REDEMPTION – i am the storm

Das Jahr 2023 markiert das zwanzigjährige Bestehen der Progressive Metal Band um Gitarrist und Mastermind Nick Van Dyke. Welch bessere Gelegenheit gäbe es, der treuen Fangemeinde ein neues Album zu kredenzen? Der Titel des mittlerweile achten Studio Outputs der Kalifornier ist in jederlei Hinsicht passend. Sei es das aktuelle Zeitgeschehen, die wechselhafte Bandgeschichte oder diverse Tragödien persönlicher Natur. Aber wie heißt es so schön? Let the music do the talking! Und diese ist gewohnt hochklassig.

„Nichts ist so beständig, wie der Wandel“, könnte man meinen. Doch langsam kommt Ruhe ins Bandgefüge. Das vielleicht persönlichste Album seit „This Mortal Coil“ (2011 – Nick verarbeitet hier seine glücklicherweise überstandene Krebserkrankung) gibt „neueren“ Mitgliedern (seit 2018) wie Keyboarder Vikram Shankar und nicht zuletzt  Evergrey Sänger Tom Englund Platz, sich einzubringen oder vollends zu etablieren. Gleich drei (Gast-) Gitarristen füllen die Lücke, die der seit langem erkrankte Bernie Versailles (Ex-Agent Steel) hinterlassen hat: Chris Poland (Ex-Megadeth), Simone Mularoni (DGM), ergänzt um Evergrey Gitarrist Henrik Denhage. Und so verwundert es nicht, dass gleich der Opener und Titelsong wie ein Orkan über einen hereinbricht, und das mit einer Gitarrenpower, die seines gleichen sucht. Es ist übrigens eine liebgewordene Tradition, dass der härteste Song des Albums direkt  an erster Stelle steht. Das bildet dann einen guten Kontrast zu den folgenden beiden Redemption typischen Ohrenschmeichlern „Seven Minutes From Sunset“ und „Remember The Dawn“. Beim Letzteren sind „Black And White World“ aus der älteren oder „Indulge In Colours“ aus der jüngeren Vergangenheit  ein guter Anhaltspunkt. Außerdem überraschen die frappierend an Psychotic Waltz erinnernden Gitarren gleich ganz zu Beginn dieses Hammertracks. Melodie heißt das Zauberwort. Trotz aller Brachialität kommt diese hier nie zu kurz. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, dass sich die Band bis heute bewahrt hat. Galt es doch seit der Gründung im Jahre 2003 die beiden, auf dem ersten Blick gegensätzlichen, Elemente Prog und Thrash (!) miteinander in Einklang zubringen. Aber zurück zum Album. Der Sturm hat sich mittlerweile ein wenig gelegt und es folgt die atmosphärische Ballade „The Emotional Depiction Of Light“. Diese führt einem vor Ohren, warum Tom als würdiger Ersatz für den ausgestiegenen Ray Alder (Fates Warning) auserkoren wurde.

Nach dem kurzen, knackigen „Resilience“ folgt mit „Action At A Distance“ der Mammuttrack des Albums. Witzigerweise hat man bei diesem fast viertelstündigen Song das Gefühl, dass die einzelnen Parts bzw. Instrumente hier mehr Platz zum Atmen haben. Dasselbe gilt auch für den armen Tom, der mal nicht gegen die „Wall Of Sound“ ansingen muss. Übrigens gibt es an dieser Stelle einen Überrefrain, der einem nicht mehr aus Ohr geht. Besonders erwähnenswert ist der ruhige, orchestrale Mittelpart, der den gelungenen Aufbau dieses Longtrackers einmal mehr unterstreicht. Ein gutes Händchen für die Wahl von Coverversionen hatten Redemption schon immer. Musste beim letzten Album U2 herhalten, sind es heute Genesis mit dem Hit „Turn It On“ und Peter Gabriel‘s „Red Rain“. Wie auch schon beim U2 Klassiker „New Year‘s Day“, hat man die ursprünglichen Kompositionen naturbelassen und agiert relativ nah am Original. Will heißen, lediglich mit etwas mehr Drive versehen, respektive der vollen Metalkante. Bei solch erlesenem Geschmack bei der Wahl der Kofferversionen möchte der Verfasser dieser Zeilen gerne nach der Vinylversion von „Duke“ und „So“ Ausschau halten. Schließlich sind und sollten die Briten auch Bestandteil einer jeden musikalischen Sozialisierung sein.

Den Abschluss bildet, neben einem etwas längeren Remixes von „The Emotional Depiction Of Light“, ein weiterer Longtracker mit dem passenden Titel „All This Time (And Not Enough)“ und schlägt mit schlappen zwölf Minuten zu Buche. Dieser wirkt irgendwie „entschlackt“ und ist dabei wieder etwas härter geraten. Tom‘s Gesang bekommt hier ebenfalls mehr Raum zur Entfaltung. Insgesamt werden hier Erinnerungen an Dream Theater wach. Besonders was die Keyboards betrifft. Ausgefallenem Bass Solopart inklusive.

Nach den letzten Tönen des äußerst gelungenen Peter Gabriel Covers kommt man auf eine Laufzeit von über 70 Minuten anspruchsvoller Musik. Kaum zu glauben, dass auf der Doppel Vinyl Version zwei weitere Tracks („The Pearl Clutchers und „The Far Side Of The Clouds“) enthalten sind, und man bei jetzt 85 Minuten ins Ziel läuft. Diese liegen mir jetzt allerdings nicht vor. So oder so ist das audiophile Festmahl üppig ausgefallen. Musikalisch mehr denn je unangreifbar, einen Ticken stärker als sein direkter Vorgänger und einem hoffentlich endlich von allen akzeptierten Tom Englund!

Wertung: 9/10
Autor: Michael Staude