SATAN, RAM, SCREAMER
Essen, Turock, 14.02.2019
Wie schön! Das Turock zu Essen öffnet die Pforten für das bislang geilste Billing des noch jungen Jahres, ein Pflichttermin für jeden, der sich Heavy Metal auf die Fahnen geschrieben hat. Und es kann wohl niemand der Anwesenden behaupten, er hätte Screamer bislang noch nie live gesehen. Die Schweden um Riesendrummer Henrik spielen sich den Arsch ab und waren seit ihrer Gründung gefühlt ununterbrochen unterwegs. Echt grad keine Ahnung, wie oft wir die Jungs inzwischen schon live bewundert haben, doch es war jedes Mal ein energiegeladenes Unterfangen. So auch heute. Kurz nachdem das Intro um kurz vor acht vom Band läuft, wird den Anwesenden klar, dass Screamer als Vorband an sich zu groß sind, als Anheizer für die beiden folgenden Unternehmen aber genau richtig. So tun ihre Reißer von Opener “Demon Rider” bis zur Schlussgranate “Can You Hear Me” alles für eine fette Party, zu der Drummer Henrik ohne Ende hinter seiner neuen Schießbude grinst. Zwar wird noch “Rock Bottom” gefordert, jedoch das treibende “On My Way” gebracht. Der Fünfer kann es sich sogar leisten, das neue und ziemlich eingängige “Highway Of Heroes“ als Abschluss zu bringen. Über eine halbe Stunde Achterbahnfahrt, so muss das! Müßig zu erwähnen, dass wir die Jungs in den nächsten Wochen noch zweimal sehen, in Münster mit Nightfyre und beim Warm-Up des Hell Over Hammaburg.
Auch die nächste Band stammt aus dem Land der Elche, war jedoch in unseren Breiten nicht ganz so oft unterwegs. Unvergessen ihr Auftritt in einem münsterländer Jugendzentrum vor über zehn Jahren, wo zur Pause Oberfan Osnachris die Bühne erklomm und am Schlagzeug den Painkiller spielte, ein umjubelter Gag als Intro für Ram. Heute geht es nach einer knappen Umbaupause sofort weiter und das Quintett wird mit respektablem Applaus empfangen. Sie geben alles, nur Drummer Morgan singt Backings und Oscar gelangt bis an seine Grenzen und geht darüber hinaus. Immer wieder zünden die unüberhörbaren Priest-Anleihen, ein beabsichtigter Trade in ihrem Stil. Die auf Platte bekannte Basslast transportiert auch live die Wucht und es ist mächtig was los im glücklicherweise nicht zu prall gefüllten Turock. Es ist Donnerstag heute und wäre das Konzert an einen Wochenendtag, hätte man ein ‘Sold Out’ befürchten können. Mit im Set mein Dauerbrenner vom aktuellen Album “Rod”, das straighte “Gulag”, welches sich mit einem “(To Escape From)” davor nicht mehr nach dem deutschen Wort ‘Gulasch’ anhört, hehe. Unser Schreiber Janosch brüllt mir von hinten ins Ohr, dass jenes intensiv performte “The Usurper” sein Fave wäre, obwohl es gar nicht zu den Schnellsten zählt, und Ram zu den besten Livebands der vergangenen fünf Jahre gehört. Unser Redakteur Jens Jensenmann weiß jedoch Kritik zu üben. Die beiden Gitarristen hätten wesentlich zu wenig Nieten getragen! Der unbedingte Mitgröler “Machine Invaders“ schließt nach einer Dreiviertelstunde ab und leider bleiben Rufe nach Zugabe ohne Reaktion.
Das wiedererstarkte Urgestein der NWoBHM hat derzeit definitiv einen Lauf. Satan spielt in der 1983er Besetzung und hat in der Neuzeit bereits drei erstklassige Longplayer veröffentlicht. Besonders das aktuelle “Cruel Magic” ist einer der Scheiben des vergangenen Jahres und man spielt grandiose Headlinergigs. Nicht nur, das wir es bei den älteren Herren mit fünf metallischen Vollblutprofis zu tun haben, sondern es macht auch ihr unbändiges Stageacting das unbeschreibliche Feeling aus, es mit einer DER Bands der Stunde zu tun zu haben. Spiralkabelgitarrist Russ Tippins, heute in weißen Boots und einem amerikanischen Led Zeppelin Tourshirt von 1975, singt die erste Zeile von “Trial By Fire”, weil er bemerkt, dass Shouter Brian Ross noch nicht ganz auf der Bühne angekommen war. Brain hat auch kein Problem damit, dass das folgende “The Doomsday Clock” aus dem Publikum angesagt wird und hält dem Fan dafür sein Mikro hin. Frau Carola neben mir in der ersten Reihe bekommt von Brain englische Schokolade geschenkt, danach gibt’s “Mouth Of Eternity”. Tatsächlich.
Fännähe auch bei “Break Free”, in dem Brian die erste auf die Bretter geworfene Kutte anzieht. Von Tieftöner Graeme English vernimmt man deutlich jede angeschlagene Saite, welche die Bierbecher auf der Bühne tanzen lassen. Wegen einer fehlenden Cowbell am Drumkit muss ein Statist für Drummer Sean bei “Cruel Magic” einen Kochtopf hinhalten, der überraschend ähnlich klingt. Die Engländer nehmen es mit Humor. Als “Time To Die” gewünscht wird, kommentiert Brian: “It’s Not Time To Die…” und unter Gelächter wird “Testimony” als letzten Song angestimmt, in dem die Gitarristen sich ein Kopf an Kopf Duell liefern, wozu Steve Ramsey mal das Bangen einstellt. Auf dem Rückweg vom Bierholen stoppt mich Redakteur Bert Meierjürgen, um mir mitzuteilen, dass Satan einfach Champions League sind. Als danach alle die Bühne verlassen, Drummer Sean sitzen bleibt und die Zugaberufe noch nach mit der Bassdrum anheizt, war jedem klar, es kommt noch was. Eine Wahl folgt. Brian fragt die Audienz, ob sie lieber “Heads Will Roll” oder “Kiss Of Death” hören möchte. Der größte Applaus fällt deutlich für Letzteren aus und Russ spielt den Track mit der Gitarre hinter seinem Rücken. Ein “Alone In The Dock” setzt den Schlusspunkt von satten einhundert Minuten Vollbedienung. Das, obwohl Kracher wie “Oppression” und “Ghosts Of Monongah” gefehlt haben. Satan gelten als die Abräumer schlechthin und es scheint besonders hier heute Abend keine andere Meinung zu geben. Freuen wir uns auf ihre nächsten Headlinergigs, von denen wir definitiv noch einige zu sehen bekommen werden…!
Autor & Pics: Joxe Schaefer