POKERFACE – game on

Wenn man Pokerface nicht kennt und ihren zweiten Longplayer “Game On” das erste Mal auflegt, merkt man erstmal gar nicht, dass hier eine Frau das Mikro in der Hand hat. Der Opener “The Bone Reaper” fällt gleich durch ein schönes Eröffnungsriff auf, saubere Rhythmuslinien, satte Drums und der wirklich erstaunlichen Stimme von Sängerin Alexandra „Lady Owl“ Orlova. Nicht, dass ich was gegen gutturalen Gesang von weiblichen Sängern hätte (ich bin sowieso kein großer Fan dieser Art von Vocals, wenn sie nicht als gelegentlicher Effekt, sondern permanent eingesetzt werden, aber das ist mein persönlicher Geschmack und steht auf einem anderen Blatt). Zahlreiche Frontfrauen  haben mittlerweile bewiesen, dass das vermeintlich zartere Geschlecht das genauso gut hinbekommt wie die Jungs. Aber dass eine Frau hier nicht von einem männlichen Sänger zu unterscheiden ist, macht “Lady Owl” in meinen Augen zu etwas Besonderem. Die Dame wechselt zudem immer wieder zu Thrash-typischen Screams und auch sogar cleanem Gesang, was mir aus genanntem Grund sehr entgegen kommt. Beim ersten Hören kann man daher glatt den Eindruck bekommen, hier seien ein Mann und eine Frau abwechselnd gesangstechnisch am Werke.

Pokerface werden sicherlich nicht als Erfinder eines neuen Genres in die Geschichte eingehen, dafür sind die Anleihen an ihre erklärten Vorbilder Slayer, Kreator (“Blackjack [Demonic 21]”) oder auch Arch Enemy sicherlich zu deutlich. Aber ihre Interpretation althergebrachter Erfolgsrezepte können sich durchaus hören lassen, weil sie einwandfrei eingespielt und dabei erstklassig produziert sind. Zudem bleibt “Lady Owl” gesangstechnisch immer überraschend und abwechslungsreich. Und das ist es, was dieser Scheibe den besonderen Touch gibt. Seit “Hell Awaits” und “Abigail” haben es Bands nicht sehr oft geschafft, mir einen gruseligen Schauer über den Rücken zu jagen. Zu übertrieben oder durchsichtig oft die Versuche. Aber “Creepy Guests” klingt, gerade wegen der engagierten Stimme von “Lady Owl”, echt unheimlich. Klasse!

Die Songs drehen sich alle um das Thema Glücksspiel und die damit verbundenen Dämonen, wechseln zwischen aggressivem Thrash Metal und sogar klassischem Rock / Heavy Metal (“Game On”) immer mal wieder in den Deathmetalbereich. Auch das macht “Game On” neben der Stimme von Alexandra Orlova zu einem abwechslungsreichen, aber insgesamt runden und stimmigen Gesamtpaket.

Tracklist:
01  The Bone Reaper
02  The Fatal Scythe
03  Play Or Die
04  Blackjack (Demonic21)
05  Straight Flush
06  Cry. Pray. Die.
07  Creepy Guests
08  Bow! Run! Scream!
09  Jackpot
10  Game On

Line-up:
Lady Owl – Vocals
Xen Ritter – Lead Guitars
Whitevad – Lead Guitars
DedMoroz – Bass
Doctor – Drums

Wertung: 7/10
Autor: Wolfgang Haupt