VIO-LENCE, XENTRIX, WHIPLASH, ARTILLERY

Essen, Turock, 02.12.2022


Es gibt für den klassischen Thrasher keinen plausiblen Grund, diesem Tourtross der MTV Headbangers Ball Tour nicht zu begegnen. So ein Hammerbilling ist leider selten, also sind wir am Start und feiern die vier Bands aus der Beginnzeit des Thrash ab. Die Dänen von Artillery haben sich in der jüngeren Zeit metallischer gezeigt, und bekommen heute zwar die undankbare Aufgabe des Openers, doch das Brett mit gefährlich geschnittenen Soli lässt keine zwei Meinungen zu. Optisch gibt es einen Kontrast zwischen den Größen der beiden Michaels, wenn Sänger und Gitarrist nebeneinander stehen. Musikalisch eher weniger, denn es das gut eingespielte Oldschoolprogramm hämmert bei vollem Sound immer schön ins Gesicht. Durch die alten Songs hat das richtig Eier, was da von der Bühne kommt. Die Frage ist nur, wann die Menge auftaut. Zu „Khomaniac“ und tatsächlich auch „The Face Of Fear“ bekommt der halbe Laden schon mal auf Kommando die Arme hoch. Die Stimmung steigt in den fünfunddreißig Minuten zusehends und am Schluss zu „Terror Squad“ ist das Geschiebe groß, dass wir so noch gut hätten weitermachen können, doch es muss zeitplantechnisch Schluss sein.


Schluss ist heute auch mit der Tour, wohl weil der Veranstalter der finalen drei Konzerte Pleite sein soll. Also ist es heute Abend hier rappelvoll, was der Dreierbande von Whiplash aus New Jersey natürlich in die Karten spielt. Auf die haben wir uns auch am meisten gefreut, denn die haben uns Ende der Achtziger mit ziemlich geilen Alben versorgt, aber live haben wir sie bislang noch nicht gesehen. Das ändert sich in diesem Moment und nach einem langen Soundcheck geht es unter dem kleinen Logobanner, unter dem schon das der folgenden Band hervorlugt, fett zur Sache, dass schon nach dem ersten Song „Killing On Monroe Street“ deutliche Whiplash Rufe zu vernehmen sind. Shouter und Gitarrist Tony und sein neuer Live-Basser Will stehen on Stage in den Ecken, also sehr weit auseinander, treffen sich aber häufig in der Mitte und nutzen die Bretter voll aus. Es knallt noch geiler als zuvor und Drummer Charlie haut richtig drauf. Die Circle Pits zu „Walk The Plank“ vom „Ticket To Mayhem“ Album bleiben nicht die einzigen. Mit „Power Thrashing Death“ bekommt das Trio fast eine Stunde Spielzeit voll, hauptsächlich mit abfeierungswürdigem Material des „Power And Pain“ Albums. Kämpfte zuvor noch ein Crowdsurfer verzweifelt um die Gunst der Träger, zeigt zum Schluss der alte Hase Tony himself, wie das richtig geht.


Jedem von uns ist die „Ghostbusters“ Version noch gut im Gedächtnis, die damals in der MTV Sendung „Headbangers Ball“ rauf und runter lief. Um es hier schon vorweg zu nehmen, das Cover wurde gar nicht gespielt. Aber was aktuell ziemlich beeindruckend und immer wieder in unsere Köpfe fließt, ist das grandiose neue Xentrix Album „Seven Words“. Auch das kommt nicht zum Zuge, da Shouter Jay am Vortag Vater wurde und deswegen die Tour gar nicht erst antrat. Langer Rede kurzer Sinn – es wäre gelogen zu behaupten, wir hätten uns eingeschworen, Xentrix aus diesem Grunde zu ignorieren. Never! Die alten Fans freuen sich drauf, das Material der beiden ersten Scheiben vor den Latz zu bekommen. Die Bande aus Lancashire will da ansetzen, wo Whiplash aufhörten und ballert zu top Sound auch gut was weg, kommt aber stimmungstechnisch nicht dran. Gitarrist und Shouter Chris, ihr alter Sänger der ersten beiden Scheiben, macht die fünfundfünfzig Minuten wirklich einen großartigen Job und Xentrix können im Prinzip auch alles, der ein oder andere Pit kommt auch auf, aber erst später und nur kurz. Schade, aber als zweite Band wäre der Vierer heute Abend besser aufgehoben gewesen. Chris sagt zu „No Compromise“, wir hätten vier alte Kerle sehr glücklich gemacht und wirft seinen Rest Picks in die Menge. Morgen braucht er keine mehr, heute ist ja der letzte Tag der Tour.


Den Slot der finalen Band haben Vio-lence. Die Haudegen warfen zwischen 1988 und 1993 drei Alben raus, und das genügt hier schon zum Headliner, auch wenn die Bay Area Thrasher aktuell bloß mit einer EP auftrumpfen. Was der Vierer hier liefert, hat absolut Format und beruft sich auf eine böse ausgewählte Setlist. Bier fliegt, Haare fliegen und ganze Leute fliegen. Shouter Sean wickelt sich das Mikrofonkabel um den Unterarm. Man erkennt ihn an seinem weißen Longsleve unter der zugeknöpften Kutte und an seinen hellen Bögen in den cleanen Vocallines. Es gibt Vio-lence Rufe und vorn so mächtig Geschiebe, dass bis hinten zu Mercher Tom dichter gestanden wird. Letztendlich waren es für 75 Minuten das Gegenteil eines Kindergeburtstags. Phil Demmel verschenkt noch seine Lamb Of God Plektren, von denen er als Live-Gitarrist offensichtlich Massen bekommen hat. Die größte Party machten heute Violence und Whiplash, letztere war für uns auch die Band des Abends. Bleibt zum Schluss nur noch der Wunsch zu äußern, öfter alte Thrashgründer auf Tour geschickt zu bekommen!

Autor & Pics: Joxe Schaefer