ROSY VISTA – unbelievable

Ich wollt’s mir ja eigentlich verkneifen und einfach gannix dazu sagen. Zu oft sieht man männliche Musikliebhaber sich auf weiblich besetzte Bands stürzen, offensichtlich durch das Optische deutlich mehr angezogen als durch die Musik. Ekelhaft. Nun dringt mir aber der Rosy Vista Sound von 2018 in die Ohren (zur Zeit des Reviews ist grad des Dezembers Mitte) und das alte Feeling ist mit dem Opener “Crazy” sofort wieder da. Ja sicher, die Stimme von Frau Andrea Schwarz ist gealtert (was hätte sie in den 33 Jahren dazwischen auch sonst tun sollen?), aber das passierte so wie es für eine(n) Sängerin (Sänger) sein sollte, weil diese klingt noch immer nach ihr selbst und bringt nun sogar noch mehr Seele ein, in den alten und neuaufgenommenen, wie in den neuen Tracks. Apropos, wer die hinlänglich bekannte 1985er EP “You Better Believe It” auswendig kann, findet sich hier schnell zurecht, zumal sich alle fünf Tracks von dieser Scheibe neuaufgenommen im Reigen der sieben neuen bunt einwürfeln. Wer die EP nicht kennt, ab inne Ecke Schämen!

Obwohl das Quartett damals nicht besonders bekannt war, konnte man aus eigener Kraft von sich reden machen. Auch das damals wohl größte Blatt, der Metal Hammer, berichtete nur einmal über den Vierer, lustig illustriert mit einem Bild von vier Omas. Dabei waren die Hannoveranerinnen in den Achtzigern nur fünf Jahre aktiv, warfen eine EP und zwei Singles ab. Reunions hin, Wiedervereinigungen her. Das Ding hier macht mächtig Sinn, weil obermächtig Laune. Damit dürften sich die meisten Fragen schon erledigt haben.

Der Fan von damals sieht sich nun allerdings auch deutlicher mit dem konfrontiert, was die Band schon immer staubig und hardrockend in den Knochen hatte. Und das, obwohl man mehr den roheren Ballersound von damals in der Birne hat, aus dem alles entstanden ist. Um mal eben zu erklären, wer grad bei den Leinestädterinnen mit im Boot sitzt, seien Gitarristin Anca Gratenol und Drummerin Marina Hlubek erwähnt, die wie Shouterin Andrea Schwarz schon damals dabei waren. Neu im Line-up ist nun für Regine Hellmann Bassistin Angela Mann, die mir musikalisch gänzlich unbekannt ist. Der Tieftöner spannt den Bogen zum bassbetonten “Sadistic Lover”, watt’n Groove … und es klingt erwachsener. Der als schmissiger Opener bekannte Rocker “Tables Are Turned” kommt jetzt als Track Nummer fünf und es rockt wie Scheiße. Und mein damaliger Favorit “Rockin’ Through The Night” knallt jetzt kurz vor Schluss. Und wenn ich sage knallt, dann meine ich das auch so.

Die Damen haben es noch drauf, ganz sicher! Hoffentlich werden die jetzt von den einschlägigen Festivals gebucht, ich denke da an erster Linie ans Summernight Open Air, an das German Swordbrothers und natürlich dem Headbangers Open Air! Wer es bis jetzt noch nicht geschnallt hat, muss das später auch nicht mehr. Alle anderen können “Unbelievable” abgreifen´. Und ja, irgendwie ist es in der Tat schon ‘Unbelievable”… Der mitgelieferte Promoschrieb spricht von der unübersehbaren Lücke in ihrer Diskographie, dem erstes Album. Zwölf muntere Glücklichpillen haben sie in dieses Röhrchen gesteckt, und “Hopatina” hat sogar etwas zuviel Teeniehüpfmittel geschluckt. Das Cover vom abgedroschenen “Born To Be Wild” mag nicht die beste Wahl sein, dieses neue Lebenszeichen abzuschließen, fordert aber die tiefere Stimme von Andrea ab und macht im schmutzig rauchigen Sound der Band mal wieder, wie zuvor schon zitiert, Sinn, weil Laune.

Jetzt ist doch ganz schön viel Text dabei rumgekommen, die Geschichte muss mir wohl am Herzen liegen. Mehr als acht Punkte sind jedoch nicht drin. Aber hey, das Ergebnis hier ist schon zigmal mehr, als wir überhaupt erwarten durften. Die Band ist lebendig, groovt dir den Stuhl unterm Arsch weg und wird ebensolche treten. Was willste noch, Junge?

Wertung: 8/10
Autor: Joxe Schaefer