Rock Hard Festival

Gelsenkirchen, Amphitheater 07.06.2019 – 09.09.2019


Es gibt nicht viele Festivals, bei denen ein Erscheinen jedes Jahr gesetzt ist. Völlig egal, wer spielt. Nun, die Mischung macht es aus und an dieser Stelle ist das alljährlich zu Pfingsten stattfindende Rock Hard Festival ganz weit vorne. Bei der Auswahl der Bands dürfte wieder einmal für jeden etwas dabei gewesen sein, vielleicht sogar die für The Obsessed eingesprungenen Zodiac, welche ihre Chance durch einen überzeugenden Auftritt nutzen, neue Hörerschaften zu erschließen. Auch wettermäßig war es mit stürmischen Böen und etwas Regen, aber mehr Sonne bunt gemischt, was jedoch niemanden aus der metallischen Gesamtverfassung brachte. Hier im Bericht die News im Einzelnen …


Tag 1, Freitag, 07.06.2019: Vulture, Chapel Of Disease, The Idiots, Tygers Of Pan Tang, Lizzy Borden, Watain.

… und fangen wir gleich mit dem Opener an. Keine andere Band von Gitarrist Stefan hatte zuvor so viel Erfolg wie Vulture. Auch nicht die Walze von Bulldozing Bastard. Doch das kommt nicht von ungefähr, denn Speed Metal ist derzeit ziemlich angesagt und die Oldschooler verstehen es, mit ihrer Chaotik ihre eigenen Stempel aufzudrücken. Und trotzdem merkt man den Jungs an, dass sie in der Vergangenheit viel zusammen gespielt haben. Das bemerkt man auch auf der neuen Platte “Ghastly Waves And Battered Graves”, die genau heute veröffentlicht wird. Auf der Bühne, bislang eine der größeren für den Fünfer, wird genau die Action gemacht, die sich auf die langsam auftauende Audienz überträgt. Und das, wo die Nordrhein Westfalen sich in kleineren Clubs wohler fühlen. Einige der Fans vor der Bühne wissen, dass Vulture nächste Woche noch auf dem Der Detze Rockt Festival spielen werden, und denken darüber nach, sich dort ihre Dosis auf die Fresse abzuholen. Macht Sinn, denn Vulture räumten dort bereits im vergangenen Jahr ab! (Joxe Schaefer).


Wir alle wissen, dass Chapel Of Disease mit starkem Oldschool Death Metal losgelegt haben und damit schon in ihrer Frühphase bis zum Debütalbum “Summoning Black Gods”, spätestens bis zum Zweitwerk “The Mysterious Ways Of Repititive Art” bei Death Metallern für Aufsehen sorgten. Inzwischen schritt ihre Entwicklung so weit voran, dass ihr Sound von Pink Floyd-mäßigen Anleihen profitiert, wovon man sich auf dem aktuellen Album mit dem scheinbar endlos langen Titel “…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye” überzeugen kann. Zuletzt haben wir sie auf dem Hell Over Hammaburg live gesehen und konnten dort beobachten, dass sie mit ihrer Show aus Sound und Licht die Fans auf ihre Seite zogen. Hier und heute in Gelsenkirchen muss das bei Tageslicht etwas trockener funktionieren und die Kölner beweisen, dass ihr neueres Material auch ohne große Lichtshow ankommen kann. Auch wenn man bei den Domstädtern den alten Zeiten nachtrauert, muss man feststellen, dass Chapel Of Disease ihren Weg machen, und das Publikum geht mit. (Joxe Schaefer).


“Endlich mal eine Dortmunder Band in Gelsenkirchen” kündigt Rock-Hard-Herausgeber Holger Stratmann die The Idiots an. Und die Punk-Legende aus der Nachbarschaft legt dann auch ohne viel Firlefanz los. “Dead Heroes” vom neuen Album huldigt Punk-Wurzeln und verstorbenen Rock-Helden zugleich. Hinweise darauf, dass der Prophet im eigenen Land wenig gilt, ist hingegen die eher geringe Zahl der Zuschauer vor der Bühne. Diejenigen Fans, die da sind, machen aber reichlich Party. “Ich sterbe für Punk Rock und Heavy Metal” ruft Sir Hannes, der sich Buttons durch Hals und Bauch gepiekst hat, anschließend ins Publikum. Und das fasst die Idiots auch ganz gut zusammen. Bei “Gotteskrieger” vom neuen Album “Schweineköter” geht’s dann flugs mit Heavy-Reggae weiter, bei “Plastic” stapfen zwei in Frischhaltefolie gewickelte Damen über die Bühne. Die vielen neuen Songs tönen logischerweise moderner als uraltes wie “Selbstmord” (1987!), zeigen aber wie unglaublich wandelbar und vielfältig diese Band ist. Dennoch zappelt Hannes wie gewohnt leicht entrückt auf der Bühne herum, dass es eine Freude ist. Das klasse Cover von “I Wanna Be Your Dog” beendet den sehenswerten Auftritt. (Florian Forth).


Gleich am ersten Tag des Rock Hard Festival 2019 eines meiner persönlichen Highlights: Die Tygers Of Pan Tang! Mit ihren drei ersten Alben „Wild Cat“, „Spellbound“ und „Crazy Nights“ haben die Tygers Heavy Metal-Geschichte geschrieben, auch wenn man nie den Status anderer NWoBHM-Bands wie Maiden, Saxon oder Def Leppard erreichte. Trotz alledem sind diese Alben für mich Meilensteine und ich weiß, dass ich nicht der einzige bin, der das so sieht. Von der ursprünglichen Besetzung ist heute nur noch Gitarrist Robb Weir an Bord. Aber hey, die NWoBHM schwappte Anfang der 80er zu uns herüber und das ist schon einige Jahre und Haare her! Die Band eröffnet mit einem „Only The Brave“ vom  selbstbetitelten 2016er Album. Kann man nehmen. Ganz im Stil der alten Sachen, kraftvoller, klassischer Heavy Metal. Onkel Wolle ist sofort in seinem Element und kriegt Lust auf mehr. Robb Weir hat offensichtlich immer noch Bock, was man ja nicht unbedingt von allen alten Heroen behaupten kann und wird meiner Meinung nach hervorragend von Micky Crystal an der zweiten Gitarre unterstützt. Natürlich wird immer nach Originalbesetzungen gerufen, aber ich mag auch Sänger Jacopo Meille. Er passt klasse zum Sound der Tygers. Mir macht’s einen Riesenspaß, vor allem, weil jetzt mit „Love Don’t Stay“, „Lonely At The Top“, „Gangland“, „Euthanasia“ und „Take It“ erstmal fünf Stücke von den besagten ersten drei Alben folgen. Danach geht man nochmal ein bisschen auf neuere Alben ein, um schließlich mit „Suzie Smiled“, „Hellbound“ und „Don’t Touch Me There“ einen Auftritt zu beenden, der mir als alten Sack und Metal-Veteranen ein breites Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Eine Setlist ganz nach meinem Geschmack! Und eine Band, die immer noch rockt wie Sau. In Zeiten, in denen die großen Bands so nach und nach in Rente oder auf Abschiedstour gehen, freut man sich über Bands, die immer noch eine solche Spielfreude an den Tag legen und nicht nur relativ lustlos versuchen, nochmal abzukassieren. Man wurde auch in diesem Jahr beim Rock Hard Festival als Fan wieder erstklassig bedient. Wir haben wieder tolle Bands für jegliche metallische Vorlieben gesehen, aber für mich als großer Fan des klassischen Metals und der NWoBHM waren die Tygers Of Pan Tang ein persönliches Highlight. (Wolfgang Haupt).


Mit Lizzy Borden steht nun der Co-Headliner des ersten Festivaltages an. Lizzy Borden aus L.A. sind in den letzten Jahren eine der Bands aus den frühen Achtzigern, die zwar nahezu durchgehend aktiv waren, sich aber auf dieser Seite des großen Teiches weitgehend rar gemacht haben. Die Bühnendeko ist passend zum aktuellen Album „My Midnight Things“ etwas düsterer gehalten, als es bei den früheren Shows mit mehr Glamfaktor der Fall war. Mastermind Lizzy betritt zum Titelstück des Albums im Skeletor-Gedächtnis-Outfit die Bühne, das sonstige Outfit der Band wirkt ein wenig futuristisch, dennoch gibt es klassischen US Metal aller erster Güte und eine Show, die Alice Cooper durchaus zur Ehre gereicht hätte. Lizzy wechselt zu jedem Song das Kostüm, bzw. die Maske, es gibt im ersten Teil der Show allerdings noch nicht allzuviel Blut zu sehen. Mit „Love Kills“ wird es ab Song fünf deutlich klassischer, und bei “Master Of Disguise” kommt ebenso die bekannte Teufelsmaske zum Einsatz. Was dieser Lizzy Borden Show bisher noch gefehlt hat, war Blut. Dieses gibt es nun zu „There Will Be Blood Tonight“, was direkt mit der hochgereckten Axt wortwörtlich ins glückliche Publikum gespritzt wird. Der Klassiker „American Metal“, „Long May They Haunt Us“ von der aktuellen Platte, „Me Against The World“ und schließlich „Red Rum“ lassen den Freitag der 2019er Rock Hard Ausgabe nur noch auf den Headliner warten. Hoffentlich gibt es diesmal keine Probleme mit der Axt am Zoll. (Jens Wäling).


Zu den größeren Black Metal Bands gehören zweifelsohne Watain und ihre Headlinerposition zu späterer Stunde muss auch deswegen als gerechtfertigt gesehen werden, weil ihre Feuershow von Stichflammen bis zu brennenden Mikrofonen im Dunklen einfach besser kommt. Auf fünf Mann verstärkt, ein Gitarrist gehört zur Livebesetzung und ein Bassist, der Eric die Hände frei macht, verwandeln sie nun die Bühne am Kanal mit kleinen Bränden, Rauch, umgedrehten Kreuzen und viel blutrotem Licht in ein Bestandteil ihres Liverituals. Die Show macht bei den Schweden eine Menge aus, um das Gesamtkonzept adäquat rüberzubringen. Die Menge vor der Bühne besteht aus nicht wenigen Watain Shirts und Aufnähern, bereit bei brummig klarem Bassdruck mit dem Ganzen zu verwachsen. Eine scheinbar endlose Synthieschleife bildet den Abschluss ihrer nicht ganz ausgenutzten Spielzeit, während sich Eric mit einer Riesenfackel bewaffnet bei der Audienz bedankt. Zwar war das Halbrund nicht mehr ganz so prall gefüllt, doch es konnten auch Besucher mit weniger Sinn für Black Metal eine ansehnliche Show erleben. (Joxe Schaefer).


Tag 2, Samstag, 07.06.2019: Tyler Leads, The Vintage Caravan, Carnivore AD, Heir Apparent, Symphony X, Skid Row, Cannibal Corpse, Gamma Ray.

Samstag, halb eins am Mittag, es ist frisch und windig. Undankbar, klar, aber Tyler Leads liefern dennoch ab. “Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, so viele von euch schon hier zu sehen”, sagt der Sänger erfreut. Und das frühe Aufstehen wird belohnt: Tyler Leads kommen mit unbändiger Energie auf die Bühne und bieten eine Hardrock-Show mit viel Stageacting, Gepose und gutem Gesang. Besonders der druckvolle Schlagzeugsound treibt die Band aus Recklinghausen nach vorne. Starker Auftritt der Newcomer, der bereits zu Anfang mit viel Applaus belohnt wird. Auch von mehreren Tonaussetzern lassen sich die fünf Herren nicht aus der Ruhe bringen. Die ersten Songs waren eher Material zum Mitwippen, “Big City Blues” hat dann so richtig dicke Eier. Warum man als Sänger mit einer Lederpeitsche auf eine Hihat eindreschen muss, erschließt sich mir dann aber auch nicht. Wie auch immer: am Ende scheinen sich die Lokalmatadore aus der Nachbarstadt zahlreiche neue Fans erspielt zu haben. (Florian Forth).


The Vintage Caravan aus Island gestalten den Einstieg in ihren Auftritt ungewohnt heavy für eine psychedelic Rock Band. Das Trio in vintage Hemden und Weste kommt anfangs nicht so recht aus dem Kreuz. Dafür sorgen die Soli auf der vintage Gitarre für Gänsehaut. Unglaublich. Eins muss man der Band lassen: Hooks schreiben können sie. Denn mit den Songs, die zum Mitsingen animieren (“Babylon”) holen die Isländer das Publikum vor der Bühne später dennoch ab. Ganz einfach scheint das nicht gewesen zu sein. Drummer Stefán Ari Stefansson sagt später, bei solchem Wind habe er noch nie gespielt. Auch das gefühlsduselige und mit einem grandiosen Solo ausgestattete “In Reverse” wird bejubelt. Der Stampfer “Midnight Meditation” beendet den vom noch eher kleinen Publikum bejubelten Auftritt. (Florian Forth).


Samstagnachmittag warte ich sehr gespannt auf den Auftritt von Carnivore AD. Als ich erstmals von der neuen Konstellation mit Sänger und Basser Baron Misuraca hörte, hielt ich es zunächst für Frevel, da man Peter Steele (R.i.P.) natürlich nicht ersetzen kann. Man muss aber wirklich sagen, dass Baron im Rahmen des Möglichen einen maximal guten Ersatz liefert, und das sowohl von der Stimme her, als auch optisch (auch wenn er ca. einen halben Meter kleiner als Pete Steele ist). Direkt beim Opener „Carnivore“ mit seinem zentnerschweren Doom-Riff am Anfang wird klar: Jetzt gibt´s voll auf die Fresse. Der grobschlächtige Sound ist definitiv nichts für Schöngeister, macht aber tierisch Bock und bringt die Leute ordentlich in Wallung. Die Songauswahl ist ebenfalls sehr gelungen und macht auch vor den ja durchaus leicht provokanten Titeln „Race War“ und „Jesus Hitler“ nicht halt. Insgesamt ‘ne sehr geile Sache! (Felix Schallenkamp).


Mitte der Achtziger erschienen „Graceful Inheritance“ und „One Small Voice“, zwei wichtige Allben für Amimetaller. Und weil niemand nach neunundzwanzig albumlosen Jahren, ähnlich wie bei ihren morgen hier auftretenden Townmates Fifth Angel, noch mit einem neuen Kracheralbum gerechnet hat, dürfte  „The View From Below“ ein Umstand gewesen sein, welcher der Truppe aus Seattle die Einladung zum Kanal nach Gelsenkirchen bescherte. Für Heir Apparent scheint jetzt die Sonne, was genau das richtige Wetter für den melodischen, leicht progressiven Sound des Fünfers geworden ist. Während der alte Knallersong „Screaming“ für den Verfasser dieser Zeilen wohl immer Oberfave der Band bleibt, scheinen es die Klassiker und neuere Titel wie “Insomnia“ ebenso, die Fans in Bewegung zu bekommen, auch in softeren Phasen. Heir Apparent punkten in jeder Situation und erreichen ebenso oft die Audienz. Mal sehen, wie nun Symphony X mit noch mehr Prog ankommen werden. (Joxe Schaefer).


Es gibt nicht viele Bands im progressiven Bereich des Heavy Metals, die den amtlichen Arschtritt liefern. Eine davon sind ganz sicher Symphony X um Tausendsassa Mike Le Pond am Bass. Ohne neues Album, das aktuelle „Underworld“ stammt noch aus 2015, gehen die Ostküstler an den Start und lassen zunächst ihr orchestrales Intro abspielen. Für fast eine Stunde dürfen wir Zeuge werden, wie die Herren ihren zweiten Frühling erleben und auch einiges an Action bringen. Allen voran der agile Sänger, welcher Sprints hinlegt und tatsächlich Mister Russel Allen ist, den man nicht unbedingt so in Erinnerung hatte. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Truppe richtig Bock hat, das Festival zu rocken. Wenn man nicht grad intensive Gespräche mit dem Fachpublikum führt, ob nun “The Divine Wings Of Tragedy” aus 1996 ihr bestes Album ist, oder der gesamte Backkatalog als Gesamtkunstwerk betrachtet werden sollte, kann man sicher festhalten, dass ihr Auftritt ein Erfolg war, solange die Dauertänzerinnen vor der rechten Bühnenseite hüpfen und ihre Haare fliegen lassen. (Joxe Schaefer).


Mit dem “Blitzkrieg Bop”-Intro macht diese Band gleich klar, von welcher Küstenseite des amerikanischen Kontinents sie kommt, bevor Skid Row aus New Jersey direkt mit „Slave To The Grind“ und „Sweet Little Sister“ in den Set einsteigen. Es wird mit „18 & Life“ darauf ein wenig ruhiger. Die Gitarren- und Bassfraktion ist seit den späten Achtzigern dabei, lediglich Drummer Rob Hammersmith und die neue Stimme ZP Theart spielen erst seit neuerem in der Band. Letzterer erreicht zwar nicht ganz die Höhenlagen eines Sebastian Bach, allerdings passt seine etwas dunklere Stimme sehr gut zu den Songs und er liefert eine saubere Leistung ab. Das Amphitheater honoriert die energiegeladene Show des Fünfers mit einem für diese Art von Musik recht großen Moshpit, in dem sich auch Sir Hannes von den Idiots die Ehre gibt und bei den Crowdsurfern herrscht „Ladies Night“. Der Intro-Band wird mit dem „Psycho Therapy“ – Cover noch einmal Tribut gezollt. Der hinter der Bühne erscheinende Regenbogen dürfte also nicht, wie oft auf den Fotos vermutet, von Dio, sondern wohl eher von der kompletten Ramones Urbesetzung geschickt worden sein. Mit „Get The Fuck Out Of Here“ wird auch neues Material präsentiert, bevor es mit „Monkey Business“ wieder klassischer wird. In einem Best-of Set darf natürlich auch “Youth Gone Wild” nicht fehlen. Jung waren zwar noch die wenigsten vor der Bühne, aber wild war es. (Jens Wäling).


Die Ziellinie für den heutigen, zweiten Tag ist in Sicht. Nach den rotzig, rockigen Skid Row ist es nun an der Zeit, das Brutalitätspotential weit nach oben zu schrauben. Eine der wenigen US Death Metal Bands, die seit über dreißig Jahren konstant hochwertige Alben veröffentlichen, sind die Ur-Gesteine Cannibal Corpse. Die Livepräsenz der Kannibalen ist leider über die letzten Jahre gerade im Norden der Republik doch recht übersichtlich geworden und so freue ich mich auch tierisch, diese alles zermalmende Dampfwalze mal wieder live zu erleben. Die Floridianer sind bekannt für technisch präzisen, brutalen Death Metal und das Quintett wird sehnsuchtsvoll von der Masse vor der Bühne erwartet. Bereits im Vorwege hat in den sozialen Netzwerken ein Brief der Stadt Gelsenkirchen für Furore gesorgt. In dem werden die Veranstalter aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Songs “Evisceration Plague”, “Gutted”, “Devoured By Vermin”, “A Skull Full Of Maggots”, “Stripped, Raped And Strangled” sowie “I Cum Blood” nicht gespielt werden dürfen. Schade, denn das ist bereits die halbe Setlist der vergangenen Shows. Willkommen mit Jahr ’91, vielleicht begreift mal irgendwann ein Beamter, was für eine grandiose Werbung sowas ist… Die Kannibalen lassen sich von sowas natürlich nicht unterkriegen, sind sie deutschen Behördenirrsinn ja bereits seit Jahrzehnten gewohnt. Fronter George Fisher ist kaum auf der Bühne, als seine Nackenmuskulatur wie gewohnt an die Grenze gebracht wird. Die Gitarrenfraktion um Rob Barrett und Erik Rutan agieren wie ein präzises Schweizer Uhrwerk. Mit Songs wie “Kill Or Become” und dem Nackenbrecher “Make Them Suffer” haben die Jungs auch leichtes Spiel, das Amphitheater trotz allem in einen gigantischen Circlepit zu verwandeln. Es ist einfach eine Freude, dieser über Jahre unglaublich gut aufeinander eingespielten Shredderfraktion bei der Arbeit zuzusehen. Der Fünfer hat sichtlich Spaß an der Aktionsfreudigkeit des Publikums. Was für ein Auftritt und man stellt sich schnell die Frage, warum man so lange auf Cannibal Corpse auf dem Rock Hard Festival warten musste. Naja gut, eigentlich ist es erst drei Jahre her, aber es fühlt sich viel länger an. Seit dem habe ich die Todesformation wohl auch nicht mehr live gesehen. Schon damals waren sie für mich der absolute Tagessieger und auch heute sieht es ähnlich aus bei mir, zumal ich dann zum Abschluss noch den inzwischen wieder erlaubten Kult Song “Hammer Smashed Face” abfeiern darf. Als besonderes Schmankerl wird dieser aber lediglich als Akustikversion in das Rund gefeuert – ein kleiner Mittelfinger? Tja, nach dieser Stunde wird es nun schon schwer für die Hamburger Power Metaller, das noch zu toppen, aber warten wir mal ab. (Tino Sternagel-Petersen).


Headliner am Samstag Abend sind Gamma Ray. Nachdem die deutsche Metal-Legende Kai Hansen bei der Pumpkins United Tour mit Helloween weltweit für Begeisterung sorgte, gab er sich mal wieder mit seiner eigenen Combo die Ehre. Was wohl jedem sofort aufgefallen ist, war seine völlig beschissene Tokio Hotel-Frisur, für die er den Verantwortlichen eigentlich verprügeln sollte. Aber gut, es gibt natürlich wichtigere Faktoren als die Haarpracht eines Musikers. Eine Neuerung bei Gamma Ray ist der zusätzliche Sänger Frank Beck, der immer dann einsprang, wenn Kai stimmlich nicht mehr ganz mitkam. Leider muss man aber feststellen, dass Frank stimmlich völlig austauschbar klingt und nicht ansatzweise an Kais charakteristisches Organ herankommt. Und das ist bedauerlicherweise nicht der einzige Kritikpunkt. Da Gamma Ray kein neues Album am Start haben, hatte ich mich auf ein gut gemischtes Best-Of Programm gefreut. Die Songauswahl konzentrierte sich dennoch stark auf das vor fünf Jahren erschienene „Empire Of The Undead“. Dieses war zwar sehr solide, aber Hansen & Co. hätten deutlich stärkeres Material auffahren können. Auch die Hoffnung auf einen oder zwei Helloween-Klassiker blieb leider unerfüllt, so dass man trotz einiger Lichtblicke (besonders „Rebellion In Dreamland“) im Ganzen von einem eher enttäuschenden Auftritt sprechen muss. (Felix Schallenkamp).


Tag 3, Sonntag, 09.06.2019: The Spirit, Zodiac, Visigoth, Long Distance Calling, Fifth Angel, Magnum, Possessed, Anthrax.

Den heutigen Tag darf eine der Shooting-Star Bands des Jahres 2017 eröffnen. Der Vierer The Spirit hat sich dem klassischem Death / Black Metal der 90er verschrieben und galt bei der Veröffentlichung des Debüts “Sounds From The Vortex”  als die würdigen Dissection Nachfolger. Das auch zurecht, denn die Jungs aus Saarbrücken zocken sich ähnlich kraftvoll und melodisch durch ihre Songs. Die noch nicht ganz muntere Metallermeute auf den Rängen und unter dem Zeltdach nehmen die Dynamik aber auf und die ein oder andere Matte kreist vor der Bühne. Natürlich ist es immer eine schwierige und teils recht undankbare Position, als Tagesopener, gerade am zweiten oder dritten Festivaltag zu fungieren. Dafür zockt sich das Quintett nach dem Opener “Cosmic Fear” sehr routiniert durch sein Set und sicher werden The Spirit mit ihrem Auftritt einige neue Fans erobert haben, zumindest wenn man sich danach die Käufer am Merchandisestand anschaut. Diese stehen schon Schlange, während die Saarländer noch ihren letzten Song “The Great Mortality” in die Menge feuern. Starke Show, an der es nichts zu meckern gibt und für mich ein super Erlebnis, diese Band nun endlich mal live gesehen zu haben. (Tino Sternagel-Petersen).


Wie vor ein paar Jahren als Sänger von Saint Vitus, soll der amerikanische Staatsbürger Wino wieder Ein- und Ausreiseprobleme haben, dass er mit seinen The Obsessed nicht wie geplant das Rock Hard Festival 2019 bespielen kann. Dafür eingesprungen sind Zodiac aus Münster, wohl auch, weil Drummer Janosch mit seiner anderen Band Long Distance Calling eh schon auf dem Billing steht und so der Meldeweg kurz war. Als Heavy-Blues angekündigt, rockt ihr Material aber ganz schön breitbeinig, geht in den Nacken und lässt Füße zappeln. Das funktioniert auch mit dem seichter startendem „Free“. Der Vierer verkauft sich ziemlich anständig und bekommt lautere Solophasen sofort in anschließend leiseren bejubelt. Hammer! Basser Hendrik braucht sein Keyboard selten, aber kommt beim epischen und dynamischen „Coming Home“ nicht ohne aus. Das ergibt unterm Strich einen lang anhaltenden Applaus für die Westfalen, der tief reingeht und auch in der Audienz nachhaltig wirkt. Vielleicht hatte nicht jeder Zodiac als Ersatzband auf dem Zettel, zumal sie vom reinen Metal weiter entfernt sind, doch der Vierer entpuppte sich an dieser Stelle als genau die richtige Band. Alle Daumen hoch! (Joxe Schaefer).


Visigoth sind schon eine der besten aktuellen Live-Bands im klassischen Metalbereich, denn keine bringt die Energie, die Power und die “Good Vibrations” so authentisch rüber wie die Jungs aus Salt Lake City. Auch heute sitzt wieder jeder Ton, jedes Solo und jedes Riff. Sänger Jake Rogers ist bei den Ansagen wie gewohnt erschreckend heiser, singt dann aber wie ein junger Gott. Wer mit Hits wie “Dungeon Master” startet, kann sowieso wenig falsch machen. Visigoth sind mitreißend, kraftvoll und Ihre Hymnen muss man einfach mitgrölen. Hier punkten neben dem erwähnten “Dungeon Master” vor allem “Steel And Silver” und “Warrior Queen”. Tja, Grand Magus konnten sowas auch mal, aber gefühlt ist das Jahrhunderte her. So könnten Visigoth mal Album Nummer drei raushauen, bitte! Toller Gig, einer von meinen Highlights auf dem Rock Hard Festival. (Bert Meierjürgen).


Nach den beliebten Visigoth sollte man meinen, dass sich eine Instrumentalband schwer tun sollte. Wer statt Schema-F hingegen auf abwechslungsreichen Post Rock mit geilen Riffs und Schlenkern steht, der ist bei den Münsteranern heute bestens aufgehoben. Bei fettem Sound erwischen sie einen Traumstart. “Black Paper Planes” liefert die passenden Heavyriffs der mittlerweile auf vier Musiker gesundgeschrumpften Gruppe aus Münster. Long Distance Calling trauen sich auch ganz leise Töne zu (“Ductus”), die aber immer einen dramatischen Bogen spannen. Geklatscht wird dazu auch auf den Rängen. Die Stücke sind alles andere als eingängig, animieren aber immer wieder auch zum Headbangen. Mit so viel Dampf auf dem Kessel habe ich die Band allerdings noch nie gesehen. Komplett abgeräumt wird dann mit “Arecibo”. Das Quartett aus Münster hat die Keule ausgepackt – und wird dafür am Ende mit Zugaberufen gefeiert. (Florian Forth).


Noch gut kann ich mich an meinen damaligen Kumpel erinnern, der irgendwann in den Neunzigern fast persönlich beleidigt war, dass sich keines der beiden Alben von Fifth Angel aus Seattle in meiner Sammlung befand. Er wusste als Oberfan der Band den Mangel zu beheben und die Scheiben kamen zu einigen Durchläufen auf meinem Dreher. Bei dem Quintett verhält es sich ähnlich wie bei Heir Apparent, ebenfalls aus der Jet City. Zwei großartige Frühwerke, dann lange nichts und plötzlich ein Hammer Comebackalbum. Mit der Klasse vom passend betitelten “The Third Secret” hat wohl keiner der Fans gerechnet, dass sich hier in Gelsenkirchen nach dem Gewitterintro vom Band qualitativ Hochwertiges von damals wie “Call Out The Warning” mit ebensolchem vom neuen Album “Stars Are Falling“ auf einem Niveau mischt. Und kein Song fällt ohne Gitarrensolo aus, dafür hätte das knappe und eher unspektakuläre Drumsolo von Bandgründer Ken Mary niemand vermisst. Na gut, meinen Kumpel habe ich vor der Bühne wiedergetroffen und er hört inzwischen Black Metal. Dass ich Watains aktuelles Album “Trident Wolf Eclipse” nicht mein Eigen nenne, fand er jetzt zwar blöd, aber nicht so tragisch. Möglicherweise wird auch dieser Mangel in Kürze behoben … (Joxe Schaefer).


Magnums symphonischer Rock kommt am Anfang nicht so richtig in die Pötte. Der Song vom “Wings Of Heaven” Album “Wild Swan” entpuppt sich als Opener irgendwie arg sperrig und die Stimme von Bob Catley wirkt angegriffen. Auch sonst klingt noch nicht alles rund. Das gibt sich aber im Laufe des Gigs, aber erst mit “How Far Jerusalem”, dem fünften Track und mal wieder ein älteren Song vom Klassikeralbum “On A Storytellers Night”. Die neueren Sachen sind zwar alles andere als schlecht, doch kaum so vertraut wie die alten Hits. Davon spielen Magnum leider recht wenige. Mag auch daran liegen, dass die Briten nur wenig Zeit für ihre eher längeren Songs zur Verfügung haben, sie im Club besser aufgehoben sind, wo sie sicherlich problemlos einen Headliner-Slot füllen können. Etwas schade, da hätte ich etwas mehr erwartet, obwohl Magnum bestimmt keinen schlechten Gig gespielt haben, gemessen an den Reaktionen vor der Bühne. (Bert Meierjürgen).


Als vorletzte Band für den heutigen, letzten Tag haben die Veranstalter eine absolute Kultband aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf die Bühne gebracht. Possessed aus San Francisco sind momentan gerade in aller Munde, haben sie doch nach über dreißig Jahren mit dem Mach(t)werk “Revelations Of Oblivion” gerade den Nachfolger für die beiden 80er Jahre Überscheiben “Seven Churches” und “Beyond The Gates” auf den Markt geworfen. Damit haben sich die Death/Thrasher im Showzirkus eindrucksvoll zurück gemeldet. Trotz des Erfolges setzen die Jungs nach dem Opener “No More Room In Hell” erst einmal auf bekannte Klassiker wie “Pentagram” und “Tribulation”, um der Meute mal so richtig einzuheizen, was sie natürlich auch mit diesen Songs mit Leichtigkeit schaffen. Energiebündel Jeff Becerra schreit und keift sich die Seele aus dem Leib und die Saitenfraktion bildet dazu einen mächtigen, rhythmischen Klangteppich. Der Menge vor der Bühne schießt diese Energie in die Glieder und dem Circlepit kann keiner entkommen. Doch auch mit den neuen Songs können Possessed sichtlich punkten. “Demon”, “Abandoned” und “Graven” fügen sich nahtlos in die prallgefüllte Setlist ein – was für eine unglaubliche Urgewalt, die der Fünfer hier abliefert. Auch im letzten Teil des Sets überzeugen die Jungs mit energiegeladenen, kultigen Tracks wie “The Eyes Of Horror”, “The Exorcist” und “Fallen Angel”. Natürlich darf zum Abschluss der Song “Death Metal” nicht fehlen, der einem ganzen Genre seinen Namen schenkte. Jeff und seine Mannen haben soviel Spaß in den Backen, dass sie sogar mit “Burning In Hell” noch eine kleine Zugabe in die Menge feuern. Was für ein Brett, das Possessed hier abgeliefert haben. Bis dato mein persönliches Highlight für heute und bei einem Blick um mich herum, wohl noch für viele mehr. (Tino Sternagel-Petersen).


Nach der letzten Umbaupause des Festivals ist es nun Zeit für Anthrax, die es nach dem Abriss ihrer Landsleute und Vorgänger schwer haben. Die New Yorker Thrasher sind in unseren Landen immer gern gesehene Gäste und haben schon so manches Festival zum Beben gebracht. Nach der Rückkehr von Frontikone Joey Belladonna im Jahre 2010 habe ich die Formation einige Male live gesehen. So etwa zuletzt auf der „Abschiedstour“ von Slayer, wo die Jungs als Support in meinen Augen eine viel zu kurze Spielzeit hatten. Das soll heute aber anders werden, stehen die Jungs um Saitenmagier Scott Ian doch als Headliner des letzten Tages auf den Brettern und können somit eine Spielzeit von neunzig Minuten für sich verbuchen. Von Beginn an zeigt das Quintett eindrucksvoll, warum sie zurecht an dieser Position stehen. Nach dem “Cowboys From Hell” Intro gibt es dann gleich voll auf die Zwölf. Anthrax starten mit “Caught In A Mosh” auf dem Rock Hard Festival und werden es nach allen Regeln der Kunst erobern. Immer wieder beeindruckend, mit welch einer Energie die Jungs auf der Bühne zu Werke gehen und heute richtig Spaß haben wie man sieht. Weiter geht es mit “Got The Time” und einem meiner Lieblingssongs “Madhouse”. Wow, der Fünfer hat unglaublich Power, was auch in Windeseile ins Publikum überspringt. Auch neuere Songs wie “Evil Twin” oder den unsterblichen Ronnie James Dio und Dimebag Darrell gewidmete Hymne “In The End” treffen voll ins Schwarze. Hierbei versucht sich Spaßvogel Belladonna als Kamerakind, nimmt sich zum Erstaunen des Kameramanns einfach mal dessen Arbeitsgerät und filmt von der Bühne aus das Publikum. Weiter geht es mit den nächsten Gassenhauern “I Am The Law”, “Medusa” und “Now It’s Dark” und wohl zum ersten Mal bewegt sich das komplette Amphitheater. Selbst auf den Rängen wird gebangt was das Zeug hält. Die Stimmung ist absolut großartig und oft wird ja von Magie in der Luft gesprochen – hier ist diese Magie förmlich greifbar. Mit “Efilnikufesin (N.F.L.)” und “A.I.R.” geht es auf die Zielgerade des heutigen Abends. Der sympathische Fronter Belladonna kommuniziert immer wieder mit dem Publikum und auch dem Kameramann wird noch das ein oder andere Mal seine Arbeit abgenommen. Die Setlist für den heutigen Tag lässt keine Wünsche offen und natürlich darf dabei auch das Trust-Cover “Antisocial” nicht fehlen. Als Abschluss des diesjährigen Rock Hard Festivals verlangen Anthrax der ausgepowerten Menge mit “Indians” noch einmal alles ab und eine gigantische Moshmenge entsteht, die durch die Aufforderung Scott Ians noch größer und härter wird. Was soll man dazu noch schreiben. Wer nicht dabei war, sollte sich mal schnellstens in den Allerwertesten beißen. Die New Yorker kamen, spielten und siegten! Beste Band des Festivals für mich und damit ist auch das siebzehnte Rock Hard Festivals in Gelsenkirchen Geschichte. Nächstes Wochenende geht es auf dem Der Detze Rockt Festival weiter … (Tino Sternagel-Petersen).

Autoren: Janosch Besen, Florian Forth, Wolfgang Haupt, Jens Wäling, Felix Schallenkamp, Bert Meierjürgen, Tino Sternagel-Petersen, Joxe Schaefer.

Pics: Wolfgang Haupt.