Rock Hard Festival, Gelsenkirchen

Amphitheater, 03.06.2022 – 05.06.2022


Tag 1, Freitag, 03.06.2022: Neck Cemetery, Sorcerer, Nifelheim, Axxis, Heathen, Sacred Reich.

Als hätten sich alle Veranstalter der Welt mit jeder Band verschworen, zwei Jahre einfach nichts auf die Beine zu stellen, dürfen wir nach drei Jahren wieder am Rhein- Herne-Kanal beim Rock Hard Festival zu Gast sein. Die Bedingungen sind optimal, Sonne und Festivallaune scheinen die Besucher zu bewegen, das Halbrund füllen zu lassen. Haben wir in den Jahren zuvor gleich eine Eröffnungs-Thrashband vor den Latz bekommen, muss diesmal die Band von Rock Hard Jens Peters und Sodom Yorck den Job des Anheizers übernehmen. Von Boris Kaiser als beste Newcomerband des letzten Jahres angekündigt, räumt selbiger aber auch ein, dass es Kumpels sind und der Sänger mit Vorsicht zu genießen sei. Und Neck Cemetery heavymetallen pünktlich um 15:00 Uhr den Stoff ihres Albums „Born in A Coffin“ in das Theater, während sich mein Nebenmann wundert, ob das im Gesicht von Shouter Jens Schminke war, oder die Nachwirkungen vom gestrigen Partyabend. Wir durften inklusive des gebremsten Groovers „The Fall Of The Realm“ und dem mit einer Schwertperformance unterlegtem „Out Of The Darkness“ für vierzig Minuten Zeugen eines anständigen Openers werden, in einem Slot, wo der Veranstalter mit einer Thrashband hätte mehr aufrappeln können. Zum Schluss wird noch über Michael Koch (ex-Atlantean Kodex) gejubelt, der hier als Gastgitarrist auf die Bühne gebeten wurde.  (Joxe Schaefer).


Mit Sorcerer kam eins meiner Highlights direkt früh auf dem Festival und überzeugte auf ganzer Linie. Mit Anders Engberg haben sie aber auch mal einen absoluten Ausnahmesänger in Ihren Reihen, welcher der spielfreudigen Band die Krone aufsetzt. Die Melodien sind großartig, das Songwriting perfekt und die melancholische Atmosphäre erzeugt Gänsehaut, was will man denn schon mehr? Nebenbei, im direkten Vergleich, zieht eine etwas artverwandte Band, die sich tags darauf auf dem Festival etwas sehr abmühte, doch klar den Kürzeren. Daumen hoch für einen überzeugenden Auftritt. (Bert Meierjürgen):


Nachdem Heavy Metal und Doom das Halbrund aufgewärmt haben, geht es jetzt mit Nifelheim in die Vollen. “Infernal Flame Of Destruction” klingt wie es heißt. Die Drums brettern dermaßen nach vorne, dass sich der Gesang fast überschlägt und die Gitarren einem den Schädel wegriffen. Das geht auch bei den folgenden zwei Songs so, bevor der Gang bei “Bestial Rites” vom “Satanatas” Album etwas runtergeschaltet wird. Die Nifelheim Twins sind optisch natürlich eine Granate. Kein Plan, wer von den beiden das meiste Metall am Körper trägt. Grimassen schneidend geht es mit dem Hit “Storm Of The Reaper” weiter und schon jetzt ist klar, dass die Schweden mein persönliches Tageshighlight sein werden. “Possessed By Evil” soll dann wenig später eigentlich der Abschluss werden, es bleiben aber noch fünf Minuten, so dass auch noch “The Final Slaughter” rausgekloppt wird. Und auch wenn Schreiberkumpel Felix die beiden als Black Metal Oppas bezeichnet, sie sind mit 46 genau fünf Tage jünger als er. Und somit gebe ich an den erwähnten Herrn weiter für das Kontrastprogramm der etwas anderen Sorte. (Martin Hil).


Die Lokalmatadore Axxis spielen zum ersten Mal auf dem Rock Hard Festival. Mit ihrem melodischen, teils recht Keyboard-lastigem Hard Rock treffen sie natürlich nicht unbedingt den Geschmack aller Festivalbesucher. Aber die Sonne scheint, die Meute freut sich, endlich wieder ihr Festival erleben zu dürfen, und die Stimmung könnte kaum besser sein. Axxis feiern eine fette Party mit dem Publikum, und die auf feinstem Ruhrpott-Deutsch vorgetragenen Ansagen von Sänger Bernhard Weiss, die auch schon mal ein wenig ausufern können, kommen gut rüber. Die Setlist ist bunt gemischt, allerdings werde ich als großer Fan der Frühwerke, insbesondere des fantastischen Debütalbums, irgendwann ein wenig ungeduldig, wann denn endlich die ollen Kamellen kommen. Mit „My Little Princess“ vom „Back To The Kingdom“-Album wird dann endlich der Klassiker-Part eingeläutet, danach kommt „Little Look Back“. Als dann „Living In A World“ und „Kingdom Of The Night“ gespielt werden, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Axxis verabschieden ihr Publikum mit dem Steam-Cover „Na, Na, Hey, Hey, Kiss Him Goodbye“ und waren hoffentlich nicht zum letzten Mal im Amphitheater zu Gast. (Felix Schallenkamp).


Mit Heathen kehrt nun auch die Bay Area ins Gelsenkirchner Amphitheater zurück, auch wenn Bandgründer und Mastermind Lee Altus leider andere Verpflichtungen hatte. So wird der bestens bei Stimme befindliche David White an diesem Freitagabend neben Kragen Lum von Kyle Edissi an den Gitarren unterstützt, die Rhythmussektion bilden die erst 2019, bzw. 2020 zur Band gestoßenen Jason Mirza (Bass) und James DeMaria (Drums). Wenn nun bei einer alten Band eigentlich nur ein Originalmitglied dabei ist – auch Kragen Lum ist erst seit 2007 dabei – bietet es sich an, den Fokus auf neueres Material zu legen, an dem die anwesenden Musiker auch mitgewirkt haben. Der Fokus des Sets liegt auf dem frischen „Empire Of The Blind“ Album, das mit sechs der zwölf gespielten Songs vertreten ist. Drei weitere Songs stellt das großartige 2010er Comebackalbum „Evolution Of Chaos“, was für mich immer noch eine „neue Platte“ ist: „Arrows Of Agony“, „Dying Season“ und „Control By Chaos“. In den 75 Minuten des Sets finden sich somit nur drei weitere Stücke aus der Frühphase der Band, „Goblin‘s Blade“ lockert den Anfang an vierter Stelle im Set auf, die Show endet mit „Death By Hanging“ und „Hypnotized”  klassisch, also zweimal „Breaking The Silence“ und einmal „Victims Of Deception“. Bei einer Clubshow zur aktuellen Platte wäre ich damit komplett einverstanden gewesen, auf einem gemischten Festival hätte es für meinen Geschmack gern mehr aus der Mottenkiste, wie z.B. das viel zu selten gespielte „Mercy Is No Virtue“ sein dürfen. So bleibt leider ein leicht fader Beigeschmack bei einer der musikalisch besten und oftmals unterbewertetsten Thrashbands der Bay Area. (Jens Wäling).


Da in diesem Jahr schon mit der Tradition des Thrash Metal Openers gebrochen wurde, so gibt es zum Finale des ersten Tages immerhin einen Thrash – Doppelpack. Von der Bay Area geht es ein bisschen weiter gen Osten nach Phoenix, Arizona. Sacred Reich entern zu Thin Lizzys „The Boys Are Back In Town“ die Bühne und beginnen den Set mit „Divide & Conquer“ vom aktuellen „Awakening Album“, was 2019 nach einer kurzen Pause von nur 22 Jahren erschienen ist. So kann man das Problem, was Heathen hatte, auch umgehen. Direkt weiter geht es mit „The American Way“, was so langsam die ersten Moshpits im Amphitheater in Wallung bringt. Phil Rind ist einer der sympathischsten Frontleute im Thrash Metal und trägt auf dieser Tour wieder eine amtliche Matte. Was er an Haarlänge zugelegt hat, hat er scheinbar an Bauchumfang verloren. So schlank habe ich ihn bisher noch nie erlebt, da ich für die legendären Dynamo Auftritte, bei denen er kaum breiter als der Hals seines Basses war, einfach noch zu jung bin. In den ersten zwei Dritteln des Sets wechseln sich neue Stücke wie „Killing Machine“ mit Klassikern wie „Love…Hate“ und „One Nation“ ab, wobei gerade bei den alten Stücken der Pit immer mehr an Fahrt aufnimmt und es bei „Ignorance“ endlich vor der Bühne wieder so aussieht, wie es bei einer solchen Band im Amphitheater aussehen soll: fliegende, grinsende Menschen überall. Mit „Salvation“ gibt es eine kurze Verschnaufpause, bevor man bei „Who‘s To Blame“ erst mitsingen und dann mitspringen muss. Letzteres kann man bei „Independent“ gleich beibehalten. Als letztes neues Stück leitet „Awakening“ langsam das Ende der Show ein. Die Band täuscht an, dass sie alt und ruhiger geworden wäre, spielt erst „Free“ gefolgt von „Manifest Reality“, nur um mit „Death Squad“ und „Surf Nicaragua“ zwei absolute Thrash Klassiker abzufeuern, so dass danach das Amphitheater erst mal aufgeräumt werden muss. Dafür ist ja nun auch bis zum nächsten Mittag Zeit. Der Freitag des Festivals hat einen würdigen Abschluss gefunden. (Jens Wäling).


Tag 2, Samstag, 04.06.2022: Indian Nightmare, Suicidal Angels, Villagers Of Ioannina City, Atlantean Kodex, The Nightflight Orchestra, Grave Digger, Asphyx, Blind Guardian.

Mit “Circle Of Fire” entfachen Indian Nightmare mittags um halb eins ein vierzigminütiges Black/Speed/Metal/Punk Feuerwerk, das sich gewaschen hat. Die internationale Truppe bildet den perfekten Opener, wo sich das Amphitheater langsam, aber konstant füllt. In der Mitte des Sets wird ein neuer Song namens “Black Metal Rock ‘n’ Roll” ausgepackt, der genauso klingt wie er heißt. Als dann kurz vor Schluss Gesang zu hören ist, aber zunächst niemand ins Mikro zu schreien scheint, entdeckt man den Drummer eben dies tuend. Am Ende wird dann noch “War-Metal-Punx” vom Debüt rausgehauen und die Band verabschiedet sich unter Gejohle und Applaus. (Martin Hil).


Die Ansage des griechischen Thrash-Vierers beginnt mit der Absage von Phil Campbell wegen eines erkrankten Bandmitgliedes. Gut, wenn man mit der Familie auf Tour ist, muss der Pappa sich um die kranken Jungs kümmern. Als Ersatz werden Asphyx angekündigt, mit denen man auf dem Rock Hard nix falsch machen kann. Den Author befreit das auch von dem Gewissenskonflikt, sich geliebte Motörhead-Klassiker mit nur einem Originalmitglied anhören zu müssen. Aber nun zurück zum Thema: Thrash aus Griechenland. Die vier Jungs legen mit dem Doppelpack „Endless War“ und „Born Of Hate“ vom 2019er „Years Of Aggression“ Album los und erwischen spielerisch einen ihrer guten Tage. Leider ist der Sound bei dieser zweiten Band des Samstages noch ein wenig dünn, die Gitarren kommen erst bei den Kerry-King-Gedächtnis-Soli so richtig zur Geltung. Apropos Herr King: klangen die Suicidal Angels auf den Frühwerken sehr nach einem Slayer – Klon, so geht man nun deutlich eigenständiger zu Werke. Zu „Bloodbath“ bilden sich die ersten Circlepits des Tages im Amphitheater, aber leider wird das Tempo mit „Bloody Ground“ eher im mittleren Bereich gehalten und irgendwie wirkt der Song nicht böse genug an einem sonnigen Mittag. Mit „Capital Of War“ wird zum Ende hin doch noch mal das Gaspedal langsam entstaubt. Gelsenkirchen muss ja mal wach werden, während der Band-Über-Song „Apokathilosis“ vom „Sanctify The Darkness“ Album den Set beendet. Nach dem Stück sind nun alle wach, der Tag kann weiter gehen. (Jens Wäling).


Die Griechen Villagers Of Ioannina City sind einfach wie geschaffen für ein Amphitheater. Aber natürlich wäre es in der Abendsonne fast noch stimmiger. Relaxte Atmosphäre, sympathisches Auftreten und episch meditative Songs beherrschen den Auftritt, den ich einfach nur wunderbar und großartig fand. Dazu war der Sound hier glasklar. Es ist sicherlich Spartenmusik und reichlich anwesende Metaller haben sicherlich nicht verstanden, was da grad auf der Bühne passierte, aber genau das macht ja das Rock Hard Festival aus. Eine gute Mischung und viel Abwechslung! (Bert Meierjürgen).


Am Nachmittag sind dann die Epicmetaller aus dem bayrischen Vilseck dran, das Publikum zu begeistern. Das Theater ist gut gefüllt und alle sind sofort in der passenden Stimmung, als das Intro von Atlantean Kodex ertönt. Die Truppe schafft es mit ihrem klassischen Sound,  das Publikum zu begeistern. Gewöhnungsbedürftig ist, dass sie in ihren knapp fünfzig Minuten ohne Intro sechs Songs zum Besten gegeben haben. Was Sänger Markus Becker selbst kommentierte, wie schwierig es für sie sei, drei in achtzehn Minuten zu spielen. Dafür ist die Songauswahl umso gelungener, denn mit „Sol Invictus“ und „Twelve Stars And An Azure Gown“ haben sie absolute Fanlieblinge ausgepackt. Aber auch ihr erster Song „People Of The Moon“ hat von Anfang an reingehauen. Sie haben gerade mit ihren Songs schon am Mittag die passende Stimmung für den Headliner am Samstag vorbereitet. (Dominic Eisenhuth).


„Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein und schnallen Sie sich an…!“ Und somit starten wir bei The Night Flight Orchestra direkt mit „How Long“ von der zweiten „Aeromantic“ alt und bewährt, da kann man schon bei den ersten beiden Songs nicht die Füße stillhalten. „Ready To Danke, ruft Sänger Björn mit seinen Deutschkenntnissen, während die Flugbegleiterinnen zu synchronischen Bewegungen animieren. (Aber verflixt noch eins…wo sind die Sektgläser?) Allerdings wird schon bei „Divinyls“ deutlich, Sänger Björn macht mit seinem goldenen Micro sicherlich einen guten Gesangsjob, wird aber die tragende Basis – vor allem in den Höhen – klar von seinen Begleiterinnen gehalten. Bei der Hälfte wird uns eine kurze Pause gegönnt. John Lönnmyr in adrettem Outfit vermittelt kurzzeitig die Atmosphäre einer Piano Bar, was dem Keyboardsolo bei „Burn For Me“ seine Berechtigung gibt. Aber auch schon geht es weiter, mit Zitat Björn: „Extremly danceworthy“ mit „The Boy’s Last Summer“, „Gemini“ und natürlich „Satellite“! Immer wieder beeindruckt Sharlee D’Angelo, während man bei Arch Enemy Auftritten sein Gesicht kaum zu sehen bekommt, kriegt hier das Publikum sein freudiges Strahlen entgegengeschleudert – vielleicht hat der weiße Anzug einfach diese Wirkung. Wahrscheinlich ist es genau diese Freude und der Spaß, den die Band, die sich als Idee von Freunden aus mehreren bekannten Rock/Metal-Bands (Soilwork, Arch Enemy, Mean Streak) vor fast einem Jahrzehnt gegründet hat und seither die Kinnladen runterfallen lässt, mitbringt. Und die es schafft, Metalheads derart tanzen zu lassen, dass sie statt eines Circlepits eine Polonaise im Innenraum veranstalten. Und während das Publikum weiter feiert, bei „White Jeans“ und „West Ruth Ave“ sieht man auch zum Ende das Konfetti in der Menge fliegen. Vielen Dank, dass sie dabei waren und uns auf dieser kurzweiligen Reise begleitet haben! (Betti Pelz)


Na, wenn das nicht passt. Grad waren wir noch in Schottland zu Gast gewesen, und jetzt spielen Grave Digger am heimischen Kanal. Für die Thematik ihres bereits fünfundzwanzig Jahre alten „Tunes Of War“ Albums rüsten die Gladbecker jetzt nach noch einmal auf und lassen durch fünfzehn Mann mit Drums and Pipes den Set mit der inoffiziellen Nationalhymne Schottlands „The Brave“ eröffnen. Danach legen die Gladbecker mit „In The Dark Of The Sun“ nach. Das kommt sehr gut an, das Publikum feiert mit Grave Digger Sprechchören und kriegt „Excalibur“ vor den Latz. Die aus Hamburg angereisten Baul Muluy Drums And Pipes bleiben den gesamten Set auf der Bühne, bekommen für ihr Spiel mehrere Slots und werden auch entsprechend abgefeiert, aber dennoch haben die Grave Digger Keyboards ihre Parts, die heute auch gut hätten von den Pipes gespielt werden können. Chris sagt „The Clans Will Rise Again“ an, dirigiert die Audienz und erklärt, für „The Ballad Of Mary (Queen Of Scots)“ sollte Doro auf die Bühne kommen, doch die hatte gestern Geburtstag, blieb deswegen fern und die Ballade wurde ohne sie performt. Vom in Kürze erscheinendem Album „Symbol Of Eternity“ wird schon mal die Single „Hell Is My Purgatory“ abgefeuert. Selbstredend wird zum Schluss „Rebellion (The Clans Are Marching)“ von der Crowd mitgesungen und Chris bittet seinen Unterstützungssänger Andreas mit auf die Bühne, um zwischen Säulen aus Rauch und Feuerfunken zusammen das Finale „Heavy Metal Breakdown“ zu brüllen. Die Sonne steht noch wolkenlos am Himmel, dass zur Kühlung Bier einen guten Job macht. Nach diesem fast einstündigen Auftritt der dienstältesten Pott-Metalband muss jedoch erstmal ein Highland Single Malt dran. (Joxe Schaefer).


An dieser Stelle waren lange Phil Campbell And The Bastard Sons angekündigt, doch aus krankheitsbedingten Gründen fielen die leider aus. Das war schon Schade, doch der einspringende „Ersatz“ entfesselte einen kleinen Sturm der Begeisterung. Ja gut, der hier für Continental schaffende Drummer war eh vor Ort, aber die Niederländer Alwyn, Paul und Martin haben davon erst ein paar Stunden zuvor erfahren, wie letztgenannter erklärt. Für mal eben eingesprungen muss von Asphyx so kurzfristig kein neu eingeprobtes Zeug, mehr Brimborium als das Backdrop oder eh vor Ort präparierte Rauchsäulen auf der Bühne erwartet werden, aber bei dem abfeiernden Publikum genügt heute ein gewohnter Set völlig. Shouter Martin greift nochmal den Joke von Husky’s Debüt in kurzen Hosen auf, grüßt Mike vom Aardschock und stellt die Band vor, dabei sich selbst als Hape Kerkeling. Das markante Schlagwerk zum Titelstück des aktuellen Albums „Necroceros“ dringt durch das Halbrund und so einige Crowdsurfer müssen abgefischt werden. Trotz aller Freude hatten die Fans noch Zeit, Passagiere auf vorbeifahrenden Schiffen zu grüßen. Paul lässt die Gitarre ausheulen, die Band verabschiedet sich und das war’s. Sehr gelungener Spontanauftritt, über dessen siebzig Minuten sich viele mehr freuten, als hätten sie bloß 33% Motörhead gesehen. (Joxe Schaefer).

Trotz aller Vorfreude war ich im Vorfeld des Festivals ein wenig unglücklich mit dem Lineup, weil mir eine Stilrichtung komplett gefehlt hat: klassischer Old School Death Metal. Doch dann hat Hacky vom Rock Hard am Samstagmittag bei einer seiner Ansagen verkündet, dass Phil Campbell seinen Auftritt leider absagen musste, dass stattdessen aber spontan die holländischen Urgesteine Asphyx einspringen würden. Death Metal-Herz, was willst Du mehr? Ein paar Stunden später stand die Truppe um Kult-Fronter Martin van Drunen dann relativ unvorbereitet auf der Bühne, um das Amphitheater zu zerlegen. Die Kurzfristigkeit tat der Qualität des Gigs keinen Abbruch, denn Asphyx sind nicht nur absolute Profis, sondern haben den Death Metal zu 110% im Blut! Der gesunde Querschnitt durch älteres und neueres Material, inklusive zweier Songs vom hammermäßigen aktuellen Album, begeistert die Meute, und vor der Bühne regiert der Moshpit. Martin van Drunen ist bekannt für seine sympathischen Ansagen, und er nutzt diese für ein ihm sehr wichtiges Anliegen: Klarzustellen, dass Asphyx zwar recht oft das Thema Krieg in ihren Texten behandeln, aber natürlich die derzeitige Ukraine-Situation genauso verurteilen und schlimm finden wie jeder andere halbwegs intelligente Mensch auch. Wer die Band einigermaßen kennt, dem war das natürlich sowieso klar, aber in der heutigen Zeit kann es ja nie schaden, Stellung zu beziehen, um Missverständnisse zu vermeiden. Den Abschluss der fetten Vollbedienung machen wie üblich die Über-Klassiker „The Rack“ und „Last One On Earth“, bei denen ich immer wieder eine fette Gänsehaut bekomme. Danke Asphyx! (Felix Schallenkamp).


Das Rock Hard Festival fühlt sich an wie eine Zeitreise. Nicht nur dank der Bändchen, auf denen noch 2020 steht, sondern gerade auch wegen der Performance von Blind Guardian. Diese liefern eine Show ab, die aus den 90ern hätte sein können, aus den guten 90ern. Und das freute die Fans. So waren einige überrascht, dass die Jungs doch noch eine richtige Metalshow spielen können und andere fühlen sich wieder zurück in ihre Jugend versetzt. Hansi Kürsch witzelte mit dem Publikum, dass er sich doch wegen der Spielzeit kurz fassen müsste und tut es dann irgendwie doch nicht. Die Klassiker werden lauthals mitgesungen. So wird Hansi beim „The Bard’s Song” sogar arbeitslos und das Publikum übernimmt seinen Job. Es ist ein Fest und schafft Hoffnung auf das neue Album. (Alexx Thunder).

Meine Fresse, wenn alles gut ist, vergeht die Zeit wie im Flug. Auf einmal sind wir schon beim Samstagsheadliner angekommen, und gleichzeitig erleben wir noch eine große Band aus der Nachbarschaft, die schon öfter mit dabei war, unter anderem auf dem ersten Rock Hard Festival 2003. Oberhemdträger Hansi und seine bestens eingespielten ‚Blinden Gardinen‘, wie sie sich für einen Secret-Gig mal nannten, sind plus Zusatzbassist und -keyboarder eine hochprofessionelle Truppe. Das würdigen auch die Anhänger, die bis zum „Nightfall In Middle-Earth“ Album große Stücke auf ihre Helden gehalten haben. Außerdem sind Blind Guardian akribische und sehr professionelle Studioleute, was das hohe Maß an Produktionstechnik der letzten Alben beweist. Das geht natürlich auf den spontanen Rock ‚n‘ Roll Faktor, doch das noch immer hohe Maß an Klanghärte muss den Krefeldern heute hier vor Ort jeder attestieren. Die „Guardian“ Rufe nach dem Opener „Into The Storm“ belegen das schon früh. Hansis Ansagen sind wie immer langsam gesprochenes, intellektuelleres Hochdeutsch, und so geht es in den Reigen einer neunzigminütigen Best-Of Setlist plus des kompletten „Somewhere Far Beyond“ Albums zum dreißigjährigen Jubiläum. Und wie das technisch bedingt dann so ist, kommt zwischen den Rockpalast Kameras das bislang noch nie gespielte „Black Chamber“ doch noch mal zu Liveehren. Markant definitiv noch, wie lautstark „The Quest For Tanelorn“ mitgesungen wird. Kein Wunder, wenn man so einen Song hat. Und immer wieder „Guardian“-Rufe, die logische Folge auch wieder nach diesem Song. Ganz zum Schluss sorgen das unverzichtbare „Valhalla“ bei nicht enden wollenden Mitsingereien und „Mirror, Mirror“ für die notwendige Zufriedenheit, die man von einer Finalband in dieser Größe auch erwartet. Well done! (Joxe Schaefer).


Tag 3, Sonntag, 05.06.2022: Wolvespirit, Sulphur Aeon, Artillery, Night Demon, Midnight, Michael Monroe, RHF-Promoter Ansage, Accept)

Sonntagmorgen. Der letzte Tag beginnt, das Rund ist spärlich gefüllt und als die Truppe aus Würzburg loslegt, wird mir auch klar, dass es nicht nur der gestrigen Partynacht geschuldet ist. Die noch recht unbekannte fünfköpfige Hippie-Rocker-Truppe Wolvespirit hat mit ihrem recht eigenwilligen Stil und einer Frontfrau, die mit ihrer markanten Stimme am besten irgendwo zwischen Nina C. Alice (Skew Siskin) und Dawn Crosby (Détente) zu beschreiben ist, nur hartgesottene Fans erreicht, trotz bester Voraussetzungen. Auch an dem spontanen Austausch des Bassisten durch eine Gastbassistin hat es definitiv nicht gelegen. An den Ansagen darf noch gefeilt werden und musikalisch war das auch eher Geschmacksache. Ein Auftritt, an den sich nicht jeder als Festivalhighlight erinnern wird. (Dominic Eisenhuth).


Was ist denn das? Sulphur Aeon spielen um die Mittagszeit? Kann ja eigentlich nicht funktionieren. Wie gut, dass die fünf Bösewichte Regen und dunkle Wolken aus der Cthulhu Heimstatt R’lyeh beschworen haben. Nach dem finsteren Intro wird auch hier klar, dass der Soundmann nicht so ganz auf der Höhe ist. Bassdrum und Basssound blasten alles weg, die Gitarren gehen ein wenig unter. Dennoch macht der Auftritt ordentlich Laune. Frontmann Martin beherrscht nicht nur das tiefe Gegrowle, sondern auch die epische Beschwörung und hievt den Sound der Kohlenpöttler auf ein ganz eigenes Level. Dennoch demnächst lieber wieder im Club. Oder im Nebel. Oder halt nachts. Iä fhtagn! (Bert Meierjürgen).


Das dänische Urgestein um den überlebenden Stützer Bruder Morten hat 2021 mit „X“ ein bärenstarkes Album, irgendwo im Niemandsland zwischen Thrash Metal und Power Metal herausgebracht. Während die Gitarren nach wie vor thrashig sind, kann Michael Bastholm Dahl einfach viel zu gut für einen normalen Shouter singen. So sind Artillery eben Artillery und Geschütze sind in der Regel eh zu groß für Schubladen. Nach der Dampfwalze der Lokalmatadore Sulphur Aeon hat das Publikum im Amphitheater ziemlich gewechselt, leer geworden ist es zum Glück nicht. Vom oben erwähnten Album „X“ wird der Set mit „The Devil‘s Symphony“ gestartet, direkt danach geht es mit „By Inheritance“ mit einem der größten Band-Klassiker weiter. Die Kombination aus neuem und alten Material („Turn Up The Rage“, „The Face Of Fear“ und „Bombfood“) zieht sich durch das komplette Set, wobei die Auswahl und Mischung sehr gelungen ist. Lediglich die frühe 2000er Phase wird hier nicht so berücksichtigt. Die ersten Crowdsurfer bei dieser Band dürften mit ihren acht und elf Lebensjahren auch die jüngsten des letzten Festivaltages gewesen sein. Klassisch beenden die Dänen mit den Gassenhauern „Khomaniac“, „Terror Squad“ und „The Almighty“ den einstündigen Set, der deutlich gezeigt hat, dass diese alte Band immer noch ballern kann. (Jens Wäling).


Die Senkrechtstarter Night Demon scheinen sich als Stammgäste auf dem Rock Hard Festival zu etablieren, und es gäbe echt Schlimmeres. Die Truppe um den absoluten Metal-Enthusiasten Jarvis Leatherby zündet von der ersten Sekunde an und reißt das Publikum mit ihrem klassischen, hochgradig energiegeladenen Metal mit. Der druckvolle Sound ist perfekt, und die Spielfreude der Band kaum zu toppen. Geboten wird eine gesunde Mischung aus den bisher erschienenen Singles und Alben, inklusive des ebenso gewagten wie gelungenen Thin Lizzy Covers „The Sun Goes Down“. Meiner persönlichen Meinung nach hat eigentlich keine andere, neuere Band derzeit mehr Potential, die übergroßen Fußstapfen alter Helden wie Maiden oder Priest einmal zumindest einigermaßen zu füllen. Die Metal-Welt braucht definitiv mehr Night Demon, denn wir können die Zukunft nicht Sabaton und Powerwolf überlassen! (Felix Schallenkamp).


Jetzt direkt im Anschluss folgt noch ein Hochgeschwindigkeits-Power-Trio aus der Garde des trendfreien US Metals. Ebenfalls fit wie ein Turnschuh wie die Kalifornier zuvor, zeigen sich die maskierten Wahnsinnigen aus Ohio, nur diesmal mit mehr Venom und Motörhead Schlagseite. Gleich nach dem Midnight-Glockenintro wird über eine Stunde die gesamte Bühne ausgenutzt und über jeden Quadratmeter geflitzt. Die beiden Fronter wechseln häufig die Seiten, gehen auf die Knie und stampfen auf den Podesten. „The only way to rock is to Rock Hard“ weiß Mainman Athenar mit dem Satz anzusagen, dass dies Sammy Hagar nicht hätte besser sagen können. Ein nahtloser Übergang in „Rebirth By Blasphemy“ und das planmäßige „Satanic Royalty“ heizen weiter an, dass die Audienz mindestens mitwippt und Bierbecher bis auf die Bühne fliegen lässt. Die werden von Athenar in hohem Bogen zurückgeworfen. Klar, dafür hat ja wer Pfand bezahlt. Etwas Regen scheint die Meute nicht zu schocken, sondern unterdessen werden durch die Security im Graben reichlich Surfer abgefischt. Darunter auch Shouter und Bassist Jarvis, der zuvor noch bei Night Demon auf den Brettern stand. Nach der Ansage „We have got three words for you…!“ folgt der Song mit vier Wörtern im Titel „You Can’t Stop Steel“, bis sich der Gitarrenmann noch ein Bad im Publikum gönnt, dann die Saiten aus seiner Flying V reißt und Mainman Athenar mit einem brennendem Handtuch über seinem Bass den Gig zu Ende spielt. Ein anhaltender Basston dröhnt nach der Schlacht noch weiter und das vor den Amps liegende Tuch wird natürlich von der Crew fachmännisch durch Ersticken gelöscht. (Joxe Schaefer).


Rocklegende Michael Monroe zu Gast beim Rock Hard. Der als Hanoi Rocks Frontmann bekannte Sänger bleibt seinem Publikum nichts schuldig. Wer an dem Spektakel teilnehmen kann, wird ein Zeuge von einer geballten Ladung Glam/ Sleaze Rock wie er im Bilderbuch steht. Direkt von der ersten Minute an gibt der sympathische Frontmann Vollgas und bezieht das Publikum immer wieder in seine Performance mit ein. Er und seine Bandkameraden haben richtig Freude an ihrem Tourauftakt und lassen es das Publikum auch spüren. Einen solch agilen Sänger, der dabei auch immer die Performance bringt, sieht man selten. Die Songs, die das Publikum zu hören bekommen, setzen sich zum größten Teil aus dem letzten Album „One Man Gang“ und dem am 10. Juni erscheinenden Album „I Live Too Fast To Die Young“ zusammen. Abschließend bleibt zu sagen, dieser Mann lebt für Rock ‚n‘ Roll and he is definitely not faking it. (Alexx Thunder).

Wenn du eh nicht so auf Hanoi Rocks stehst, guckst du dir den nächsten Beitrag vielleicht doch an, wenn du mal sehen willst, was eine Rampensau wie der punkige Hardrocker Michael Monroe so kann. Oder auch ‘noch’ kann, denn der Gute war schon Ende der Siebziger am Start und gehört hier sicher nicht zu den Jüngsten. Neben seinen hellblonden Haaren und seinem Ferrari roten Outfit fällt sein imposantes wie sehr agiles Stageacting auf, und kann dabei echt mitreißen. Mit oder ohne sein Saxophon, das natürlich nicht fehlen darf. Oder wie es unser Jensenmann, sonst eher als Thrashexperte bekannt, so schön als ‚Überraschung des Festivals‘ formulierte. Denn wenn man nichts erwartet hat, wurde man von diesem Auftritt sehr positiv vom Hocker gehauen.
Und was wir noch alle ziemlich lustig finden, ist die in Stein gemeißelte Tatsache, dass auf dem Timetable zwischen Ende Michael Monroe und Beginn Accept lockere 70 Minuten liegen, in der bloße eine „RHF Promoter-Ansprache“ stattfinden soll. Das muss ja episch werden und wir haben uns schon „Pro-mo-ter!“ Sprechchöre ausgedacht, doch selbige ist mit dem Konsens, dass es nächstes Jahr weitergeht, schnell durch, damit eine kleine Überraschung dargeboten werden kann. Die Ruhrpottgröße Sodom, demnächst hier hoffentlich als Headliner, beleuchtet mit ihrem ex-Gitarristen Andy Brings mal eben mit vier Songs ihre Phase Anfang der Neunziger und schließt  mit „Wachturm“ ab. Nette roughsoundige Einlage, die schnell vorbei ist. Ab jetzt beginnt der Umbau für den Headliner. (Joxe Schaefer).


Zwar war nach dem Regen die Luft reiner, allerdings fielen auch die Temperaturen und der Wind brachte immer wieder mal ein paar Regentropfen mit. Trotzdem harrten die Besucher im Amphitheater aus und feierten den Festivalheadliner. Pünktlich um 21:30 Uhr, wie übrigens der ganze Zeitplan auf diesem Festival, steigen Accept mit „Zombie Apocalypse“ und „Symphony Of Pain“ vom aktuellen Album „Too Mean To Die“ ein. Starke Backing Vocals von Gitarrist Wolf, dem letzten verbliebenden Originalmitglied. Accept sind eine professionelle Band, grad auf Tour, super eingespielt und legen zackig mit den klassischen Bekannten „Living For Tonight“ und „Restless And Wild“ nach, bei denen die markante Reibeisenstimme von Shouter Mark Tornillo bestes Bindeglied ist. Die Idee mit dem zusätzlichen Drittgitarristen erschließt sich an sich nur, Philip Shouse aus den Begleitbands von Ace Frehley und Gene Simmons ist neu in der Band, wenn die Uwe und Wolf komplett auf Synchron schalten. Wie ging es dann nach „Overnight Sensation“, „The Abyss“, „Objection Overruled“ und „Shadow Soldiers“ weiter im Programm, Dominic? (Joxe Schaefer).

Anschließend kramten sie die richtigen Klassiker heraus. „Princess Of The Dawn“, „Fast As A Shark“ und „Metal Heart“ heizten der Menge nochmal ordentlich ein, nach „Teutonic Terror“ und „Pandemic“ kündigte Tornillo an, sie würden dieses Mal auf das Zugabengehabe verzichten und starteten direkt mit der Rifforgie ein Medley aus „Demons Night“, „Starlight“, „Loseres And Winners“ und „Flash Rockin´ Man“, um ein paar der Klassiker abzudecken, für die sie komplett ausgespielt keine Zeit gehabt hätten. Am Ende durften natürlich zum „Ohoho“-Abschiedsmitgrölen „Balls To The Wall“ und „I´m A Rebel“ nicht fehlen. Alles in allem ein mehr als würdiger Festivalabschluss. Die Show, die Menge, alles passte perfekt und hat einem direkt Bock gemacht aufs nächste Jahr. (Dominic Eisenhuth).

Autoren: Jens Wäling, Bert Meierjürgen, Felix Schallenkamp, Dominic Eisenhuth, Martin Hil, Betti Pelz, Alexx Thunder, Joxe Schaefer

Pics: Stefan Knoepker