Ironhammer Festival
Andernach, JuZ, 12.09.2020
Lange vor dem Start wurde angekündigt, das Ironhammer Festival soll ein Open Air werden. Um den Hygieneauflagen entsprechen zu können, soll das Festival nicht in der Halle des JuZ stattfinden, sondern draußen. Die Mutation zum Open Air kommt bei dem Wetter schon mal ziemlich gut und die Tischreihen, die bis vor die Bühnenabsperrung aufgestellt wurden, füllen sich zügig. Um Viertel vor vier ertönt das Intro für die Rheinland-Pfälzer Lord Vigo und das Festival startet mit epischem Doom ins Programm. Ihr aktuelles Album “Danse De Noir” wurde bei X-CRASH mit neun Punkten bedacht und live kommt ihr breiter Midtemposound echt gut in der Nachmittagssonne. Sicher hat Sänger Vinz, gern von hohem Podest aus agierend, in seinem roten Mantel nicht gefroren. Das Ding legt er später auch ab. Ein Synthieintro verrät das umjubelte „At The Verge Of Time“ und lässt an den Tischen Köpfe nicken. Auf der Bühne wird die Show mit Rauchsäulen unterstrichen und alle sitzen schön auf ihren Plätzen. Nur ein paar Fans stehen ab und an mal in der ersten Reihe. Obwohl sie Masken tragen und den Abstand voneinander einhalten, werden sie aber alsbald, ebenfalls wie Fotografen ohne Fotopass, von den Ordnern freundlich zu ihren Plätzen geschickt. Rein wettertechnisch hätten Lord Vigo wahrscheinlich nicht so viele Zuschauer gehabt, wenn es in der Halle stattgefunden hätte, weil das Gros sich bei den Temperaturen lieber draußen aufhält.
Auf jeden Fall macht das Festival bei diesem Wetter an sich ‘ne gute Figur als Open Air, mal sehen wie es weitergeht. Von den proggigen Metallern Sweeping Death aus Bayern hatte bislang kaum wer etwas auf der Uhr. Ohne Backdrop wurde erst mal geraten, wer denn nun dieser Fünfer wohl sein mag, der da grad als zweites loslegt. Im Gegensatz zu den ebenfalls aufstrebenden Bavarischen Thrashern Dust Bolt oder Toxic Waltz gehen diese Jungs, im Gegensatz zu ihrem geilen oldschool Logo und einem Bandnamen, der nach einem Metallica Song klingt, wesentlich moderner zur Sache. Immer wieder werden Keyboardeinlagen eingestreut, die keinesfalls vom Band kommen, sondern es bedient der Schlagzeuger in seinen Drumpausen das neben ihm aufgestellte Schlüsselbrett. Dazu servieren die Saiten gerne das von Proggern geliebte Gefrickel, liefern aber auch den von Thrashern erwarteten Arschtritt. Auch wenn einige Besucher die Meinung vertreten, dass SD auch als Mainstream Metalband durchgehen könnten, muss sich niemand Sorgen machen, dass wir uns gelangweilt hätten.
Die aufstrebenden Melodic Metaller von Tyler Leads haben es bis aufs Ironhammer geschafft. Das mag zwar von der Entfernung her keine Weltreise gewesen sein, aber darf schon als kleiner Ritterschlag gewertet werden, auf diesem Festival in der geschichtsträchtigen Metal-Location Juz Andernach spielen zu dürfen. Das Quintett gibt schon mal mächtig Gas, und zum ersten Mal gibbet heute richtig Action auf der Bühne. Und der Groove steckt an, denn irgendwann merken die Sitzenden was da auf der Bühne abgeht. Die Akteure kriegen die Menge und der Verfasser dieser Zeilen muss zugeben, gerade dem besten Tyler Leads Konzert bis jetzt beizuwohnen. Auch ein kurzer PA-Ausfall kann die Stimmung nicht bremsen. Immerhin kann man an den Tischen Fistraiser und ein paar stehende Banger beobachten. Das ist die logische Folge von einem anständigen Auftritt, der eine ganze Stunde dauern durfte. Ganz offensichtlich hat sich in der Entwicklung von Tyler Leads einiges getan und wir dürfen auf ihre nächsten Livepräsenzen gespannt sein.
Wer Stormzone auf dem Warm-up zum diesjährigen Brofest gesehen hat, und das fand im Februar noch statt, der weiß um die Livequalitäten dieser Band und kennt die starke Präsenz ihres Frontmanns John Harbinson. Und genau so stellen sich die Nordiren hier im Landkreis Mayen-Koblenz bei dem anwesenden Heavy Metal Fachpublikum vor. John ist einfach eine Rampensau sondergleichen, dirigiert das Sitzpublikum und man nimmt ihm jede seiner zahlreichen Gestikulationen als absolut ehrliche Gefühlsausdrücke ab. Die positive Ausstrahlung überträgt sich und er lässt es sich nicht nehmen, seinen alten Bandkumpel aus Sweet Savage Zeiten vorzustellen, Drummer David Bates. Absolut positiv soll hier noch angemerkt werden, dass Stormzone live wesentlich heavier kommen als auf Platte. Unser Jensenmann will gleich zu Anfang schon das Riff von „Animal Fuck Like A Beast“ (W.A.S.P.) gehört haben, doch musikalisch überzeugen die Mannen mit ganz schön arschtrittigem Powerdruckmetal, der in der Audienz Bewegung verursacht und zum Mitklatschen animiert. Mehr davon bitte!
Inzwischen ist die Sonne weg, aber es bleibt noch länger warm. Gute Voraussetzungen für die nächste Band, die als Koblenzer Lokalpatrioten hier nun den vorletzten Slot des Abends füllen, den ursprünglich die coronazeitbedingt verhinderten Night Demon inne gehabt hätten. Pyracanda tauchen heuer hin und wieder mal aus der Versenkung auf und spielen Jubiläumsgigs. So haben sie viele Metaller kennengelernt, die damals noch nicht dabei waren. Diesmal feiert ihr Debütalbum “Two Sides Of A Coin” Dreißigjähriges, was wir eigentlich schon auf dem Der Detze Rockt Festival befeiern wollten, wenn es denn stattgefunden hätte. So tun wir das eben hier am JuZ und die Protagonisten machen es uns mit Spielfreude und klarem Sound wie zu “Democratic Terror“ leicht. Es gibt schön das Thrashbrett auffe Fresse. Das geht ab und jeder Song hat ein anderes Feeling. Inzwischen herrscht Dunkelheit und so kommt das Feuerwerk optisch noch besser. Übrigens gibt es am Merch Shirts mit drei verschiedenen Pyracanda Motiven, eins geiler als das andere. Da hat man doch besser zugegriffen. Die 75 Auftrittsminuten vergehen wie im Flug, noch ein weiteres sicheres Zeichen für einen starken Auftritt.
Okay, dass die eigentlich sehnsüchtig erwarteten Jag Panzer mal wieder nicht spielen, zuletzt sagten sie im Januar 2020 beim Hammer And Iron Festival im Turock zu Essen ab, kann man das diesmal zu Recht Corona in die Schuhe schieben. Glücklicherweise gibt es eine Frankfurter Thrasheinheit, die uns eventuell gebildete Sorgenfalten wegbügeln. Außerdem geht es beim Headliner des heutigen Tages um den Konsum von Bier, ähnlich wie bei den hier im Umfeld ansässigen Steelpreacher. Dafür sind Tankard bereits seit Ende der Achtziger bekannt, die hier ungestüm mit dem coolen Opener “Rectifier“ die Kuh fliegen lassen. Die Band hat richtig Bock und knallt wie Sau. Laut Gerre sei dies erst ihr zweites Konzert in diesem Jahr, offensichtlich hat sich da einiges angestaut. Jetzt sind die Ordner etwas mehr gefordert, die abfeiernden Besucher wieder auf die Plätze zu bewegen, denn zu geil kommen Thrasher rüber. Gerre begrüßt noch ihren Soundmann Gerd Lücking, Drummer von Holy Moses, und weiter geht die Post ab. Bis der Veranstalter unterbrechen muss, um die vor der Bühne Stehenden zum Hinsetzen aufzufordern, da sonst wegen der strengen Auflagen das Festival abgebrochen werden muss. Gerre lobt die Disziplin der Besucher, die dem natürlich nachkommen, und zu “Die With A Beer In Your Hand“ machen wir eben am Tisch weiter, da kann man wenigstens die Maske abnehmen und zu „One Foot In The Grave“ und dem Cock Sparrer Cover “We’re Coming Back” Bier nachkippen.
Trotz der metalinkonformen Vorschriften blicken wir auf ein gelungenes Festival zurück. Wir haben viele Leute getroffen, die wir sonst auf den gecancelten Festivals getroffen hätten, und wir haben ziemlich geile Auftritte der sechs Bands gesehen. Zum Schluss rufen wir uns mal ins Gedächtnis, dass es nur so wie hier möglich ist, in diesen Zeiten ein Festival zu veranstalten, denn die andere Möglichkeit ist, es findet gar nicht statt. Lob an alle Beteiligten, es möglich gemacht zu haben!
Autor & Pics: Joxe Schaefer