WITHERFALL – curse of autumn

Mit dreimonatiger Verspätung erscheint dieser Tage ein neues Album der kalifornischen Ausnahmeband Witherfall. 2013 in L.A. gegründet, ist man mittlerweile bei Album Nummer drei gelandet. Wie die beiden starken Vorgänger kann auch das dritte Album auf ganzer Linie überzeugen. Der Oberbegriff „Dark Melodic Metal“ wird der musikalischen Ausrichtung nicht ganz gerecht, beinhaltet die Musik auch eine stark progressive Komponente. Und das im positivsten Sinne des Wortes. Nicht etwa wie bei Dream Theater und Konsorten. Das heißt, einen derart mitreißenden Longtrack wie „…And They All Blew Away“ würde ich gerne mal wieder von der einstigen Prog Institution aus New York hören…aber dazu später mehr.

Nach einem kurzen, stimmungsvollen Instrumental, dessen Titel länger zu sein scheint als das Stück selbst, geht es mit dem vorab veröffentlichen „The Last Scar“ gleich in die Vollen. Ein ungewohnt straighter, aggressiver Song, der bei aller Schnelligkeit trotzdem Haken schlägt und mit einem ebenfalls (etwas) ungewohnt hymnenhaften Refrain aufwartet. Erinnert ein wenig an Iced Earth. An dieser Stelle hört man dann doch heraus, dass ein gewisser Jon Schaffer seine Finger bei der Produktion des Albums hatte. Diese ist mehr als gelungen. Aufgenommen wurde „Curse Of Autumn“ übrigens im legendären Morissound Studio in Tampa, Florida. „As I Lie Awake“ ist der große Hit des Albums. Auch dieser Song wurde vorab veröffentlicht, und es wurde dazu ein toller Videoclip im „Lost Boys“ Vampirfilm Stil gedreht. Würde es Formate wie VH-1 Rocks oder MTVs  Headbangers‘ Ball noch geben, wären Witherfall unwillkürlich durch die Decke gegangen. Der mächtige Refrain inklusive starker Bridge tut sein übriges dazu.

Etwas ruhiger geht es mit dem düsteren „Another Face“ weiter. Dieser hat nicht ganz das Abräumerformat des Vorgängers, weist aber im Mittelteil einen interessanten progressiven Part mit zahlreichen Twists und Turns auf. Zudem befindet sich im direkten Anschluss eine Art zweiter Refrain, welchen man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Ähnlich strukturiert und „temporiert“ ist das etwas stärkere „Tempest“. Neben King Diamond-würdigen Akustikgitarrenparts beginnt diese Nummer sogar mit Black Metal Riffing, welches sich durch den ganzen Song wie ein roter Faden zieht. Vom Part mit dem Refrain mal abgesehen, wo das Tempo gedrosselt wird. Ein Teil der letzten Strophe erinnert von der Phrasierung her gar an Helloweens „A Tale That Wasn‘t Right“, welches Witherfall auf ihrer letztjährigen „Vintage“ EP  gecovert haben. Der Titeltrack entpuppt sich als kurzer Akustiksong mit verhaltenem Gesang und geht nahtlos in ein Instrumental namens „The Unyielding Grip Of Each Passing Day“ über. Hier bricht der Wahnsinn wieder los. Hektische Parts wechseln sich mit ruhigen Parts ab. Es wird stets melodisch agiert und nach eigenem Bekunden gibt es tatsächlich auch eine Nähe zu Instrumentals wie „Insanity“ (King Diamond) oder „Erotomania“ (Dream Theater) nach zu hören. Doch der Wahnsinn geht unvermindert weiter. „The Other Side Of Fear“ ist ein richtiger Hassbratzen und erinnert stark an Nevermore. Bei aller Härte, es sind sogar Growls zu hören, kommt die Melodie abermals nicht zu kurz. Auch zu diesem Song wurde ein aufwendiger und äußerst sehenswerter Videoclip produziert. „The River“ dagegen ist wieder ein richtiger Ruhepol und der zweite große Hit des Albums. Die Ruhe vom Sturm… Ähnlich wie „Vintage“ auf dem letzten Album „A Prelude To Sorrow“ ist „…And They All Blew Away“ das Opus Magnum von „Curse Of Autumn“. Alle Trademarks und Stärken dieser tollen Band werden noch einmal gebündelt und es wird sogar noch ein Stück darüber hinaus gegangen. Als wäre das nicht schon großartig genug, enthält dieser Longtrack für mich nach „As I Lie Awake“ den stärksten Refrain des gesamten Albums. Gerade der progressive Mittelteil mit all den Breaks und Rhythmuswechseln lässt Erinnerungen an große Dream Theater Momente wach werden. Das ruhige, akustische „Long Time“ beendet schließlich die musikalische Achterbahnfahrt.

Ich vermag derzeit nicht zu beurteilen, ob „Curse Of Autumn“ stärker als seine Vorgänger ist. Fest steht aber, dass das Niveau locker gehalten wird und wir es hier mit dem ersten Highlight des noch jungen Jahres zu tun haben. Ich vergebe vorerst dicke neun Punkte! Mit Tendenz nach oben!

Wertung: 9/10
Autor: Michael Staude