SCREAMER, HAUNT, TANITH
Oberhausen, Helvete, 13.11.2019
Letztendlich ist es doch so, dass man einfach dort hin muss, wenn die favorisierten Bands nahe des eigenen Wohnzimmers auftreten. Egal, wie oft man sie schon gesehen hat, im Falle von Screamer. Die Jungs von Haunt haben wir vor gut zwei Wochen bei ihrem ersten und definitiv eindrucksvollen Europagig in Hamburg live gesehen und bei Tanith handelt es sich deswegen um eine sehr interessante Band, weil sie definitv oldschool sind und Gitarrist Russ Tippins (übrigens unser Gitarrist des Jahres) bei den Briten Satan (nebenbei erwähnt unsere Liveband des Jahres) seine Brötchen verdient. Benannt nach dem Hauptcharakter des 1968er Films “The Devil Rides Out” bringt das weiß gestiefelte Quartett sein siebzigertaugliches Material von zart bis hart. Wenn auch die sanfte Stimme von Bassistin und Sängerin Cindy glänzend die verträumten Parts meistert, harmoniert sie kräftiger gesungen prima mit den Vocals von Russ, der seinerseits gut die andere Hälfte der Vocals und die Ansagen bringt. In jeder Phase kommen Tanith kerniger als auf Platte, die zügigeren „Mountain“ und das von Russ gesungene “Under The Stars“ unterstreichen das. Zum Schluss erklingt die coole Single “Citadel”, da werden die Seven-Inch Sammler hellhörig. Auf das Uriah Heep Cover “Lady In Black” verzichtete die Band heute. Nur darf man einen Russ Tippins nicht mit bloß dreißig Minuten Spielzeit abspeisen.
Letztens in Hamburg beim Gig von Angel Witch hatten auch die Vorbands einen guten und extrem knalligen Sound. Für Verhältnisse von Night Demon nichts ungewöhnliches, wohl aber für die Senkrechtstarter Haunt. Und um gleich möglichen Missverständnissen vorzubeugen, es sind von allen Bands auf diesem Planeten mit diesem Namen die Klassikmetaller aus Kalifornien. Und die kommen auf ihrem ersten Trip in unseren Breiten gut an, haben auch schon alle Shirts und Patches verkauft, dass am Merch nur noch etwas Vinyl erhältlich ist. Gitarrist und Shouter Trevor macht die Ansagen beim Stimmen seiner Gitarre und bedankt sich dafür bei Deutschland. Auch hier in Oberhausen macht ihr Sound mächtig Druck. Nicht ganz so viel wie in Hamburg am Monatsanfang, aber auch hier im Helvete kommen Haunt härter als auf Platte. Der Vierer hat mächtig Bock, macht viel Action und man sieht permanent Gitarrenhälse in der Luft und Gitarristenhaare fliegen. Müßig zu erwähnen, dass sich die Energie auf die Anwesenden überträgt, dass im Laufe des Konzert immer mehr Banger zu beobachten sind. Der favorisierte Stampfrhythmus animiert auch dazu, sofort in den Nacken zu gehen. Zum Schluss lässt “Burst Into Flames” als letztes Stück noch einmal richtig fliegen. Starker Auftritt. Im Januar erscheint ihr neues Album “Mind Freeze”, hoffentlich mit einer weiteren Tour bei uns.
Bei ihrem letzten Gig in der Elbmetropole hat der Verfasser dieser Zeilen Gitarrist Dejan mitgeteilt, irgendwann die besuchten Screamer Konzerte nicht mehr mitgezählt zu haben. Und jetzt kommt noch eins dazu. Is auch völlig schnuppe, solange es bei den Schweden total zündet, und ganz trägt das neue Album “Highway Of Heroes” mit dazu bei, dass bei den Schweden weiterhin Mitgröler und Fistraiser die Setlist bestimmen. So heißt das Eröffnungsdoppel “Ride On” und “Demon Rider“, bei denen Schwarz-Weiß die Meute schnell in den Griff bekommt, dass nach “Highway Of Heroes“ Applaus bis hinten in die letzten Reihen des gut halbvollen Helvetes feststellbar ist. “On My Way“ lässt noch mehr mitgrölen und alle Arme gehen zu „Keep On Walking“ hoch. Dann folgt noch ein Rider, diesmal der “Rider Of Death“ vom neuen Album, in dem sich Basser Fredrik sich sein Plek auf die Stirn klebt, solange er mit den Fingern zupft. Sicher haben wir hier im Helvete in der Wochenmitte schon schlechter besuchte Abende erlebt, doch jeder Anwesende ist voll dabei und musikalisch erscheinen uns die Schweden im Gegensatz zu Hamburg noch einen Tacken besser drauf zu sein. Die Single „Monte Carlo Nights“ und das hohe Tempo zu „Halo“ lässt niemanden in der Audienz kalt und bei „Hell Machine“ kommt das Volumen der Stimme von Sänger Andreas besonders cool rüber, sagt auch die jubelnde Frau im Wolf Shirt neben mir. Nach Screamer-Rufen im finalen “Can You Hear Me“ lässt es sich der Fünfer nicht nehmen, noch ein Set von drei Zugaben zu zocken, abgeschlossen mit dem Highlight “Rock Bottom”, das noch einmal alle Reserven aktiviert. Es war ein Hammergig, auch wenn das Zeiteisen nach siebzig Spielminuten noch deutlich vor elf Uhr anzeigt.
Autor & Pics: Joxe Schaefer