KREATOR, DESTRUCTION, TANKARD

Gießen, Kloster Schiffenberg, 22.08.2025


Manchmal kommt es anders … denn auch diesmal war es sehr spät klar, dass wir doch nach Gießen reisen, um drei der größten Thrashbands der Republik live zu sehen. Und das, obwohl Sodom diesmal gar nicht auf dem Billing stehen. Und so wirklich den Plan für eine korrekte Pkw-Anreise haben weder die Besucher, noch die Ordnungskräfte vor Ort. Denn erst auf dem Abbiegestreifen zum Parkplatz auf dem Klosterberg erfährt der Anreisende durch die Seitenscheibe bei grad rotlichtzeigender Ampel, dass nur Inhaber mit bereits erworbenem Parkticket auf die Straße zum Festival einbiegen dürfen. Na, das ist ja grandios professionell. Keine Ahnung, an wem das liegt, aber auf dem obersten Banner steht „Gießener Kultursommer“. Der nächste Parkplatz liegt Kilometer entfernt, von wo wir zu Fuß durch den Wald irgendwann oben auf dem Konzertgelände eingetroffen sind, als Tankard grad „Rapid Fire“ zocken. Keine Ahnung, ob zu diesem Zeitpunkt wir, oder Gerre mehr außer Atem ist. Den dazu passenden Knaller „Run To The Hills“ hören wir erst viel später. Und der Witz an der ganzen Sache ist auch noch der, dass während der gesamten Veranstaltung der Parkplatz hier oben gar nicht so voll aussieht. Die „Beerbarians“ und die „Chemical Invasion“ bekommen wir noch mit, auch noch die Zombie Attack“. Natürlich bekommt Gerre die Arme der Audienz hoch, was bei „Empty Tankard“ am besten funktioniert. Aber ein Gigende um kurz nach sieben ist definitiv zu früh für eine solche Band. Na gut, schlagen wir noch schnell am reichhaltig bestückten Merch zu, wo so einiges an Shirts und neuaufgelegtem Vinyl erhältlich ist. Gut, dass man Gerre gestern noch auf einer Leinwand in Essen gesehen haben konnte, als er als Gast in der Deutschlandpremiere des Kreator-Films „Hate And Hope“ für ein paar Sätze auftauchte. (Joxe Schaefer)


Auch ein Segment mit einem Statement von Herrn Schmier war gestern in dem Film zu bewundern, natürlich, die Ikone gehört auch auf jeden Fall mit rein und keinesfalls weggelassen. Heute hier im Hessischen erwarten wir nichts anderes als eine intensive Abrockung ihrer größten Hits, und so kommt es auch. Destruction starten mit „Curse The Gods“ in die Vollen und Schmier fügt mehrmals seinen Ansagen hinzu, dass es hier eine geile Location sei. Und tatsächlich ist dieses Areal innerhalb der Klostermauern, die Latrinen sind zur Sicherheit außerhalb, nicht zu verachten. Außen herum nur Buden und Stände, innen noch eine ungeordnete Ansammlung offensichtlich steinalter Bäume, unter denen sich die Wärme des Tages bei noch immer sommerlichem Wetter gut hält. Auch cool die Idee, Screens aufzustellen, von wo aus man die Bühne nicht sehen kann. Und tatsächlich steigt nach „Nailed To The (F**king) Cross“ die Stimmung noch etwas bei „Mad Butcher“ und „Life Without Sense“. Die Menge saugt alles auf, kommt aber noch nicht so richtig aus dem Häuschen. Kann auch zum Teil mit daran liegen, dass keinesfalls etwas zu laut gepegelt wird. Nach „Diabolical“ darf „Total Desaster“ nicht fehlen und das Anthem „Destruction“ erleben wir zu provokant roter Beleuchtung. Zum Schluss wird noch ein zünftiges „Bestial Invasion“ und noch „Thrash ‚til Death“ in den Innenhof geworfen, aber nach der Stunde Hammerprogramm erklingt „Strangers In The Night“ von Sinatra aus den Speakern. Kurze Zeit später wird hinter einem riesigen Kreator Banner die Bühne für den Hauptact präpariert. (Joxe Schaefer)


Nach den routinierten und guten Auftritten von Tankard und Destruction zeigen Kreator jedem Anwesenden sehr schnell, wer hier der Herr im Haus bzw. im Kloster ist. Nach dem coolen „Run To The Hills“ Intro, bei dem das Quartett aus Altenessen das Publikum bereits im Sack hat, brennt die Band nicht nur sprichwörtlich ein Feuerwerk ab. Dabei muss man immer wieder um die Mauern des Klosters fürchten, die nicht nur durch die brachialen Klänge arg ins Wanken geraten, sondern auch durch die Flammen nahe am Niederbrennen stehen. Bereits beim Opener „Violent Revolution“ brennt die Bühne und auch der Funke springt sofort auf’s Publikum über. Es wird schnell klar, welche Band hier die Mehrheit der Fans stellt. Waren die Zuschauerreaktionen bei Destruction noch zurückhaltend, ist das zahlreich erschienene Publikum nun voll da. Die Hütte brennt im wahrsten Sinne des Wortes. Bereits nach dem ersten Song fordert Mille das Publikum zu einer ‚Wall Of Death‘ auf und philosophiert darüber, dass man sich nie hätte vorstellen können, mal in einem Kloster spielen zu dürfen. Die Band ist perfekt aufeinander abgestimmt. Man merkt, dass Kreator eigentlich permanent unterwegs sind. Speziell die beiden Gitarren harmonieren perfekt miteinander. Angetrieben von Ventor’s ultimativ kraftvollen Drumming ergibt sich ein brutales Klangbild, welches in perfekter Soundqualität aus den Boxen hämmert. Es fällt auf, dass der Sound lauter und besser ist als bei den beiden Bands zuvor. Zudem liefern Kreator die bekannt fette Lightshow, welche dem Bühnenbild die perfekte Optik bietet.

Ich habe Kreator seit zehn Jahren nicht mehr live gesehen. Auch wenn mich die jüngeren Alben der Band nicht mehr voll überzeugen konnten, sind Kreator live eine Macht. Die gut gewählte Setlist, die fast alle Phasen der Band berücksichtigt, kombiniert mit dem perfekt inszenierten Bühnenbild, machen deutlich, weshalb Kreator die beste deutsche Thrash Band ist. Keine andere Band des Landes kombiniert Brutalität mit Melodie so elegant wie die Mannschaft um Mille. Mit „Love Us Or Hate Us“ bringt die Thrash-Ikone einen Song auf die Bühne, der eher selten live gespielt wird. Überraschend ist lediglich, dass man nur zwei Songs des aktuellen Album „Hate Über Alles“ zum Besten gibt. Mir gefällt die tolle Mischung aus neueren Songs und Klassikern sehr gut. Das Publikum ist zwar aktiver als bei Destruction, wirkt aber, den Temperaturen entsprechend, leicht unterkühlt. Die Band hat trotzdem Spaß und mächtig Bock. Mille erwähnt bei jeder sich bietender Gelegenheit, wie toll es ist, in einem Kloster zu spielen. Bei „Satan Is Real“ steht die ganze Bühne in Flammen, was den Song optisch optimal unterstützt. Zum Abschluss greift man wie gewohnt tief in die Mottenkiste und packt mit „Flag Of Hate“ und „Pleasure To Kill“ zwei ultimative Klassiker aus, bei denen nochmals amtlich die Post abgeht. Danach ist Schicht im Schacht und das Publikum geht durchwegs zufrieden nach Hause. Der heutige Auftritt beim Gießener Kultursommer stellt den letzten Auftritt Kreators auf deutschem Boden im Jahr 2025 dar. Das neue Album ist bereits vollständig im Kasten und wartet darauf,  voraussichtlich im Januar 2026 auf die Menschheit losgelassen zu werden. Unabhängig von der Qualität dieses neuen Albums werde ich mir jederzeit gerne ein Feuerwerk à la Kreator wieder geben. Die Qualität des Gesamtbildes aus Musik und Optik ist einsame Klasse und positioniert die Band zu recht in den obersten Sphären ihres Genres.

Setlist: Run To The Hills (Intro ab Band); The Patriarch; Violent Revolution; Enemy Of God; Hail To The Hordes; Betrayer; People Of The Lie; Love Us Or Hate Us; Phobia; Hate Über Alles; 666 – World Devided; Strongest Of The Strong; Hordes Of Chaos; Phantom Antichrist; Satan Is Real; Flag Of Hate; Pleasure To Kill; Apocalypticon (Outro). (Steph Bachmann)

Autoren: Steph Bachmann, Joxe Schaefer
Pics: Joxe Schaefer