OBLIVION PROTOCOL – the fall of shires

Das elfte Album „Legend Of The Shires“ aus dem Jahre 2017 war nicht nur mein absolutes Jahreshighlight, sondern zählt qualitativ mit Sicherheit zu den besten drei, vier Alben innerhalb einer nahezu makellosen Diskografie der britischen Prog Metal Legende Threshold. Für Keyboarder /Songwriter Richard West war es eine Herzensangelegenheit, eine Forstsetzung des Konzeptalbums zu schreiben. Seine Bandmitglieder indes hatten sich dagegen entschieden. „Self is the man“, dachte sich der gute Rich, und scharrte eine Handvoll versierte Musiker um sich, um das Projekt voran zu treiben: Ruud Jolie (Gitarre bei Within Temptation), Simon Andersson (Bass bei Darkwater) und Darby Todd (Drums bei Devin Townsend). Auch Threshold Gitarrist und Co-Songwriter Karl Groom ließ es sich nicht nehmen, ein paar Soli beizusteuern.

Gleich der erste Song „The Fall Of The Shires“ sorgt dafür, dass sich der geneigte Zuhörer sofort Zugang in den „West‘schen-Klangkosmos“ findet, sowohl musikalisch,  als auch konzeptionell. Es gibt auch einige Einspieler, die so oder so ähnlich auf „Legends“ zu hören waren. Großes Plus ist einmal mehr das traumwandlerisch sichere Gespür für große Melodien. Ein erstes gelungenes Gitarrensolo von Karl Groom setzt dem ganzen die Krone auf. Song Numero zwei „Tormented“ erinnert anfangs an „Stars And Satellites“ von „Legends“. Auf der einen Seite durch das Riffing, auf der anderen gibt es kurze (bekannte) Intro-Sequenzen. Man könnte meinen, dass hier wild drauflos kopiert wurde. Dem ist aber nicht so. Diese ganzen Sequenzen stellen die Verbindung zu den Songs vom ersten Teil her. „Stars and Satellites“ ist eines von seinen geschriebenen Stücken. Der Refrain kann selbstverständlich wieder alles. Das folgende, ruhigere „Public Safety Broadcast“ enthält ebenfalls ein feines Solo von Groom und verfügt wie selbstverständlich über einen schönen Chorus. „This Is Not A Test“ ist sehr catchy, will nicht sagen, poppig geraten. Allerdings verfehlt der Song seine Wirkung nicht. Eine gelungene Pianomelodie, welche sich wie ein roter Faden durch die Komposition zieht, als auch ein schönes „satanisches“ Gitarrensolo, dieses Mal von Ruud Jolie, macht auch diesen Song mehr als hörenswert. Trotz seines Titels ist das folgende „Storm Warning“ eher unaufgeregt und zum Teil auch wieder poppig ausgefallen. Da hat Threshold Sänger Glynn Morgan auf dem letztjährigen Threshold Album mit seinen Beitrag „Let It Burn“ Rich ermutigt, ein zweites Mal „Ohohoho“-Chöre zu zulassen. Bei „Vertigo“ verlässt Rich ausnahmsweise seine vermeintliche Komfortzone. Zunächst modern tönend, schon fast an Steven Wilson, gesanglich gar an den großartigen, ehemaligen Spock‘s Beard Sänger erinnernd, wächst ein sehr atmosphärischer Song mit einmal mehr großen Melodien. Die erste Single „Forest In The Fallout“ beginnt relativ hart und düster mit einem „Threshold-typischen“ Riff, wird aber gleich wieder ausgebremst. Eine weitere atmosphärisch und selbstverständlich melodische Nummer. Das abschließende „The Fall (Part 2)“ überrascht durch durchgehende und Pink Floyd-mäßige Gitarrenläufe, die im weiteren Verlauf in ein großartiges Gitarrensolo von Mister Groom übergehen, was einen schönen Kontrast bildet. Wie bei „Legends“ endet das Album balladesk inklusive Vogelgesang und Glockenläuten.

Wirklich berechtigte Kritikpunkte gibt es nicht, da es sich hier nicht um ein reines Threshold Album handelt. Trotzdem ist durch seine Kompositionskunst die Nähe zu seiner Hauptband jederzeit greifbar. Auch Experimente sind auf „The Fall Of Shires“ eher Fehlanzeige. Wildern in genrefremden Revieren will ja auch kein Threshold-Fan wirklich. Dann lieber geschmackvolle Gitarrensoli im Stile von  Santana oder Pink Floyd. Rich‘s Gesang ist etwas limitiert, aber songdienlich und jederzeit melodisch. Dadurch wirken die Songs trotz düsterer Storyline etwas zu harmlos und zum Ende hin ein wenig gleichförmig. Das war‘s dann aber schon mit dem Gemotze. Insgesamt aber eine runde Sache.

Wertung: 8/10
Autor: Michael Staude