige Reaktionen in der Audienz zu bemerken. Für viele Besucher mehr als nur Durchschnitt, gemessen am Run auf ihre Shirts am Merch.


Die drei letzten Bands haben allesamt ihre Wurzeln in den frühen Achtzigern, und dementsprechend lässt sich auch der Altersdurchschnitt des Publikums beschreiben. Crowdsurfer werden sich auch später beim Headliner in Grenzen halten, soviel vorweg. Nicht nur Thrasher, sondern auch viele Oldschoolmetaller feierten in den vergangenen Jahren die Wiedererstarkung von Flotsam & Jetsam. Das sollte nicht schwer gefallen sein, zumal die neueren Outputs inklusive ihres aktuellen Albums “The End Of Chaos” bei den Fans sehr gut ankommen. Als zweite Band auf dem heutigen Killfest macht der Fünfer, Shouter Eric heute mal nicht in schwarzer Weste, sondern in hellem Jeansstoff, einfach alles richtig und bekommt die Fans auf ihre Seite. Der Song “Iron Maiden” klingt auch live nach “The Trooper” und siehe da, schon kommt die Meute aus dem Quark. Treffend wird gleich das geniale “Hammerhead“ hinterher geschossen, die Stimmung auf dem Level zu halten. Nach den Tracks vom neuen Album „Demolition Man“ und „Recover“ widmen sie dem Overkill-Fanclub ‘Skullcrushers’ den Abschlusstrack “No Place For Disgrace”. Eine sehr gute Show, wir sind ziemlich zufrieden.


Von Besuchern des gestrigen Konzertes in Eindhoven scheint die Meinung vorzuherrschen, dass Destruction dort die beste Band gewesen sein soll. Dieser sympathische Vierer aus Süddeutschland war nie wirklich weg vom Fenster und soll sich auch hier in Osnabrück als absolute Bereicherung im Billing entpuppen, zumal viele wegen Schmier und seinen Sidekicks angereist sind. Die Jungs selbst erwischen heute mit “Curse The Gods” und „Release From Agony“ einen guten Start, was deutlich an den Publikumsreaktionen bemerkbar wird. Die Hinzunahme einer zweiten Gitarre, die von Damir bedient wird, beschert den Fans einerseits optisch eine Triple-Flying-V-Attacke, gibt aber auch in den Klassikern „Nailed To The Cross“,  “Mad Butcher“, „Life Without Sense“ und “Total Desaster” mehr Brett auf die Ohren, ebenso im neueren “Dethroned“. Hier im Hyde Park besonders erwähnenswert, weil sich über die Akustik in diesem Achteck nie jemand beschwert. Nach reichlich Rauchsäulen und dem einführenden Kettensägensound zu “The Butcher Strikes Back” folgen noch “Thrash Til Death“ und „Bestial Invasion“, so endet ein fünfzigminütiger Auftritt mit Klasse! Schnell noch für ‘nen Zwanni ein Shirt abgegriffen; das muss jetzt einfach sein und kann auch vom inneren Schweinehund nicht mehr verhindert werden.


Nicht nur Fans der finalen Band, sondern auch breite Metallerschaften sind sich einig, das neue Album “The Wings Of War” der New Yorker, mit Jason „The Hitman“ Bittner an den Drums, ist sehr stark ausgefallen und gehört zu den besten in der Diskographie. Daher ist die Erwartungshaltung groß, das Material auch live zu erleben. Vor den Lautsprecherboxen mit Overkill Schriftzug in Marshall-Optik wird mit dem Albumopener “Last Man Standing” losgelegt und “Electric Rattlesnake” mit  “Hello From The Gutter“ das Opening-Triple komplettiert, bevor ein erstes Break Raum für Overkill-Rufe gibt. Der Bass nagelt gut hörbar und spätestens in der Folge von “Elimination”, “Deny The Cross“, “Necroshine” und dem zweiten neuen Stück “Head Of A Pin“, das für “Distortion” reingerückt ist, bemerkt man im Mix sicher nicht zu weit hinten stehende Vocals. Nicht unbedingt auf dem Zettel hatte man “Under One” vom “W.F.O.” Album, welcher kein wirklicher Stimmungssong wird, aber doch frischen Wind in die Setlist bringt. Ebenso das mal wieder gebrachte “Bastard Nation“ vom selbigen Album, das ohne den Bassvorspann auskommt. Und die Befürchtung, wenn dieser Track im Programm ist, muss nicht mehr mit “In Union We Stand” gerechnet werden, bewahrheitet sich. Dafür geht es mit “Mean, Green, Killing Machine” und „Feel The Fire“ weiter, begleitet von Bobbys unzählbaren Dankesrufen an Deutschland, bis mit dem Gassenhauer „Rotten To The Core“ der reguläre Set beendet wird. Zurück auf der Bühne bekommt die Menge ein zünftiges „Ironbound“ präsentiert, gefolgt vom unvermeidlichen “Fuck You”, darin eingebettet noch das neue “Welcome To The Garden State”. Als nach fast neunzig Minuten das Hallenlicht wieder eingeschaltet wird und “Bat Man” aus der Konserve läuft, fällt dann doch irgendwie eine Lücke auf. Denn leider befanden sich nur drei neue Tracks im Set, für eine Hammeralbum wie “The Wings Of War” einfach zu wenig, da sind sich die Fans einig. Vielleicht haben die Ostküstler dafür vor der Tour nicht genug geprobt, sonst hätten wir sehr gut noch ein “Believe In The Fight” und vor allem das markante “Bat Shit Crazy” auf die Omme haben wollen. Obwohl die Band ganz offensichtlich viel Spaß hatte und die Songauswahl aus sicheren Klassikern bestand, bleiben die Kritikpunkte wie Shirtpreise von 25 Euro bei diesem sonst absolut gelungenen Konzertabends klein. Die Band besteht aus Vollprofis, was man von ihren Fans auch behaupten kann.

Autor & Pics: Joxe Schaefer