EREMIT – wearer of numerous forms

„Ein Jetzt das mehr umspannt als nur die Gegenwart“ titelt der Slogan auf ihrer Social-Media Präsenz. Einfach mal kurz sacken lassen; der Satz wirkt nach. Das kommt nicht oft vor, dass wir eine Sludge-Band favorisieren, die wir noch nie live gesehen haben. Und dennoch war vor dem ersten gehörten Tönchen dieses Albums klar, das Vinyl muss her. Das kommt als Doppel-Album in einer 4-Vinyl-Box, hat aber nur drei Songs, aber die laufen zusammen über zwei Stunden. Scheint so, als würden die Osnabrücker in jeder Hinsicht noch extremer. Das Drittwerk beginnt mit toxischen Störgeräuschen und flinkem Basslauf, slowburnt fett bis zum ersten Slowpart nach fast zwanzig Minuten, ein Slowpart, der seinen Namen auch verdient: leise, sehr langsam, zart, leicht melodisch und wiedererkennbar. Bis jetzt passierte im Opener „Conflicting Aspects Of Reality“ noch nicht viel Markantes, aber spannend Erzähltes. Müßig zu erwähnen, dass das Drumwerk auch mit wenig Schlägen kracht und dabei roh und einfach wirkt. Fällt noch beim Wiedereinstieg ins Laute eine erhabene Basslast auf, die auf der Platte variiert. Über den Einsatz von Hendrik an der Trompete kann diskutiert werden, muss aber nicht. Auf dem Vorgänger „Bearer Of Many Names“ aus 2021 war das längste Stück „bloß“ eine halbe Stunde lang und musste für die Vinylausgabe zweigeteilt werden. Diesmal wird wohl eine Dreiteilung stattfinden, denn der Opener allein läuft schon stattliche vierundsechzig Minuten. Bei der Länge darf auch einfach mal ellenlang fett gebraten werden, einen groben Anschlag bis zur Rückkopplung alles planieren lassen. Scharf-knusprig grelle Growls hallen sich imposant durch die Breitmahlungen, wenn sie denn mal vorkommen, wie im voluminösen Finale des ersten Tracks. Und was ein megafettes Ende, einfach völlig überzeugend.

Weiter geht es mit dem zweiten Track „Entombed“, der mit einundzwanzig Minuten Spielzeit die kompakteste Länge stellt und im Midtempo durch die Grotten marschiert. Wahrscheinlich der schnellste Song des Triples. Gebrösel und Steinschlag bröckelt dir dabei permanent von oben auf den Schädel, bei den Vibrationen bleibt nichts regungslos an seiner Stelle, versprochen! MIt einer aushallenden Rückkopplung geht es geschmeidig rüber in den Abschlusstrack „Passages Of Poor Light“, der mit seinen siebenundvierzig Minuten Länge ebenfalls alleine ein komplettes Album füllen könnte.

Nicht ganz gesunde Synthies erbauen finstere Atmosphären, an unverzerrte Zupfereien klammert sich das Ohr und alsbald erscheint dann der längst erwartete Speedgewalt Überfall, dann ein brutzelnder Slo-Mo Flächenbrand. Der Slowpart lässt hallige Leads in dunklen Abgründen verschwinden, bis plötzlich taktlos die Vollgewalt hereinbricht. Der vielseitigste Track des Bündels, denn letztendlich erscheint noch Unverzerrtes, rhythmische Stampftreiber und grob fiese Riffmalträtierungen. Da darf noch ein epischer Schluss erwartet werden, der dieses Werk zu Grabe trägt. Das geschieht durch eine Lärmorgie, die über ein Uptempo quillt und lange verhallt. Und so fühlt man sich nach den einhundertzweiunddreißig Minuten auch.

Die drei Gleichen fanden auch auf dem Coverartwork von Adam Burke Berücksichtigung, das eigene Label der Doomster. Das was hier in fünf Tagen Tonmeisterei Oldenburg alles tutti kompletti live eingespielt wurde, zwingt den Hörer eine Tüte Zeit mitzubringen, und ganz sicher auch eine adäquate Abspielgerätschaft zu haben. Es ist schwierig im Auto zu hören, Dynamik und Klangvolumen sollten ohne Außeneinflüsse einwirken können. So, jetzt ist das Wochenende eingeläutet, das erste nach Osterbeginn. Heute Abend spielen noch Overkill in der Zeche, aber diese Scheibe wird erst in zwei Monaten veröffentlicht. Konnten aber nicht so lange warten….

Wertung: 8,5/10
Autor: Joxe Schaefer