True Thrash Fest

Hamburg, Bambi Galore, 19.11.2021-20.11.2021


Tag 1: Freitag, 19.11.2021 – Reavers, Full Assault, Messerschmitt.
Nach der großartigen 2019er Erstausgabe musste das 2020ger TTF ja leider abgesagt werden. Die Wellen des Schicksals lassen 2021 zumindest eine kleine Ausgabe zu, bei der die Bands aus der entfernten Nähe kommen. Für den ersten Tag haben sich die Reavers, Full Assault und Messerschmitt zusammen mit ca. 120 Bangern im Bambi Galore eingefunden. Die Undergroundversion eines Undergroundfestivals sorgt hier eher für Stimmung eines Familientreffens und irgendwie kennt man jedes Gesicht vor und auf der Bühne. Eigentlich hätte man auch einfach „geschlossene Gesellschaft“ an die Tür schreiben können.

Den musikalischen Anfang machen die Lokalmatadore Reavers, die mit Thrash der alten Schule auf die Bühne kommen. Bis auf den Lead-Gitarristen tragen alle Kutten, Ketten und Patronengurte auf der Bühne, sogar die Dame an der Rhythmusgitarre. Auch wenn es musikalisch eher düster und aggressiv vonstattengeht, so hat das Quartett sehr viel Humor. Textlich werden auch nymphomane Raubfische sowie Bier und Korn besungen. Ein Donald Trump Kopf fliegt ins Publikum, bei der vorletzten Nummer „Bier Und Korn“ wird eine Korn-Flasche im Publikum herumgereicht, die Party hat begonnen.


Nach einer kurzen, durchgesabbelten Umbaupause geht es mit Full Assault aus Schwerin weiter. Während es bei den Reavers noch deutlich eher in die Richtung von frühen Sodom und Destruction ging, hört man bei Full Assault eher Kreator und die Bay Area heraus. Das Trio spielt deutlich tighter und weniger rumpelig als der Opener und präsentiert im ca. 45 minütigen Set gleich zwei Stücke von der kommenden Platte. Sänger und Bassist Robses ist eine sympathische Frontsau, die auch noch ihr Instrument ordentlich bedienen kann. Vielleicht liegt es daran, dass für eine Thrash-Band ungewöhnlich viele Frauen im Publikum sind.


Nun steht der Headliner des ersten Tages auf dem Programm: Für Messerschmitt aus Remscheid schließt sich hier der Kreis. 2019 haben die vier Jungs beim „Spirit Of Metal“ ihre bis dato letzte Show gespielt, leicht alkoholbedingt wurde dabei das Backdrop im Bambi vergessen. Auf vielen Umwegen kehrten nun sowohl Band als auch Backdrop gemeinsam auf die Bühne zurück. Die ersten beiden Bands haben so gut eingeheizt, dass drei der vier Musiker die Show direkt mit freiem Oberkörper angefangen haben. Lediglich Gitarrist Christian behielt sein Shirt an. Das Bambi wackelte und bebte bei einem Querschnitt der beiden bisher erschienenen Alben. Die lieferten eine dermaßen energiegeladene Show, dass mir etablierte Bands, die danach mal auf die Bühne müssen, schon ein wenig leidtun. Die zwei Jahre Bühnenabstinenz hat man in keiner Sekunde gemerkt, eventuell könnte man es aber auf das durch Corona veränderte Zeitgefühl schieben, dass Basser Floh diverse Speed Metal Stücke als Ballade ankündigt. Nach einer Spielzeit von ca. sechs Flaschen Astra war die Show leider schon vorbei und man konnte zum gemütlichen Teil des Abends übergehen, bis so gegen 2:30 Uhr das Biertrinken für diesen Abend leider durch das Putzlicht im Bambi beendet wurde.


Tag 2: Samstag, 20.11.2021 – Blitz, Space Chaser, Tankard.
Nach einem kleinen Katerfrühstück im Billstedter Schweinske geht es wieder in den Keller des Vertrauens, ins Bambi. Das Bambi, bzw. der Kulturpalast (irgendwer muss mir mal bei Gelegenheit eine Zeichnung machen, welcher Gebäudeteil nun genau wozu gehört…..) ist heute deutlich voller als noch gestern Abend, man fängt auch eine Stunde früher an. Die Merchstände wurden eine Etage höher neben dem Eingang aufgebaut, praktischerweise gibt es dort eine weitere Bar und auch einen Grillstand, der mit hausgemachter Currysoße zu begeistern weiß. So langsam macht sich der Einfluss des einen oder anderen Ruhrpottlers, der nach Hamburg gezogen ist, bemerkbar.

Mit fast beängstigender Pünktlichkeit um 20:00 Uhr und 30 Sekunden machen Blitz aus Hamburg den musikalischen Anfang des Abends. Wir erleben das Livedebüt des Vierers, der aus Midnight Prey und Aggregator hervorgegangen ist. Die Jungs hatten seit ihrer Gründung in diesem Jahr schon dreimal die Chance gehabt, die Bühne zu entern, aber entweder hat Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht, oder jemand in der Band war krank. An diesem Abend sollte es dann endlich klappen. Es gibt eine recht melodische Speedmetal Variante zu hören, die in der halben Stunde Spielzeit das Publikum gut anwärmt. Am Ende wechselt Gitarrist Michi noch an den Gesang, der ein wenig höher kommt, als der etatmäßige Shouter Chris. Mehr Material als für diese halbe Stunde gibt es einfach noch nicht. Ist im ersten Jahr halt so, das nächste Mal denn gern länger.


Nach einer kurzen Umbaupause geht es mit Space Chaser aus Berlin weiter. Die Jungs haben die Show am Freitag in Kiel und das „Umparken“ nach Hamburg bestens überstanden, wurden von gewissen, bei beiden Shows anwesenden Redakteuren nicht totgeknuddelt und legen direkt mit „Virus“ von der Split-EP mit Distillator los. Die EP ist schon drei Jahre alt, was bei einer so jungen Band eine halbe Ewigkeit bedeutet, also wird der Fokus des Abends auf das aktuelle Album gepackt. Bei den folgenden Stücken von „Give Us Life“ bewegt sich der Fünfer ein gutes Stück weg von früheren Agent Steel Pfaden hin zu etwas Böserem. Die leichte Slayer-Schlagseite steht den Jungs überraschend gut, zudem auf „böses“ Stageacting verzichtet wird. Das würde den Burschen ohnehin keiner glauben. Neben dem neuen Album sind Klassiker wie „Skate Metal Punks“ und „Decapitron“ weiter im Set und sorgen für Spaß im Moshpit. Frontsau Siggi ist bestens aufgelegt und bei Stimme. Nach zwölf Songs haben die Jungs für heute erst einmal Feierabend und können sich nun dem Tresen widmen.


Tankard im Bambi Galore in Hamburg. Die erfolgreichste und bekannteste Hobbyband Deutschlands zeigt, dass sie immer noch eine Hobbyband ist, die einfach Bock hat, zu spielen und es dann auch egal ist, wenn die Bühne nur fünf x drei Meter groß ist. Nach fast 40 Jahren im Geschäft und internationalem Bekanntheitsgrad ist das alles andere als selbstverständlich. Was soll man da zur Musik noch groß sagen? Natürlich gab es, wie von Tankard zu erwarten, nur Balladen mit kitschigen Texten über Liebe und Trennungschmerz ohne jeglichen Spaß am Leben. Sänger Gerre hielt sich wie gewohnt an einer Tasse Kamillentee fest und es ging ruhig und gesittet zu Ende. Nun mal ernsthaft: Die erste Ballade der Frankfurter war direkt „Rectifier“ vom 2002er B-Day Album, danach wurde es alt mit „Zombie Attack“. Wenn das Bambi nicht so gerammelt voll gewesen wäre, wären sicherlich auch mehr Leute durch die Gegend geflogen. Dazu war nur halt einfach nicht genug Platz. Die vier alten Herren, von denen jeder bequem der Vater eines jeden Mitglieds der Vorbands sein könnte, zeigen deutlich, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Eine bierseelige Thrash Metal Party tobt. Egal, ob nun ältere Nummern wie „Chemical Invasion“ zum Besten gegeben werden, oder neuere wie „A Girl Called Cervesa“. Das Biertrinker-Party-Tier-Image wird wohl auf ewig an der Band kleben bleiben. Leider überdeckt es das musikalische Niveau, dass die Band sich in den 23 Jahren in der aktuellen Besetzung erarbeitet hat. Zwischen Frank Thorwarth am Bass und Olaf Zissel passt kein Blatt Papier und Andi Gutjahr ist einer sträflich unterbewertetsten Thrash Gitarristen nördlich der Alpen. Die Zeit vergeht leider viel zu schnell, bis das klassische Ende einer Tankard Show mit „Freibier“ und „Empty Tankard“ kommt. Freibier am Tresen gab es leider doch nicht wirklich, aber Frank blieb dennoch brav. Bei der anschließenden Party konnte man die Band noch komplett auf der Tanzfläche antreffen.

Der Verfasser dieser Zeilen blieb dieses Mal leider nicht, bis das Putzlicht anging, aber immer noch lang genug, um die Uhr nicht mehr lesen zu können. Eine schöne kleine Ausgabe des True Thrash Fest liegt hinter uns, im nächsten Jahr geht es weiter.

Autor: Jens Wäling
Pics: Andreas Mrowczyski