REVOLT! VENOM INC., SUFFOCATION…

Hamburg, Kulturpalast, 17.03.2018

Am Merchandise liegt schon ihre neue CD “Dunsinane” und Midnight Force um Gitarrist Ansgar beginnen sehr pünktlich. Ihr Sänger ist bekannt für seine längeren Ansagen, ganze Geschichten hat er spannend erzählt, als wir die Band beim Warm-up des Brofestes 2017 in Newcastle gesehen haben.  Heute fallen sie aber komprimierter aus.  Weil er sonst mit einem Schwert in der Hand auftritt, dass er allerdings nicht mit ins Flugzeug nehmen durfte und damit heute ohne performen musste, setzte er dafür in Sachen Gestik noch einen drauf. Die Höhen seiner Stimme sitzen und offensichtlich hat die Band technisch einen Schritt nach vorn gemacht. Ihren episch angehauchten Klassikmetal bringen sie wesentlich tighter als noch in den Anfangstagen, offensichtlich haben die Youngster regelmäßig ihren Proberaum von innen gesehen, das verdient Respekt! Coole Leistung auch von dem auf Socken spielenden Bassmann, bei dem sich dauernd der Gurt seines Tieftöners ausklinkt, dass er sein Gerät auf den Boden stellt und im Sitzen weiter spielt. Zum Finale kommt die Band an den vorderen Bühnenrand, der Drummer nimmt ein Becken mit und die Schotten verabschieden sich schon nach einer fast halben Stunde Stagetime.


Bei einigen Besuchern werden Survive mit Spannung erwartet, dabei sind sie trotz sechs Alben im Rücken in unseren Breiten noch relativ unbekannt. Mit einem Intro steigen die Japaner in ihren Set ein und bringen eine coole Kante Krach. Dabei liefern sie ihre rummeligen Tiefen recht tight mit reichlich Beckengeschepper und einem sehr aktiven Basser. Die thrashigen Deather aus dem Land der aufgehenden Sonne kommen bei „Look In My Eyes“ mal etwas melodischer. Lustigerweise trägt ihr Drummer etwas Kurzes wie eine Pyjamahose, dafür haben in dieser Band aber alle Schuhe an. Durch ihren sehr anständigen Lärm kommen sie dem Headliner soundmäßig schon ziemlich nahe und ernten ordentlich Applaus, nur sind vierundzwanzig Minuten für ihren Auftritt doch etwas sehr wenig. Ein sehr verbreitetes Symptom heute Abend …


Für Aeternam ist der Auftritt in Hamburg schon etwas Besonderes, denn sie spielen jetzt zum ersten Mal in Deutschland. Im Anschluss an die Band zuvor klingen die Synthies in ihrem Intro jetzt etwas sehr süß, welche während des Konzertverlaufes immer wieder vom Band mit eingestreut werden. Man will ihrem Death Metal etwas Symphonisches nachsagen, doch in ihren Gesangslinien erahnt man eher eine vorderasiatische und mediterrane Leichtigkeit. Dabei kommen diese Protagonisten aus Kanada und auf einmal bringen sie mehr so den sepulturianischen “Roots”-Beat. Sehr flexibel, das muss man so sagen, das ist bei ihnen alles zu powermetallischen Härtegraden möglich. Den Anwesenden scheint das zu gefallen, denn es gibt Sprechchöre und die halbe Halle wirft die Arme hoch. Ganz schön viel Beifall, aber auch hier waren die dreißig Minuten Spielzeit echt zu wenig, verdammt!


Das letzte Mal haben wir Nervosa 2016 im Siegburger Kubana live gesehen, als sie das Vorprogramm von Destruction bestritten. Ziemlich cool wars und gut auf die Fresse gabs. Da sind die Erwartungen, was die drei Brasilianerinnen heute reißen, echt hoch. Inzwischen sitzt Luana von den Death Metallern Apophizys auf dem Drumschemel und man darf behaupten, das Trio wirkt tight, auf Draht und gut eingespielt. Fernanda gibt mit ihrem gemein nagelnden Fünfsaiter Vollgas und kann mit Grimassen die Audienz erreichen und animieren. Mit “Into Moshpit“ schließen sie den Set ab und konnten mit ihrem Thrashgeballer die ersten Reihen bis zur Stage füllen und als erste Band heute für ordentlich Geschiebe sorgen. Die Zufriedenheit der Besucher äußert sich an gereckten Armen bis in die letzten Reihen.


Die nächste Band ist die letzte heute, die dem Tourtross Survive, Aeternam, Nervosa und den beiden Headlinern zugefügt wurde. Das komplette Billing mit Desaster war für einige Fans der Grund für eine weitere Anreise. Zwar ist es nicht mehr ganz so cool wie früher, ihren Shows beizuwohnen, aber auch noch lange nicht falsch. Gar nicht, zumal es Leute in der Audienz gibt, welche die Koblenzer heute zum ersten Mal gut finden. Da muss also so einiges gestimmt haben, was nicht nur am Geburtstag ihres Bassmanns gelegen haben kann. Neu-Sodomist Husky verprügelt sein eigenes Schlagzeug und nach “Teutonic Steel“ und “Hellbanger” hält Gitarrist Infernal seine Rechtshals nicht zum letzten Mal in die ersten Reihen. Es herrscht beste Stimmung die “Damnatio Ad Beastias” vom letzten Album “The Oath Of An Iron Ritual” noch einmal anstachelt. Es wäre jedoch ein Desaster gewesen, dieses Quartett mit einer so knappen Spielzeit zu bemessen wie die Bands zuvor. Die Desaströsen haben Hamburg fest im Griff und setzen mit dem letzten Stück “Metalized Blood“ nach über einer Dreiviertelstunde den Schlusspunkt.


Okay, schnell die Umbaupause nutzen, die glücklicherweise alle recht kurz ausfielen, sich im Bistro ne Pommes reinzuschieben. Übrigens der einzige Ort hier mit Sitzgelegenheiten. Weil es unter den Metallern auch Bewusste gibt, die sich gesundheitsbedingt mal setzen müssen, wäre die ein oder andere aufgestellte Bank schön gewesen. Nun denkt man bei Suffocation eh nicht mehr ans Sitzen und man steht deswegen dicht gedrängt vor der Bühne, dem Treiben des Quintetts beizuwohnen. Keine Ahnung, wann wir die Ami Deather zuletzt live gesehen haben, jedenfalls steht das jüngste Album aus dem Vorjahr “…Of The Dark Light” nicht nur am Merchandise im Vordergrund, wo die fanfreundlichen Suffocation gleich fünf verschiedene Shirtmotive anbieten. Blondmähne Derek spielt den wohl schiefsten Bass ever, den er so tief hängen hat, dass er ihn bei Bangparts auf dem Boden abstellen kann. Zusammen mit progressiveren Anteilen und einer knallig laut schießenden Doublebass bei Blastparts erreichen die Ostküstler massig Gebange und einzelne Stagediver versuchen ihr Glück. Trotz Rufen nach Zugabe blieb es leider bei einer Auftrittszeit von fünfundvierzig Minuten. On Vocals war übrigens Ricky Myers.


Der Headliner Venom Inc. war schon sehr früh zugegen und mischte sich zu Survive unters Volk, die Band unter die Lupe zu nehmen. Na klar, die Japaner stehen ihrem Sound sehr nah und die Konkurrenz schläft nicht. Da bleibt man doch besser auf Ballhöhe informiert. Die unter dem Banner Venom Inc. agierenden Venom Members Abaddon, Mantas und der Demolition Man bringen sofort das neue “Ave Satanas”, gefolgt vom frühen “Welcome To Hell” und ab geht die Post. Mantas interagiert vornehmlich am Bühnenrand mit den Fans, während sich Tony, alias der Demolition Man, der wohl nach M-pire Of Evil keine Blutkapseln mehr zerkaut, Zusammen ist diese Band nach einer einfachen Rechnung mehr Venom als Venom. Wie einst Paul Speckmann gegenüber X-Crash schon begründete: “Because two is more than one!” Live sind sie heute mitsamt Abaddons Drumming irgendwie tighter als früher, aber Songs wie “Die Hard“ und “Lady Lust“ sind einfach unverwüstliche Klassiker, in deren Reihe sich auch das neue “Black ‘n’ Roll” mit Lemmy Querverweis wohl fühlt.

Ebenso auch das unverzichtbare “Black Metal”, zu dem die Halle nun komplett durchdreht und das hart geforderte “Countess Bathory“ ruft weitere Stagediver auf dem Plan. Die Party eskaliert und mit vollen Händen auf dem Weg zurück vom Bierstand bekomme ich im Vorbeigehen von einem Desaster-Drummer noch Pfefferminzschnaps unter die Nase getankt. Während ein Bühnenarbeiter versucht, Tonys Mikrofon zu arretieren, ruft die erste Zugabe “Sons Of Satan“ nochmal einen knalligen Randalestall auf den Plan, dass nach “Witching Hour“ alle Hände hochgehen und man erst dann die Bühne verlässt, bis Abaddon und Mantas wirklich alle ihnen entgegengereckten Hände abgeklatscht haben. Achtzig lohnenswerte Minuten, da gibt es keine zwei Meinungen.

Autor & Pics: Joxe Schaefer